«Vroeling» – eine unkonventionelle Verfremdung

Was Vroeling heisst, bleibt ungewiss. Ist es Frühling? Schon der Titel des neuen Buches von Dieter Zwicky macht den Leser neugierig. Nicht nur die Neugier ist da, sondern auch die Überraschung, die von einem Wort zum nächsten geboren und wiedergeboren wird.

Es handelt sich um «eine wunderbare Biographie der Mutter», wie Moderator Lukas Gloor sagt – doch ist sie nicht nur das. Seiner Mutter will Zwicky Fremdheit schenken, indem er sie sich auf eine Weise vorstellt, die überhaupt nicht zu ihr gehört. Zwicky begleitet seine Mutter durch eine fiktive emotionale und gewisserweise auch erotische Welt. Er legt ihr Worte und Reden in den Mund, die sie niemals sagen würde. Auch die Stadt, in der die Geschichte spielt, Zabriskies, ist ein irrealer, inexistenter Ort. Der Name wurde von einem Thema inspiriert, auf das Zwicky eher zufällig gestossen war, und hat zwar nichts mit Polen zu tun, könnte vom Klang her allerdings polnischer Herkunft sein.

Zwicky liest – das ist eines seiner Markenzeichen – mit gesteigerter Theatralität, was im Publikum für einige Lacher sorgt, insbesondere an bei Stellen, an denen die Beschreibungen so detailliert wie seltsam werden. In wilden Assoziationen verknüpft Zwicky ein neugeborenes Kind und ein Labrador-Welpen, einen berühmten Marathonläufer aus Melbourne namens Mlido – inspiriert von der legendären Figur des Diego Armando Maradona – mit einem schlanken, grossen, doch unschönen Wesen; eine ehrgeizige Tante mit einem Salamander und eine hübsche junge Frau mit einer Nagelfeile. Offen gesteht er: «Ich bringe furchtbare Dinge zusammen.»

Das Ganze sorgt sowohl für Belustigung als auch für leichte Verwirrung. Selbst nachdem alle Fragen beantwortet wurden, bleiben einige Zweifel stehen. Zwickys Text reiht kurze Sätze einander, Zeugnisse eines spontanen Sprachdenkens, das in der Lage ist, sich Wörter vorzustellen, die einander ähnlich sind, die an Klänge und Farben erinnern und doch völlig unerwartet nebeneinander zu stehen kommen. Dennoch mangelt es nicht der Reflexion. Bei der Konstruktion seiner Geschichte geht Zwicky Satz für Satz vor – und scherzt, dass man nichtz zwingend einen denkenden Verstand braucht, um eine Erzählung zu schaffen. Gleichwohl ordnet er seine Prosa keiner neuen experimentellen Technik zu und zieht es stattdessen vor, Vroeling einfach als ein in sich geschlossenes Buch zu betrachten. Zwicky glaubt nicht daran, dass das Schreiben ohne Grenzen ist. Im Gegenteil: er setzt sich selbst Grenzen, und konzentriert sich in seinem Schreiben, kurz gesagt, auf die Unregelmässigkeit und Unvorhergesehenheit der Ereignisse, Gefühle und Gedanken.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert