Skriptor Prosa
Oszillieren zwischen Schlaf und Tod

Beobachten zu dürfen, wie sich das Publikum leger im Liegestuhl fläzt oder auf dem heimischen Sofa thront, sei schon fast wie ein Buch zu lesen. Meint Donat Blum, Moderator des Skriptor prosa, Die Textwerkstatt geht dieses Mal mit 36 abgebrühten Zoom-Profis und einer Textprobe von Deborah Neininger an den Start.

Das Veranstaltungsgefäss Skriptor ist aus dem Bedürfnis entstanden, einen Begegnungsraum für Autor*innen zu schaffen. Diese Versuchsanordnung soll Schreibprozesse sichtbar zu machen, die Textentwicklung vorantreiben – und bleibt dabei immer ein Wagnis für die Diskutierenden und vor allem die Autor*in.

Erklärtermassen aufgeregt liest Deborah Neininger aus dem Basler Gundeli einen kleinen Teil vom Anfang ihres Textes.

Dieser ist packend. Vom erbarmungslosen Katzentod schwenkt die Erzählerin zum tagelangen Sterbeprozess ihres Vaters, der zu Lebzeiten ein guter Schläfer gewesen war. Geschickt baut sie gleich zu Beginn einen – wie Romana Ganzoni richtig beobachtet – enormen Topos auf: Hypnos und Thanatos, der Schlaf und der Tod. Dieser Anfang führt laut Pino Dietiker dazu, dass jedes weitere zitierte Schlafen im Text dadurch eine neue Konnotation bekommt. Du siehst überall den Tod, sagt eine Figur. Und genau damit spielt Deborah Neininger.

Ein Wechselbad nennt es Alexandra von Arx. Hinter jeder Banalität lauere der Tod, jedes Idyll, alle Schönheit drohe jederzeit in den Abgrund zu stürzen. Der Kontrast als starker Aspekt des Textes. Ein anderer ist für Franco Supino die Sprache, die ihn trotz weniger Widerstände mitzieht. Diese Widerstände sind schwierig zu bennenen, auch Benjamin Kevera hat sie, findet aber auch nicht eindeutige Worte dafür. Einig sind sie sich, dass der Text voller starker Elemente ist, die von der Autorin aber noch auf ihre Eindeutigkeit geprüft werden sollen. Welche Funktion haben Neiningers Assoziationsketten? Kreieren sie ein Postkartenidyll? Und wie viel davon verträgt ein Text? Oder trügt gar der Schein, wie Ganzoni proklamiert? Sind die Kindheitserinnerungen der Erzählerin singulär, oder sollen sie ein Allgemeines abbilden?

Gut, dass Donat Blum noch einmal in die essentielle Richtung kickt und konkrete Handhabung für Neininger fordert. Romana Ganzoni würde den Text fertig schreiben und dann anhand der Inputs bewusster an die Szenen gehen und diese verdeutlichen. Die starken Motive brauchen Bewusstsein. Alexandra von Arx möchte die Ich-Erzählerin in der jetzigen Gegenwart besser spüren. Die Erzählerin in den Rückblenden habe eine starke Beobachtungsgabe. Dadurch, dass die ihre Aufmerksamkeit nicht auf Grosses, sondern auf das Detail richtet, gewinne sie an Stärke. Auch Franco Supino spricht von einer Erzählerin, die über allem steht, deren Gegenwartsfigur aber noch zu blass sei.

Deborah Neininger profitiert zweifach von der gelungenen Veranstaltung. Die breite Zustimmung versichert ihr, auf gutem Weg zu sein, die ähnlich gelagerten Widerstände signalisieren einen klaren Fokus hinsichtlich der Textüberarbeitung. Wohlgefühlt und gut gerundet funktioniert zoom-Skriptor tadellos. Dissonanz hätte das Medium wohl schlecht ertragen.

