Schlaflieder übers Dadasein

Endo Anaconda besingt das Dadasein in Schlafliedern, auch wenn er dadurch unter Pathosverdacht gestellt wird.

Die «seelischen Zimperlein und Neurosen der Gegenwart», so Pablo Haller in seiner Einführung, entlarve Endo Anaconda, «einer der begnadetsten Performer der Schweizer Gegenwart», wortgewaltig.

Endo Anaconda wirbelt durch unsere Sprache: Er betreibt eine poetische Etymologie, nimmt Metaphern wörtlich und kalauert. Er phantasiert zum «Bazenheidi», sinniert über «Mohnblumenträume», übers Altern und die Liebe, über die Bewahrung der Schweizer Identität – tsch tsch – oder sch sch? –, über das Corona-Jahr und über den Identitätsdiskurs.

Das musikalische Bühnenbild gestaltet der Gitarrist Boris Klečić, der auch in der Band «Stiller Haas» mit dem Sänger arbeitet. Seine Musik setzt deutliche Ironiesignale, sie ermöglicht ab und an ein Durchatmen und an manchen Stellen erhöht sie die Dringlichkeit der Worte.

Die Schalflieder sind so dicht bebildert und das Tempo so hoch, dass mir trotz der musikalischen Unterstützung fast schwindelt: Ich bin im freien Fall mit Endo Anaconda, der die Kleinen belächelt, die zwar vom Grossen träumen, aber nur das Kleine bewahren wollen. «Ich habe kein Laudanum, sollte dringend dichten!», heisst es im zweiten Lied – ein bisschen Beruhigung hätte ich vertragen können.

Und doch: Eine bissige Gesellschaftskritik liefert der Poet nicht ab – dafür müsste ihm, so wie dem alten Mann im zweiten Lied, wohl auch zuerst eine Schwester die Zähne holen. Seine Performance berührt indes dort, wo sie im Poetischen ist, wo der Stoff nicht «zerdichtet», aber der Blues hörbar wird. 

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