Mütter in der Literatur

Die Kritik gleich vorneweg: Anders als im Programm angekündigt, ging es in dem von Anushka Roshani moderierten Gespräch zwischen den beiden bekannten Autorinnen Elke Heidenreich und Melitta Breznik weniger um Mütter in der Literatur als um das Verhältnis der beiden geladenen Schriftstellerinnen zu ihren eigenen Müttern. Natürlich verwoben sich darin aber durchaus Literatur und Leben, denn beide Autorinnen hatten sich in ihren jüngsten Büchern mit ihren Müttern auseinandergesetzt: Die Bestsellerautorin und Moderatorin Heidenreich im Band «Männer in Kamelhaarmänteln. Kurze Geschichten über Kleider und Leute» und die in Österreich geborene Schriftstellerin und Ärztin Melitta Breznik in ihrem Buch «Mutter. Chronik eines Abschieds».

Beide Schriftstellerinnen berichteten über die schwierigen Beziehungen zu ihren Müttern, über Tabus (das Reden über Sexualität), Verletzungen (der Schmerz, kein Wunschkind zu sein) und den starken Drang, nicht so zu werden wie die eigene Mutter. Diese Generation von Nachkriegsmüttern, deren Leben nicht selbstbestimmt sein konnte, hat, darin waren sich Heidenreich und Breznik einig, ihre Töchter zu dem gemacht, was sie geworden sind: Frauen, die fast schon pathologisch auf Selbstständigkeit beharren, wie Melitta Breznik sagte. 

Die Mutter-Tochter-Beziehung wurde von beiden Autorinnen als äusserst ambivalent dargestellt, ja fast schon als zerstörerisch: Elke Heidenreichs Mutter hatte ihrer noch jungen Tochter gesagt, dass sie versucht hatte sie abzutreiben. Melitta Breznik wiederum war von ihrer Mutter mit 17 Jahren zu einer Abtreibung gedrängt worden. Mutterschaft war also beiden Autorinnen als problematisch vorgelebt worden –  und bei beiden zieht sich eine intergenerationelle Schuld wie ein roter Faden durch die Leben von Mutter und Tochter. Eine Versöhnung gab es erst am Strebebett der Mutter, «weil einem ja nichts anders übrig bleibt, als einander zu verzeihen» (Breznik).

Ganz am Schluss lenkte Elke Heidenreich das Gespräch doch noch auf die Literatur mit der Feststellung, dass momentan die «Elternliteratur» Hochkonjunktur habe. Sie nannte die Bücher von Annie Ernaux und Monika Helfer – und natürlich Melitta Brezniks «Mutter. Chronik eines Abschieds». Die Schriftstellerin beschreibt in dieser autofiktionalen Erzählung die Monate, in denen sie ihre sterbende 91-jährige Mutter betreute. Ob sie nicht Angst gehabt habe, mit der Veröffentlichung die Mutter zu verraten, fragte Anushka Roshani. Breznik gab zu, dass sie sich auch gefragt habe, ob sie diesen «sachlichen Bericht über das Sterben der Mutter, der streng an den Dingen entlang» gehe, publizieren dürfe. Für sie war es aber «Privileg und Verpflichtung» zugleich, ihr Talent zum Schreiben für diese Grenzerfahrung zu verwenden.

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