Gläserner Übersetzer 1: Ulrich Blumenbach übersetzt «Witz»

Der Übersetzer Ulrich Blumenbach hat sich zum Auftakt der Solothurner Literaturtage eine denkbar schwere Aufgabe aufgebürdet. Im Gespräch mit Martin Zingg widmet sich der seit 1993 als Übersetzer aus dem Englischen tätige Blumenbach seinem derzeitigen Projekt, der Übersetzung von Joshua Cohens Werk Witz. Dabei soll er «gläsern» werden, also den Zuschauenden Einblicke und Interventionen in seine Tätigkeit gestatten.

Cohens Witz ist gespickt mit «puns», Wortspielen und Kalauern also, die sich nur schwer übertragen lassen. Blumbenbach muss den Stil und Duktus von Cohen in- und auswendig kennen, um ihn ins Deutsche übertragen zu können. Assonanzen, Binnenreime, Homonyme, Wortwiederholungen, kulturelle Assoziationen – jede literarische Raffinesse will beachtet werden. Der zu übersetzende Epilog des Werkes verzichtet zudem gänzlich auf Interpunktion und erinnert so an den chaotischen Monolog der Molly Bloom in Joyces Ulysses.

An der Übersetzung dieser anspruchsvollen Zeilen mit ihrem von Cohen bewusst gesetzten Klang bleibt Ulrich Blumenbach öfter hängen. «Ich verliere hier ein offenkundig bewusstes Gestaltungsprinzip des Originals», klagt er. Denn die Kette von englischen Nomen, die jeweils mit «Re-» beginnen, lässt sich nicht unmittelbar ins Deutsche übertragen. Übersetzen – das wird den Zuschauenden schnell bewusst – ist eine ständige Suche nach kreativen Lösungen, ein konstantes Abwägen zwischen sprachlichen Kompromissen. So erlaubt die englische Sprache Cohen beispielsweise viel mehr Homonyme als das Deutsche. «Fast immer gehen mir die Homonyme verloren», klagt Blumenbach und ist froh, als er dann doch erfolgreich eines in die Übersetzung einbauen kann.

Die Zuschauenden in der Zoom-Konferenz bringen sich schnell ein mit Fragen und Bemerkungen zu den Übersetzungen. Fast wünscht man sich stellenweise, sie würden dem Übersetzer mehr freie Hand lassen, denn ebenso spannend ist es, ihm beim aktiven Grübeln an einer vorläufigen Lösung zuzuschauen. Doch Ulrich Blumenbach sagt: «Ach, ich liebe das Übersetzen in der Gruppe, der Text wird dadurch immer besser!» Seinen Enthusiasmus kauft man ihm ab. Es ist faszinierend, wie spielerisch er auf die Vorschläge des Publikums reagiert und wie viele von ihnen er verwerten kann.

Brüsk wird das Zoom-Treffen nach einer knappen Stunde vom Moderator Martin Zingg beendet und statt in Cohens Roman schaut man wieder auf den eigenen Desktop. Zwölf Zeilen hat Ulrich Blumbenbach mit Hilfe der Beteiligten bis dahin übersetzen können. Das abrupte Ende war vielleicht nötig: Beim Übersetzen – das hat dieser Einblick gezeigt – könnte locker noch eine weitere Stunde vergehen.

Dominik Fischer, Lorenz Ruesch

Ed Wige ou l’ambiguïté poétique

Ed Wige ? Sous le mystère de ce pseudonyme se cache un auteur ou une autrice qui aurait voulu garder son genre dans le flou. Comme le veut l’atelier Skriptor, Ed Wige nous lit le chapitre 26 d’un projet commencé l’été 2019 et toujours en cours d’élaboration. Rappelons-le, car parfois nous l’oublions : un texte n’existe pas ex nihilo, mais il se construit, il se sculpte, il s’affine, et souvent par de longs combats de réécritures, de négociations, de rééquilibrages. Le premier jet d’un texte, incisif et brut, semble toujours porté par une force incantatoire, poétique, hypnotique, qu’un remaniement excessif finira par aplanir. Comme nous le savons, toute la finesse de cet art est là ; dans le dosage. Toutefois, à la demande des organisateurs, nous ne reproduirons aucune citation du texte. Comment alors parler d’un secret sans totalement le révéler ? Son intérêt se déploie justement dans ce qui l’entoure.

