Benedict Wells: Hard Land

Benedict Wells darf mit Fug und Recht als einer der Stars an den diesjährigen Solothurner Literaturtagen bezeichnet werden. Ganz ohne Allüren, dafür umso offenherziger sprach er mit Anuschka Roshani über die Schutzlosigkeit der ersten Liebe und über Erklärungsversuche des Erfolgs.

Bereits 2016 hatte Wells mit seinem Roman Vom Ende der Einsamkeit einen Bestseller gelandet, und mit Hard Land doppelt er, der mit seinen 37 Jahren im Literaturbetrieb immer noch als Jungautor gilt, auf eindrucksvolle Weise nach. Gerade im April wurde der Coming-of-Age-Roman vom Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband zum Lieblingsbuch 2021 gekürt, und die «Weltwoche» weiss, dass es auch bei Influencern als hip gilt, mit Wells› Romanen zu posieren.

Hip, oder vielleicht eher retro-hip, geht es auch in Hard Land zu und her, es ist ein Stück US-amerikanische Popkultur, eine Hommage an die 80er-Jahre. Den Soundtrack dazu liefern Michael Jackson, Bruce Springsteen und Billy Idol. Und das Vorbild des 16-jährigen Protagonisten Sam ist Marty McFly, seines Zeichens Hauptfigur der kultigen Filmtrilogie Zurück in die Zukunft und Sternstunde von Michael J. Fox.

Sam bespielt in Hard Land jedoch alles andere als die grosse Starbühne, vielmehr lebt er in einem hinterwäldlerischen Kaff irgendwo in Missouri als unsicherer Teenie ohne Freunde, dafür mit Angststörung. Und er erlebt den Sommer seines Lebens mit bisher nicht gekannten Höhen und Tiefen, denn: «In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.»

Der erste Satz dieses Romans hat es bereits wenige Monate nach Veröffentlichung zu einer beachtlichen Bekanntheit gebracht. Oft wurde er zitiert, und auch die Moderatorin Anuschka Roshani sprach mit Wells über diesen Anfangssatz. Wells teilt die Faszination für erste Sätze mit der Romanfigur Kirstie, in die sich Sam verliebt. Erste Sätze müssten wie letzte Sätze einfach stimmen, so Wells. Es gefalle ihm, wenn er spüre, dass sich der Autor etwas Besonderes dabei habe einfallen lassen. Dieser erste Satz sei seinerseits bereits ein Remake aus Charles Simmons› Salzwasser, dieser wiederum eine Umwandlung von Turgenews erstem Satz aus Erste Liebe.

Um erste Sätze und erste Lieben gibt es also ein regelrechtes Motivgeflecht. Die erste Liebe ist für Benedict Wells von derart einschneidender Bedeutung, weil man ihr schutzlos ausgeliefert sei. Kein Vergleich sei vorhanden, nichts lasse sich relativieren, und man habe das Gefühl, dass einen der erlittene Schmerz nie wieder loslassen würde, egal wie andere einen vom Gegenteil zu überzeugen versuchen.

In dieser Überzeugung steckt eine gehörige Portion Naivität, die aus der Distanz vielleicht belächelt werden kann. Benedict Wells nimmt Sam in dieser Überzeugung aber ernst. Und dieses Ernstnehmen sei für ihn ganz essentiell gewesen, als er den Roman über die Jugendzeit in den 80er-Jahren der USA schrieb. Das Naive an den Popkultur-Träumen dieser Zeit, das Klischee, das Eskapistische, all das habe er in diesem Roman ohne Ironie bringen wollen, um das Gefühl herzustellen, das er eben suchte. Das Gefühl der Sehnsucht nach dieser Zeit, das Gefühl, mit etwas Distanz noch einmal in diese Jugend aufzubrechen, in der man sich so fühlen kann, wie Sam sich schon sein «ganzes Leben fühlen wollte: übermütig und wach und mittendrin und unsterblich». Dies ist ein weiterer Satz aus seinem Roman, der, wenn nicht gerade unsterblich, so doch charakteristisch ist – für das Lebensgefühl, das der Roman vermittelt.

Für dieses Gefühl hat Wells ein Wort gefunden, wie er überhaupt aus einer gewissen Distanz zur Jugendzeit besser die Worte dafür finde, was damals eigentlich los gewesen sei. «Euphancholie», eine Portmanteau-Wort aus Euphorie und Melancholie. Die Euphancholie trifft «die Tinte meiner Jugend», «die Tinte der Sehnsucht», mit der er den Roman geschrieben habe, im wahrsten Sinne aufs Wort. Selbst im Gespräch haben seine Metaphern etwas Triefendes, Überschwängliches. Aber man muss sie ihm einfach abnehmen, wenn man ihn so hört. Ironie fehl am Platz, die gehört sowieso in die 90er.

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