Grenzwärtig

Ein Buch, das das Zeug zum Klassiker hat: So stellt Moderatorin Nadja Brügger Ariane Kochs Debütroman «Die Aufdrängung» vor. Die junge Baslerin schrieb bisher vor allem fürs Theater und im Kollektiv. Dieser erste Soloflug ist ein Theaterbesuch zwischen zwei Buchdeckeln. So ambig diese Beschreibung klingt, so vielseitig sind auch die Themen, die der Roman streift, und so dehnbar die Aussagen, die er macht.

In einer verstaubten Kleinstadt lebt die Ich-Erzählerin in einem riesigen Haus mit zehn Zimmern, von denen sie nur neun bewohnt. Sie scheint sich nichts mehr zu wünschen, als dieses statische Leben endlich zu verlassen. Dennoch hat sie für diesen Wunsch noch nie einen Finger gerührt, und so ist sie trotz ihres jungen Alters zu einem regelrechten Fossil geworden. Als sie einen geheimnisvollen Gast bei sich aufnimmt, der ebenso gut Mensch wie Tier sein könnte, beginnt sich das altbekannte Umfeld plötzlich zu wandeln. Nicht nur die Zitronen verlieren ihren Geschmack, auch Kälte und Krankheit halten Einzug. Der Gast bringt die langersehnte Veränderung in ihre Welt. Lang totgeglaubten Dingen haucht er mit seiner Präsenz pulsierendes Leben ein. Trotzdem entwickelt die Erzählerin eine wachsende Abneigung gegenüber dem Auswärtigen und versucht, ihn mit einem starren Regelwerk in seinem Aktionsradius einzuschränken. Und so stellt sich zunehmend die Frage, wer sich hier wirklich dem anderen aufdrängt: Gast oder Gastgeberin? Mit erstaunlich viel Witz wendet sich Ariane Koch der durchaus tragischen Thematik von Gastlichkeit und Ablehnung gegenüber dem Fremden zu. Damit greift sie einen Diskurs auf, der in unserer Gesellschaft den Status von ständiger Omnipräsenz innehat. Mit der gewählten Figurenkonstellation und Szenerie schafft Koch eine Bühne für Fragen nach Migration, Integration und Machtverhältnisse.

Als die Moderatorin den Bann des Zuhörens bricht, fällt auf, dass auch das Publikum gerade in einen begrenzten Raum der Vorstellung und Bedeutung geführt wurde. Denn durch die Macht, als einzige über eine Stimme zu verfügen, hat die Ich-Erzählerin die absolute Kontrolle darüber, wie Lesende die erzählte Welt wahrnehmen. Doch die Grenzen sind wie diejenigen im Buch flexibel und lassen sich überwinden. Sobald sich die Leser*innenschaft bewusst wird, dass sie die Kontrolle über den Deutungsraum hat, fallen die Schranken. Die Geschichte lässt sich in diverse Kontexte setzen und nimmt dadurch – wandelbar, wie sie ist – immer wieder neue Gestalten an.

Zoé Richardet, Julia Brunner

Vom Einschläfern der Wut

Der Landhaussaal ist gut gefüllt, gespannt wartet das Publikum auf Anna-Seghers-Preisträgerin Yael Inokai. Inokai hat dieses Frühjahr ihren dritten Roman herausgebracht: «Ein simpler Eingriff». Schon zu Beginn der Lesung macht Moderatorin Nadia Brügger deutlich, dass sich Inokai in ihrem Buch teils mit unbequemen, aber sehr wichtigen Themen befasst. Die Geschichte dreht sich um die junge Krankenschwester Meret, die aus Überzeugung bei der Durchführung einer neuartigen Therapie mitwirkt. Dabei werden – vorwiegend weiblichen – Patient*innnen gewisse Teile aus dem Gehirn geschnitten, um ihre Wut für immer «einzuschläfern». Weibliche Devianz wird damit «korrigiert», die Frauen sollen nach der Operation endlich den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht werden. Erst ihre Zimmergenossin Sarah, in die sich Meret verliebt, lässt die verdrängten Zweifel in Meret wieder laut werden.