La lecture a convaincu l’auditoire et provoque aussitôt une discussion féconde. Le texte vibre, nous le voyons habité par son personnage qui performe I Want It All de Queen. L’énigme, c’est « iel », pronom inclusif neutre à l’entente duquel toutes les oreilles ont frémi. Ce personnage est-iel à la fois narrateur ou narratrice ? L’oscillation entre le sujet et l’objet qu’il représente nous trouble. Comment définir quelque chose qui ne veut aucune étiquette « binaire » ? Qu’imaginez-vous lorsque, par exemple, vous lisez « iel chante » ou « iel se regarde dans le miroir » ? Pour ma part, la question est à la fois ambiguë et vertigineuse ; tout d’abord, il y a la difficulté à discerner la matérialité de ce corps, ensuite l’amplitude de l’éclatement identitaire – multiplicité qui résonne avec Fernando Pessoa et ses fameux hétéronymes, comme le soulignera une spectatrice, conquise par la musicalité de la prose. Ed Wige contextualise succinctement sa fiction ; par les circonstances d’événements extérieurs, deux amants se détacheront des conceptions hétéro-normées du couple pour endosser graduellement des rôles queer dans leur quotidien.

Les intervenants partagent alors leur point de vue et interrogations, en vrac, comme le veut l’exercice. Henri-Michel Yeré se demande si nous pouvons réellement nous affranchir de cette dichotomie paradoxale qui définit l’individu, à savoir le regard qu’il porte sur lui-même juxtaposé au regard qu’il perçoit chez les autres. Pascal Janovjak apprécie le symbole d’ambiguïté et de sensualité que devient Freddie Mercury, sublimé dans le texte par l’incarnation du protagoniste, mais l’écrivain se demande si le pronom « iel » n’intellectualiserait pas un peu (trop ?) cette non-binarité assumée, ponctuant maladroitement l’élan d’une émotion fortissime. Pour Clara Molloy, au contraire, l’élégance du pronom se prête sans complexe à la volupté suggestive du passage, elle aimerait plutôt savoir pourquoi la deuxième partie du texte change de direction pour nous confronter à la rigidité sociale que sous-entend l’apparition de mots comme « fille » et « garçon ». Cléa Chopard et Marina Skalova échangent sur la tension à la fois politique et poétique qu’engendre ce pronom encore inhabituel dans la littérature, quoique sa présence soit de moins en moins timide.

Évidemment, les quelques lignes ci-dessus ne sont qu’un très bref aperçu des réflexions qui se sont tissées durant l’atelier entre intervenants, auteur et spectateurs. Deux d’entre elles, en particulier, auront retenu mon attention. La première ; bien que la littérature soit un terrain de jeu, combien de chocs peut subir un lecteur avant de se sentir désarçonné puis délaissé ? Aucune réponse quantifiable n’est possible, seulement une exploration des sensibilités individuelles. La deuxième : cet assouplissement de la binarité – si j’ose le dire ainsi – n’est-il pas voué à une frustration constamment exacerbée par l’instabilité – ou la fluidité – d’une identité non binaire ? Vous le voyez, je m’y perds un peu, puisque trop peu souvent confronté à la question ; de toute façon, là aussi, toute réponse serait prématurée. Ce qui est sûr, c’est que la littérature et la fiction sont aussi là pour remuer les codes de la psychologie humaine, et déranger les a priori de la société.

Scheinwelt oder Schweinwelt

Herzlich willkommen in der Akropolis. Anscheinend ist der Raum, in dem Roland Reichen, Dragica Rajčić Holzner und der Moderator Stefan Humbel sitzen, ganz nach griechischem Vorbild dekoriert. Wir Zuschauer*innen sehen das Ausmass der Dekoration nicht wirklich, bis auf die Weingläser mit den hellblauen Stielen und die weissen Blumen auf den Bartischchen. Zum Glück, meint Dragica Raičić.

