Ein Mosaik aus Erzählungen

Martina Clavadetscher spricht mit Manfred Papst über ihren Roman Die Erfindung des Ungehorsams

Der Auslöser für den Roman von Martina Clavadetscher war die Fotoserie von Aleksandar Plavevski. Er fotografierte die Arbeiter*innen in einer Sexpuppenfabrik in China. Clavadetscher war so fasziniert von den Bildern, die aufgehängte Puppen zeigten, dass sie den ersten Teil ihres Buches schrieb. Den Teil von Ling, der Sexpuppenfabrikantin. Schnell war Clavadetscher klar, dass sie Ling nicht alleine stehen lassen will, sie wollte die Geschichte verbinden.

Neben Ling erzählt Die Erfindung des Ungehorsams auch die Geschichten zweier anderer ungewöhnlicher Frauen. Iris lebt in einem Penthouse in Manhattan und verbringt ihre Zeit gerne bei Dinnerpartys. Immer wieder denkt sie sich neue Geschichten für ihre Gäste aus und erzählt eines Abends von ihrer Halbschwester Ling. Und schliesslich gibt es noch Ada, ein mathematisches Genie, die sich im England des 19. Jahrhunderts ihrer Mutter widersetzt und ihren Träumen nachgeht. Lange bevor der erste Computer entstand, hat sie deren Idee vorweggenommen, indem sie zusammen mit Charles Babbage eine Maschine entwickelte, die zu komplizierten Rechnungen fähig war.

Ada, Ada Lovelace, eine historische Figur, lässt Martina Clavadetscher nicht mehr los. Sie hat bereits 2019 ein Theaterstück namens Frau Ada denkt Unerhörtes geschrieben. Irgendwann war ihr klar, dass Ada auch im neuen Roman eine zentrale Rolle spielen soll. Ihren Protagonistinnen ist als Frauen vieles vergönnt und sie widersetzen sich der Männerwelt. Deshalb verwundert es wenig, dass Manfred Papst fragt: Haben sie einen feministischen Roman geschrieben? Auch Clavadetscher hat diese Frage erwartet und lacht. Trotzdem beantwortet sie die Frage nur zögerlich mit einem Ja. Es sollte doch eigentlich normal sein, dass ein Roman von drei starken Frauen handelt. Wieso muss dann gleich ein Etikett aufgeklebt werden? Wie Recht sie doch hat!

Die Erfindung des Ungehorsams wird als Roman katalogisiert, dies ist jedoch ein weiter und offener Begriff, wie Manfred Papst anmerkt. Und dies zeigt sich im Text, erinnert er doch teilweise an ein Drama oder an Lyrik. Martina Clavadetscher gibt zu, dass sie oft in eine hybride Form hineinfällt. Wahrscheinlich komme dies daher, dass sie ihre ersten Fassungen mit der Hand schreibe und dabei einen schnellen und engen Schreibstil habe. Wenn sie zu tippen beginne, geschehe etwas Lyrisches. Die Form nutze sie aber auch, um den Inhalt zu bearbeiten. Sie kann beispielsweise den Lesefluss der Leser*in beeinflussen oder Bilder verstärken.

Nicht nur die hybride Form fällt auf, sondern auch der Stellenwert des Erzählens. Im Roman wird mit jeder Erzählung eine weitere Tür aufgetreten, ein neuer Raum aufgestossen, eine neue Welt aufgeploppt. Alle Figuren wollen wissen, woher sie kommen. Nach Clavadetscher ist unsere Vergangenheit ein Mosaik aus Erzählungen. Kleine Dinge machen mein Ich im Hier und Jetzt aus. Doch Erinnerungen können sich verändern, sie sind fluid und bleiben nicht stehen.

Um ganz frei mit den Worten von Manfred Papst zu enden: Wir hoffen, du erzählst uns weiter deine Geschichten.
Geschichten von starken Frauen, von Utopien, von Ada Lovelace.