Bei der Lesung gibt Inokai einen grosszügigen Einblick in ihren Roman: Ruhig und konzentriert liest sie längere Passagen. Leider mangelt es dabei ein bisschen an Verve: Es ist schwer zu sagen, ob das Inokais abklingender Erkältung geschuldet ist, oder der reduzierten, sterilen Sprache des Romans. Diese fängt die Klinikatmosphäre zwar ganz gut ein, wirkt im Vortrag aber etwas stumpf. Auch das Gespräch zwischen Inokai und Brügger nimmt eher schleppend Fahrt auf, obwohl viele interessante Fragen im Raum stehen. Inokai erzählt von ihrer Faszination für den Mikrokosmos Klinik, der «die Hierarchien und Machtverhältnisse, die es im Grossen gibt, eindampft». Ein weiteres Thema sind die fehlenden Raum- und Zeitmarker; Inokai behält sich damit Deutungsraum offen und zeigt, dass zum Beispiel viele «feministische Errungenschaften nicht in Stein gemeisselt sind und sich jederzeit wieder ändern könnten.» Auch die Vielschichtigkeit des antiquierten Begriffs «Krankenschwester» wird diskutiert: Er beinhaltet für Brügger und Inokai ein gewisses Bild der Pflege und bringt auch noch andere Aspekte von Schwesternschaft mit ein.

Meret und Sarah sind aber nicht nur selbstaufopfernde Krankenschwestern, sondern zugleich auch Mittäterinnen. Inokai betont, dass es sie besonders reizt, von Menschen zu erzählen, «die gerade noch die Kurve kriegen». Dieses Stichwort bringt Brügger zum Thema des Widerstands; sie wirft die Frage auf, ob Meret und Sarah die Klinik nicht von innen heraus verändern. Inokai reagiert zögerlich. Sie hebt die Macht der Institutionen hervor und bezweifelt die Kraft und Mittel ihrer Protagonistinnen. Brügger scheint mehr an den Text heranzutragen und seinen Figuren zuzutrauen als die Autorin selbst. Als Brügger Inokai zuletzt fragt, ob sie selbst denn gegen etwas anschreibe, antwortet Inokai, dass sie wohl eher für etwas schreibe. Wofür Inokai aber schreibt, verrät sie nicht. Das gilt es in ihrem Buch selbst zu entdecken.

«Vroeling» – eine unkonventionelle Verfremdung

Was Vroeling heisst, bleibt ungewiss. Ist es Frühling? Schon der Titel des neuen Buches von Dieter Zwicky macht den Leser neugierig. Nicht nur die Neugier ist da, sondern auch die Überraschung, die von einem Wort zum nächsten geboren und wiedergeboren wird.

Es handelt sich um «eine wunderbare Biographie der Mutter», wie Moderator Lukas Gloor sagt – doch ist sie nicht nur das. Seiner Mutter will Zwicky Fremdheit schenken, indem er sie sich auf eine Weise vorstellt, die überhaupt nicht zu ihr gehört. Zwicky begleitet seine Mutter durch eine fiktive emotionale und gewisserweise auch erotische Welt. Er legt ihr Worte und Reden in den Mund, die sie niemals sagen würde. Auch die Stadt, in der die Geschichte spielt, Zabriskies, ist ein irrealer, inexistenter Ort. Der Name wurde von einem Thema inspiriert, auf das Zwicky eher zufällig gestossen war, und hat zwar nichts mit Polen zu tun, könnte vom Klang her allerdings polnischer Herkunft sein.

Zwicky liest – das ist eines seiner Markenzeichen – mit gesteigerter Theatralität, was im Publikum für einige Lacher sorgt, insbesondere an bei Stellen, an denen die Beschreibungen so detailliert wie seltsam werden. In wilden Assoziationen verknüpft Zwicky ein neugeborenes Kind und ein Labrador-Welpen, einen berühmten Marathonläufer aus Melbourne namens Mlido – inspiriert von der legendären Figur des Diego Armando Maradona – mit einem schlanken, grossen, doch unschönen Wesen; eine ehrgeizige Tante mit einem Salamander und eine hübsche junge Frau mit einer Nagelfeile. Offen gesteht er: «Ich bringe furchtbare Dinge zusammen.»

Das Ganze sorgt sowohl für Belustigung als auch für leichte Verwirrung. Selbst nachdem alle Fragen beantwortet wurden, bleiben einige Zweifel stehen. Zwickys Text reiht kurze Sätze einander, Zeugnisse eines spontanen Sprachdenkens, das in der Lage ist, sich Wörter vorzustellen, die einander ähnlich sind, die an Klänge und Farben erinnern und doch völlig unerwartet nebeneinander zu stehen kommen. Dennoch mangelt es nicht der Reflexion. Bei der Konstruktion seiner Geschichte geht Zwicky Satz für Satz vor – und scherzt, dass man nichtz zwingend einen denkenden Verstand braucht, um eine Erzählung zu schaffen. Gleichwohl ordnet er seine Prosa keiner neuen experimentellen Technik zu und zieht es stattdessen vor, Vroeling einfach als ein in sich geschlossenes Buch zu betrachten. Zwicky glaubt nicht daran, dass das Schreiben ohne Grenzen ist. Im Gegenteil: er setzt sich selbst Grenzen, und konzentriert sich in seinem Schreiben, kurz gesagt, auf die Unregelmässigkeit und Unvorhergesehenheit der Ereignisse, Gefühle und Gedanken.