Es geht also los, Fischernetze hin oder her. Die neuesten Texte der beiden Autor*innen sind beim Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienen, der sich auf Spoken Word spezialisiert. Rajčićs Buch «Glück» erzählt über Gewalt an Frauen und lässt die gebrochene Sprache so erscheinen wie sie ist. Roh, ungeschliffen und unsorgfältig. «Ich mache das Gegenteil von Sorgfalt», sagt sie. Alles komme aus einer Dringlichkeit, einem Anspruch, das Leben im Eiltempo zu bewältigen. Vom Ausdruck des Spoken Word grenzt sie sich ab. Es müsse schlussendlich eine künstlerische Qualität vorliegen bei einem Text, der veröffentlicht wird. Ob der eher mündlich oder schriftlich daherkomme, sei ihr einerlei.

Reichens Buch lässt ebenfalls durch seine Figuren Menschen zu Wort kommen, die in unserer Welt keine Stimme haben. Schonungslos erzählt der Autor in zwölf «Bitzen» aus dem Leben von Menschen, die, wie der Titel verrät, «auf der Strecke» geblieben sind. Für ihn macht die Unterscheidung zwischen Mündlichem und Schriftlichem Sinn. Denn beim Schreiben seien für ihn Stimmen sehr wichtig. Wenn er schreibt, hat er eine Stimme im Ohr. Er stellt sich vor, wie es klingen sollte. Und manchmal liest er sich die Texte selber laut vor.

Rajčić liest ihre Texte nie laut. Eine Stimme habe immer mehr Wahrheitsgehalt als ein geschriebener Text. Es entflammt eine Diskussion über die lange christliche Tradition, in der das gesprochene Wort mehr Wichtigkeit hat als das geschriebene. Wir – damit meint Rajčić uns – sollten besser Mittag essen gehen, anstatt ihren Ausführungen zuzuhören. Ich finde nicht, es wird interessant. Vor allem sie scheint eine unangepasste Person zu sein, deren Meinung ich hören will.

Stefan Humbel will auch noch nicht Mittag essen gehen und versucht immer wieder, das Gespräch auf das Thema der Kunstsprache zu lenken. Die Schrift, gerade bei Rajčić, halte oft mehr Möglichkeiten offen als das Gesprochene. Man könne etwas so oder auch anders aussprechen, und das könne dann den Sinn komplett verändern. Rajčić pflichtet ihm bei. Ja, zum Beispiel hätte es in einem Text mal «Scheinwelt» heissen müssen, es stand aber «Schweinwelt». Versprecher oder kleine Fehler schaffen oft ganz schöne Dinge.

Genau in dem Neuschaffen von Varianten liegen viele Möglichkeiten, meint auch Reichen. Texte wie die von Dragica Rajčić sieht er als poetische Bereicherung der deutschen Literatursprachen. Er meint auch, dass durch Kunstsprachen die Einzigartigkeit des individuellen Leidens besser ausgedrückt werden kann. Man habe so die Möglichkeit, das zu sagen, das einem eigentlich die Sprache verschlägt.

Humbel spricht vom ständigen Wechsel zwischen Registern, von der gebrochenen Sprache, die einen Raum mit eigenen Gesetzmässigkeiten schafft. Rajčić geht nicht darauf ein. Sie sagt dafür, was sie an Lesungen immer traurig macht. Es gehe immer um die literarische Verwertung von Schmerz. Ihre Erwartung sei aber ein Dialog über den Inhalt. Dann kommt das Zeichen der Regie und Humbel bricht das Gespräch freundlich ab.

Schade, dass das Gespräch hier aufgehört hat. Aber gut, dass der Fokus des Publikums auf die Dringlichkeit von gesellschaftlichen Themen gelenkt wurde und nicht etwa auf die Fischernetze.

Entre corps (non) genré et corps de texte

Tout commence par la lecture d’un texte inédit. Lecture incarnée, corporelle, vivante, habitée, chantée. Ed Wige lit le chapitre 26 de son livre en cours d’écriture. Ed Wige vit le chapitre 26 de son livre en cours d’écriture. À partir de là, les méandres de la discussion – à défaut de ceux de l’Aar, qui restent bloqués à Soleure et moi devant mon ordinateur – ondulent en fonction des intervenant·e·s, de leurs avis, de leurs interprétations. Tel est le but du projet Skriptor : montrer les choix, les décisions, les paradoxes, et les problèmes – souvent insolubles – qui accompagnent la rédaction d’un texte littéraire. Une minutie d’horloger, ou plutôt de chirurgien, est requise : le corps du texte est démembré, fouillé, dépecé, en vue de dégager (d’éventuelles) pistes d’amélioration.

De corporalité, il en est encore question dans le sujet même du texte soumis à évaluation : mais chut ! On nous a fait promettre de ne pas en dire trop. Tout au plus peut-on glisser qu’il s’agit d’une histoire où le genre des personnages ne constitue pas un enjeu identitaire et n’a pas d’importance. Et, à défaut d’exprimer ces genres, toute la problématique est de pouvoir exprimer des corps. Signifier un corps, une sensualité, sans en donner le genre : quadrature du cercle ? Plutôt un beau défi, dont on attend le résultat avec impatience. C’est là la dernière information que je donnerai sur ce futur livre, aussi alléchant que prometteur.

Mais entrons maintenant dans le vif – ou dans la chair – de la conversation. Le sujet de tous les débats ? Ce pronom „iel“, exprimant la non-binarité, qui attire (peut-être un peu trop ?) l’œil de nos intervenant·e·s. Les avis divergent à son sujet : parfaitement cohérent ? intrigant ? pertinent ? dérangeant ? trop politique ? (mais depuis quand littérature et politique sont-elles inconciliables ?) On accède à l’atelier du littéraire : pas de juste ou de faux, tout y est question de ressenti, d’impression, d’émotion. Pas de décisions définitives : juste une plus grande richesse de réflexion.

Et ce paragraphe final, dont les multiples focales contrastent avec les précédents, faut-il le changer ? Le déplacer ? Quel sens y trouver ? Des questions, toujours. Des pistes, des indices, des conseils. Et cette recherche du je-ne-sais-quoi qui soudain prend chair et donne vie au texte, lui conférant sa qualité et sa force. Dans ce processus de recherche esthétique, on voit à quel point la collaboration est fondamentale. Car oui, écrire un texte, ce n’est pas un pur travail démiurgique de solitaire isolé dans sa thébaïde. Écrire, c’est aussi et surtout communiquer. D’où l’importance de la discussion.

Au final, on ne peut que saluer la capacité d’un si court extrait à susciter autant de réactions. C’est sans doute par le thème même du texte que s’explique cette profusion : il touche aux sujets aussi sensibles que passionnants de l’identité et du genre. L’usage d’un simple pronom indéfini, laissant le flou, dérange. Et c’est dans le malaise que chacun ressentira à son contact qu’il convient de trouver l’émergence d’une remise en question : celle d’une langue qui plaque ses concepts sur le réel indépendamment de la complexité de celui-ci. Ne pourrait-elle pas, le temps d’un livre, faire corps avec le monde ?

Literarische Kontakte in virtuellen Begegnungsräumen

Die Geschäftsführerin Reina Gehrig eröffnet die 42. Solothurner Literaturtage im ersten Live-Stream des diesjährigen Festivals, das für ein Mal in virtuellen Begegnungsräumen stattfindet.

Neue Formate verlangen auch neue Formen. So vertieft sich Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in ein intimes Gespräch mit Simone Lappert, anstatt eine Rede vor grossem Publikum zu halten. Hier trifft Literatur auf Politik und öffnet einen Raum für Kreativität, der aus dem Umgang mit der Leere und dem Ungewissen herrührt. Dieser Schritt ins Leere ist es auch, der Simonetta Sommaruge an Lapperts neuem Roman Der Sprung besonders interessiert – obwohl sie der Titel, wie sie gesteht, zuerst gar nicht angesprochen habe.

Diese Leere, in die eine ganze Welt in den vergangenen Wochen hinabgestossen wurde, bleibt raumfüllend, auch im Digitalen und erst recht im Imaginären. Vielleicht gerade weil Lappert als Autorin immerzu auf der Suche ist nach Leere, Unsicherheit und Widersprüchen, will die Flucht in andere Texträume immer nur kurz gelingen. Denn die Köpfe sind ständig von dem einen Thema besetzt. Während also andere ihre Kleiderschränke, Chuchichäschtli, ihr ganzes Hab und Gut entrümpelt haben, liess Lappert deshalb ihren Gedanken freien Lauf und schrieb «Kopfentrümpelungsgedichte».

