Turnen mit Büchern

Viele Menschen sassen im letzten Jahr noch mehr am Schreibtisch und vor dem Bildschirm als eh schon. Deshalb sind im Programm der Literaturtage immer wieder kurze Sequenzen von «Turnen mit Büchern» zu finden. Ob sich Bücher tatsächlich auch zum Turnen eigenen, das wollten wir herausfinden und haben mitgeturnt!

Wie sich sofort herausstellt ist das Turnen mit Büchern eigentlich ein Yoga mit Büchern. Turnen heisst es lediglich wegen Solothurn. Man hat nicht lange Zeit, gedanklich die Vorzüge von Turnvereinen gegenüber Yogastudios und umgekehrt abzuwägen, denn es geht sofort los: Die Schuhe sollte man am besten ausziehen und ein Buch in je eine Hand nehmen. Denn auf diese Weise, so das magische Versprechen, ist es möglich, das Buch nicht mit dem Kopf, sondern mit den Händen aufzunehmen.

Ein drittes Buch kann nun zur Verbesserung der Haltung noch zwischen die Knie geklemmt und ausgedrückt werden wie eine Zitrone. Das tut nicht nur der vom vielen Sitzen gequälten Wirbelsäule gut, sondern dann können nämlich auch die Schultern fliegen. Und wer will das nicht? Fliegende Schultern, ja gerne! Sich gut zu fühlen ist übrigens very simple, sagt dann auch die Frau, die «vorthurnt». Und schon geht es weiter: Aktive Ellbogen, die Arme ins Gelenk ziehen und dann dreht die Körperintelligenz ganz automatisch an den richtigen Ort. Very simple.

Letztlich geht es ja immer um die richtige Balance, das ist im Yoga so und in der Literatur auch (vermutlich sogar auch im Turnverein). Besonders bewusst wird einem dann die Wichtigkeit der Balance auch nochmals anhand der schwächelnden Arme, die über den Kopf gestreckt nun die zwei Bücher zu halten versuchen, während zwischen den Knien das dritte Buch immer noch wie eine Zitrone gequetscht wird. Zum Glück geht es zügig weiter, indem man sich selbst und die Bücher nun auf Halbmast bringt und in die Kniekappen reinfühlt. Danach werden die äusseren Knöchel nach innen gesaugt und der Bauchnabel zur Wirbelsäule gezogen.

Vielleicht liegt es einfach an Solothurn – oder aber man beginnt die Bücher tatsächlich über die Hände zu lesen … Jedenfalls rückt auch beim «Turnen mit Büchern» bald die Sprache wieder unweigerlich ins Zentrum des Geschehens, währenddem man beispielsweise versucht, «äussere Knöchel nach innen zu saugen» oder «Arme ins Gelenk zu ziehen». Und wenn man es dann noch schafft, gut in die Handwurzeln zu stossen, die Zehen aufzustellen und sich dabei gleichzeitig auf die Fersen zu setzen, dann kommt man nicht nur mit dem Scheitel voran, sondern man kommt auch nicht umhin, sich nebst dem gelockerten Homeoffice-Body vor allem auch an der ganz eigenen Poetik dieses Bücheryogas zu freuen.