Eine müde Revolution

Das Anliegen hätte definitiv seine Relevanz gehabt. So wollten vier Historiker und Autoren und eine Bildhauerin fünf Persönlichkeiten der Schweizer Geschichte beleuchten und dabei zeigen, wie diese zu einer liberaleren, weltoffeneren Schweiz beigetragen und ihre heutige Existenz mitgeformt hatten. Doch erwischten sie einen denkbar schlechten Zeitpunkt, um dieses Anliegen dem Publikum vorzutragen – am Freitagabend war die Luft bei vielen draussen.

Aber von Anfang an: Letztes Jahr gab Stefan Howald, der ebenfalls der Moderator der Veranstaltung war, ein Buch heraus, das 44 Persönlichkeiten der Schweizer Geschichte näher betrachtete. 44 Autor:innen schrieben Porträts zu Personen, die einen wichtigen Einfluss auf eine liberale Schweiz hatten, die aber heute oft fast vergessen sind. Fünf davon wurden am Freitagabend unter dem Titel Revue einer Revolution vorgestellt, wobei alle einen Bezug zur Bundesverfassung von 1848 hatten. So erfuhr man etwas über den Maler Martin Disteli, der mit seinen Jahreskalendern politische Botschaften verteilte, oder über Ignaz Paul Vital Troxler, dessen Auseinandersetzung mit den USA massgeblich die Entwicklung des Schweizer Politsystems prägte.

Viele Leute schien all dies eher mässig zu interessieren. Vielleicht war es die Sonne, vielleicht ein erstes oder zweites Glas Wein, doch gerade in den hinteren Reihen wurde schon das ein oder andere Auge zugetan. Auch verliess eine nicht unerhebliche Menge die Veranstaltung eher früher als später, und sogar beim älteren Publikum scheint es mittlerweile salonfähig zu sein, kurz mal einen Anruf entgegenzunehmen, auch wenn man gerade an einer Lesung ist.

Ein Highlight gab es jedoch: Die Bildhauerin Bettina Eichin verzichtete in ihrem Teil auf eine nüchterne Wiedergabe dessen, was bereits im Buch steht, und lieferte stattdessen ein fulminantes Plädoyer gegen einen enthemmten Liberalismus, der sich von einem früheren Freiheitsbegriff völlig entfremdet hat. Dem entgegen stellte sie den Frieden, der für sie der Begriff sozialen Zusammenlebens ist und für den es alle Teile der Bevölkerung und daher massgeblich auch die Frauen braucht; denn «eine Revolution ist fällig, aber kein blutiger Umsturz.»

Nicht gegen, sondern für etwas schreiben

Im ziemlich vollen Landhaussaal hat Yael Inokai aus ihrem dritten Roman Ein simpler Eingriff vorgelesen. Während von aussen leise flippige Saxophonklänge in den Saal drangen, erhielt das Publikum einen ersten Eindruck der sterilen Klinik, von der der Roman handelt.

Wie bereits ihr letzter Roman Mahlstrom (2017) spielt auch ihr neuster Roman in einer Art Mikrokosmos ohne eindeutige Raum- und Zeitmarker. Ein kleiner begrenzter Raum wie ein Dorf oder eben eine Klink eignen sich besonders gut, um gesellschaftliche Strukturen und Hierarchien literarisch «im Lupenprinzip» – wie es Yael Inokai beschreibt – zu bearbeiten. Die fehlenden Raum- und Zeitmarker machen den Roman zudem anschlussfähig an diverse historische, gegenwärtige sowie kunftige Geschehnisse. So soll der Roman auch der Tatsache gerecht werden, dass «viele Dinge nicht in Stein gemeisselt sind.» In den aktuellen politischen Diskussionen um feministische Errungenschaften wie das Recht auf Abtreibung wird dies offensichtlich.

Es wäre eine andere Geschichte geworden, wenn ich anstatt von einer Krankenschwester von einer Pflegefachfrau geschrieben hätte.