Das erklärte Ziel der Solothurner Literaturtage ist, die Sichtbarkeit der Schweizer Gegenwartsliteratur und die Teilhabe daran sicherzustellen. Wir sind gespannt, wie das über virtuelle Begegnungsräume erreicht werden kann, während im Augenwinkel der Alltag mitflimmert.

L’auteur·e comme un jukebox

Hors du contexte inouï d’un confinement national, il est une vérité que l’on peine aujourd’hui à s’avouer : On n’a plus le temps de lire. « Hobby » dans tout Curriculum Vitae qui veut « faire bien », la lecture se résume pourtant bien souvent aux fameuses cinq-minutes-avant-de-se-coucher. À l’ère du tout tout de suite, force est de constater que peu nombreux·ses sont celles et ceux qui peuvent encore prétendre lire ne serait-ce qu’une heure hebdomadairement.

Mais le but ici n’est pas de jeter la première pierre, car bien souvent j’ai moi-même laissé ma dernière acquisition littéraire prendre la poussière à mon chevet, ou pis : l’ai rangée dans l’éternelle et immuable pile de livres à lire. L’intérêt au contraire est plutôt de revoir notre approche de la lecture et de se demander : et si ouvrir un bon bouquin ne signifiait plus forcément s’extraire du quotidien pour plonger seul·e dans un monde imaginaire ? Et si on lisait autrement ?

C’est ce que le Jukebox littéraire se propose de faire. Introduit en France par David Lescot, le projet déboule en Suisse romande avec, pour cheffes de files, les deux autrices neuchâteloises Antoinette Rychner et Odile Cornuz. Contrairement à une lecture publique à laquelle on assiste pour écouter notre auteur·e favori·e lire un livre que l’on connaît déjà, le jukebox littéraire offre une multiplicité d’auteur·es, de textes et surtout une véritable interaction avec ceux-ci.

Le concept est simple : plusieurs auteur·es font face à un public, équipé·es de leurs écrits personnels, format papier ou virtuel, publiés ou non. Le tout forme ainsi leur répertoire littéraire à portée de main — voire à portée de mémoire —, dans lequel ils ou elles pourront aller piocher. Piocher quoi ? À vous de leur dire ! Muni d’un jeton, chaque membre du public a droit de proposer un mot, à partir duquel les auteur·es chercheront une musique à vous jouer, un texte personnel à vous lire. Le temps de recherche est agrémenté d’une improvisation musicale proposée par un musicien-animateur. C’est à l’auteur·e qui trouve en premier, que revient la faveur de lire son morceau, de performer son texte. L’auteur·e comme un jukebox.

D’un instant à l’autre, on saute ainsi de la « cacophonie » à l’« euthanasie », en passant par l’« andouillette ». Que le mot apparaisse ou non dans l’extrait, cela n’a pas d’importance : les auteur·es procèdent par moteur de recherche ou par association libre, le tout promettant des expériences de lecture aussi surprenantes que variées. Entrant en résonance avec les scènes slam ou encore le théâtre d’improvisation, les auteur·es boxent ici avec des mots proposés par le public.

Envie de lire autrement donc ? Venez participer, ce soir, à cette expérience interactive et éphémère, à cheval entre la performance, le jeu et le spectacle. Organisé par les Journées littéraires de Soleure, ce Jukebox littéraire réunira quatre auteur·es, un musicien et un animateur-modérateur sur scène virtuelle (confinement oblige !). Tout ce dont vous aurez besoin se résume donc à une connexion internet et un peu de curiosité, avant de lancer depuis votre canapé cette lecture interactive en streaming.

À vos jetons !

Caroline Gaillard

Jukebox littéraire (de/fr) ce vendredi 22 mai 2020, dès 21h00
(ouverture du stream à 20h45), entrée libre et gratuite


Auteur·es: Antoinette Rychner, René Frauchiger, Tanasgol Sabbagh et Odile Cornuz
Musique: Adrien Gygax; Modération: Rafael Blatter

Plus d’informations sur : https://www.literatur-online.ch/programm/