Yael Inokai

Dass die Hauptprotagonistin und ihre Zimmer- und Arbeitskollegin in der Klinik als Krankenschwestern arbeiten, kann allerdings als zeitlicher Marker verstanden werden. Die Angabe, dass das Buch in der Nachkriegszeit spielt, war vor allem aus markttechnischen Gründen gefordert und erleichterte die Pressearbeit, wie Yael Inokai augenzwinkernd bemerkt. Für die Geschichte selbst ist dieser Hinweis letztlich irrelevant. Die veraltete Berufsbezeichnung der Krankenschwester hingegen vermittelt ein bestimmtes Bild der Pflegearbeit und ist gerade im Begriff Schwester anschlussfähig. Daher wäre es nicht die gleiche Geschichte, wenn anstatt Krankenschwester ein anderer Begriff wie Pflegefachfrau verwendet worden wäre.

Dass sich im kalten Setting der Klinik eine Liebesgeschichte entwickelt, hat sich im Schreiben «organisch ergeben – und hätte dann auch nie anders sein können». Besonders interessiert hat die Autorin dabei, wie die beiden Frauen aus ihrem gemeinsamen Zimmer und den unterdrückenden Strukturen der Klinik herausfinden. Starke Gefühle, gegen die mit einem operativen Eingriff in der Klinik vorgegangen wird und gegen die die Hauptprotagonistin ankämpft, sind dabei entscheidend: Das Aufbegehren der Protagonistinnen gegen diese Strukturen wird von inneren Gefühlen ausgelöst, die eine transformatorische Energie entwickeln. Dass auch Veränderungen aus dem Innern einer Institution zu einem Umdenken führen können, bezweifelt Yael Inokai jedoch – die Hauptfiguren in Ein simpler Eingriff haben wohl auch nicht die Kraft dazu.

Wie sich die Protagonistinnen am Schluss des Romans stattdessen emanzipieren, wurde als Cliffhänger stehen gelassen. Auf die Frage, ob sie gegen Autoritäten anschreibe, meinte Yael Inokai, dass sie vielmehr für etwas schreibt – wofür genau, wurde allerdings ebenfalls offen gelassen. Auch dies solle das Publikum beim Lesen des Romans selbst herausfinden.

Entepatete

«Hört ihr mich?» Ich: «Ja». Drei ältere Damen neben mir: «nein». Anaïs Meier spricht also lauter. Die Autorin sitzt auf der wohl kleinsten Bühne an den Solothurner Literaturtagen. Dafür ist die Tribüne umso imposanter. Wir befinden uns draussen auf der Treppe vor der St. Ursen-Kathedrale. Anaïs Meier liest uns aus ihrem aktuellen Buch Mit einem Fuss draussen vor.

Es geht ums draussen sein. Der Held der Geschichte, Gerhard, selbsternannter Kommissär, findet draussen im Egelsee einen abgetrennten Fuss. «Supergerhard», wie er sich selbst Mut macht, vermutet ein Verbrechen und nimmt sich der Sache an. Wenn man Anaïs Meier so zuhört, merkt man allerdings schnell, dieser Kommissar ist ein wenig gspässig. Jeden Morgen macht er die «Flamingo-Übung». Er redet mit der Ente, und versteht sich offensichtlich nicht mit ihr. Zum See steht er in einer symbiotischen Beziehung und sogar zum Universum hat er Kontakt. Er hält, als hypersensibler Mensch, alles im Gleichgewicht.

Ein esoterischer Kommissar?

Wir erfahren, dass Gerhard vielmehr ein Randständiger ist. Ausserhalb der gesellschaftlichen Norm. Draussen. Er wohnt in einer Klause, die wie aussieht wie das Haus von Rocky Docky. Googeln Sie das mal. Früher wohnten dort Süchtige und Punks. Anaïs Meier spricht mit dem ganzen Körper. Die Energie und den Enthusiasmus, mit der sie die Figur des Gerhard sprechen lässt, verleiht dem Text zusätzlichen Witz und erzeugt Sympathien. Wir lachen bei Sätzen wie «Ich muss ja in das Internet hineingehen» oder «Ich freue mich auf den Salbei». Ansonsten sind wir damit beschäftigt, unsere Köpfe vor der Sonne zu schützen. Viele tragen weisse oder beige Fischerhüte, Sonnenbrillen und manche gar kleine Sonnenschirmchen. Es sieht aus wie bei einem Federer-Tennismatch. Nachmittagssession. Gerhard hätte seine Freude.

Le délicat équilibre entre lecture et discussion

Aux alentours de 16h00 dans la Wengisaal, les rideaux sont tirés, les bavardages se taisent, le public focalise son attention sur l’auteur Ivan Salamanca et le modérateur Henri-Michel Yéré : la séance peut commencer.

A peine le temps d’une introduction que nous nous voyons offrir une plongée immédiate dans un extrait de Les bonnes fortunes (publié en 2021, Éditions de l’Aire). Des cinq histoires dont est composé l’ouvrage, c’est d’abord le récit d’un paysan nommé Pierre et de sa femme Jeanne qui nous est livré, récit lu en public pour la première fois, nous confie l’auteur, tout en soulevant l’importance qu’il accorde à l’oralité de sa prose.

La prose est en effet très poétique et sonore, attentive à des images détaillées et parlantes : une excellente entrée en matière. Néanmoins, je me demande si le temps de lecture n’était pas trop généreux : les lectures – deux au total – ont occupé presque la moitié de l’évènement. J’éprouve beaucoup de plaisir à entendre le texte prendre une autre consistance que son existence graphique, mais ai eu de la peine, surtout dans le cas de cette première lecture, à maintenir mon attention affûtée. Les grincements du parquet lorsque le photographe se déplaçait et l’effervescence de la rue rappelée à nous par les fenêtres ouvertes n’ont pas aidé non plus à créer un cadre d’écoute optimal.

En contrepartie, un temps de discussion un peu plus long aurait été bienvenu. Une question posée par un spectateur m’a paru particulièrement intéressante : elle réagissait à la deuxième lecture qui contait l’histoire de Yassin, un migrant tentant de traverser – sans y parvenir – la mer Méditerranée, et questionnait le dialogisme entre le choix d’un style lyrique et un contenu qui évoque une réalité très dure. Pour Ivan Salamanca, le lyrisme c’est ce qui l’émeut et il espère que c’est là sa puissance. Si je ne parviens pas à prendre position de manière définitive sur cette question, elle m’interroge beaucoup : quel langage adopter pour parler des horreurs de notre monde actuel ? si les belles images suscitent des émotions fortes, sont-elles déplacées par rapport à la réalité tragique que vivent certaines personnes et que dénonce le ou la poète depuis le confort de sa chambre ? Bien que l’un ou l’autre positionnement me semble justifiable, je laisse la question ouverte.

Yael Inokai – Les résistantes

Vendredi, 17h. Les terrasses se remplissent de visiteurs fatigués, l’heure de l’apéro au soleil devient plus pressante. Et pourtant le dernier round de discussions de la journée attire du monde, des résistants encore assoiffés de littérature, repoussant le moment d’une désaltération plus littérale. L’autrice Yael Inokai voit sous ses yeux la grande Landhaussaal se remplir de curieux venant l’écouter parler de son troisième roman, Ein simpler Eingriff – une opération de routine (?). La chaleur pesante nous accompagne pour discuter de doute, de colère, de peine et de peur ; les trois personnages du roman – Marianne, Sarah et Meret – rythment la présentation à la manière des actes d’une pièce de théâtre. Les mots sont portés par la belle voix de leur autrice, lentement, comme pour en imprégner l’air et les rideaux noirs qui bordent la scène, récitation d’un théâtre classique.

Dévoilement. Sous la blouse de ces infirmières, tout n’est pas qu’amour du prochain, dévouement et confiance en la médecine. Yael Inokai montre que le cœur de ces femmes pulse de sentiments profonds, la colère, l’amour, le doute, des sentiments que la société ne les autorise pas toujours à exprimer, des sentiments qui devraient être réprimés, chez des femmes particulièrement. Mais les émotions ne se domptent pas si facilement ; si on ferme le couvercle, la vapeur trouvera tout de même un moyen de sortir, une autre forme, un refuge – une chambre à soi. L’air de rien, l’autrice nous révèle des femmes qui perdent confiance dans ce qu’elles font, qui ne se sentent pas elles-mêmes dans leurs vies, dans la vie qu’on leur impose. Des femmes qui vont résister, à leur manière, discrètement, secrètement, mais sans jamais être révolutionnaires. Des femmes imparfaites, pas toujours sympathiques, perdantes, dans le doute, des femmes si humaines.

17h45. Les visiteurs sortent de la Landhaussaal encore pensifs. C’est qu’ils ont suivi avec attention la discussion entre la modératrice et l’autrice ; elles n’étaient pas toujours d’accord entre elles, mais l’échange était agréable à suivre. Car la clef de ce soir, comme souvent, était que l’interprétation appartient au lecteur, à la lectrice.

Abstimmungsfreitag mit Katja Brunner

«Diese Veranstaltung ist ausgebucht» verkündet ein Schild an der Tür zum Kino im Uferbau. Wenn Katja Brunner am späten Freitagnachmittag in Solothurn zur Spoken Word Performance auftritt, ist man froh, wenn man sich einen der begehrten Plätze erkämpfen kann.

Die Tessinerin ist besonders in der Theaterszene berühmt. Nach bekannten Stücken wie Von den Beinen zu kurz, Den Schlächtern ist kalt oder Die Kunst der Wunde erschien 2021 ihr Buchdebüt Geister sind auch nur Menschen. Der Band enthält neben dem gleichnamigen zweiten Teil auch noch eine weitere Sammlung an Sprechtexten unter dem Titel Ändere den Aggregatzustand deiner Trauer. Die Texte verarbeiten die Nachwehen eines Freitods und den Umgang mit Verlust, Trauer und Altern. «Der Text schaut in Familien hinein, da können Tiere sprechen, da kann der Tod sprechen. Es gibt ein ganzes Arsenal an Stimmen, die unterschiedliche Zugriffe auf den Umgang mit Trauer, Verlust und dem freiwilligen Aus-dem-Leben-Scheiden eines Menschen haben.» Auffällig ist dabei die Kunstfertigkeit, mit der Brunner sprachlich herausragende Texte mit genau der richtigen Prise Humor zu verweben weiss.

Ein Highlight dieser Veranstaltung lag sicherlich in der unterhaltsamen und dynamischen Gestaltung durch die Autorin. Die Theatermacherin liess ihr Publikum nämlich per Handzeichen darüber abstimmen, welche Texte sie in ihre Performance integrieren sollte. Die ZuschauerInnen kamen somit in den (selbstgewählten) Genuss unterschiedlichster literarischer Feinkost-Häppchen, wie etwa einer genderqueer-feministischen Überschreibung von Shakespeares Richard III. oder der Rezitation von Anna Achmatowas Gedichtzyklus Requiem.

Nach 45 Minuten Spoken Word Genuss ist eines klar: Katja Brunner ist eindeutig eine «Rampensau» mit enormer Bühnenpräsenz, die keinen Moderator braucht um vor Publikum zu brillieren. Wenn sie einmal in Fahrt kommt, dann wissen ihre ZuschauerInnen: der Kampf um den Sitzplatz hat sich gelohnt. Besonders bemerkenswert: Brunner besticht mit ihrem rhetorisches Talent sich in Texte einzufühlen, ihre Lesung macht Hunger nach mehr.

Wer mehr von Katja Brunner sehen möchte, kann ihr Bühnenstück Die Kunst der Wunde noch bis Ende Juni im Schauspielhaus Leipzig erleben.

Bip—Bip—

Voici l’onomatopée qui exprime le mieux l’ambiance de cette rencontre avec Pier Paolo Corciulo tout comme celle de son livre, Le cri des mouettes, paru aux éditions PLF. Le personnage central, Adrien, se voit offrir une seconde chance, lorsqu’il émerge de son coma. Désorienté, ses sens reviennent peu à peu à la vie, d’abord l’ouïe, lentement, au rythme du bip—bip— de l’électrocardiogramme, régulier et constant. 

Corciulo nous ouvre les yeux sur le texte en italique présent dans son roman, celle qui représente la voix intérieure d’Adrien. Il s’agit de cette petite voix mi-démon mi-ange que bien souvent nous nous efforçons de garder en sourdine, car trop encombrante elle remet en question nos choix, et nous fait douter de nos sens. Corciulo, au contraire, donne de la force à cette voix passée sous silence qui prend le dessus sur le personnage pour le guider. Elle agit comme un électrochoc intérieur qui ranime Adrien, qui lui donne un souffle long pour poursuivre sa mélodie, à l’assaut des pensées sombres qui menacent parfois de l’ensevelir. Adrien devient un modèle, celui d’une personne dont l’impulsion mugissante lui permet de passer du mode veille au mode connecté. 

Petit bémol à l’adresse du modérateur : certes, « la lecture » à voix haute donne sens à un propos, mais encore faut-il créer une invitation au dialogue autour de cette lecture.

Reste qu’à l’écoute de la lecture effectuée par Corciulo, le boum-boum du public battait à l’unisson. Tant qu’il y a le boum-boum, le bip… bip… est garanti.