Gläserner Übersetzer 1: Ulrich Blumenbach übersetzt «Witz»

Der Übersetzer Ulrich Blumenbach hat sich zum Auftakt der Solothurner Literaturtage eine denkbar schwere Aufgabe aufgebürdet. Im Gespräch mit Martin Zingg widmet sich der seit 1993 als Übersetzer aus dem Englischen tätige Blumenbach seinem derzeitigen Projekt, der Übersetzung von Joshua Cohens Werk Witz. Dabei soll er «gläsern» werden, also den Zuschauenden Einblicke und Interventionen in seine Tätigkeit gestatten.

Cohens Witz ist gespickt mit «puns», Wortspielen und Kalauern also, die sich nur schwer übertragen lassen. Blumbenbach muss den Stil und Duktus von Cohen in- und auswendig kennen, um ihn ins Deutsche übertragen zu können. Assonanzen, Binnenreime, Homonyme, Wortwiederholungen, kulturelle Assoziationen – jede literarische Raffinesse will beachtet werden. Der zu übersetzende Epilog des Werkes verzichtet zudem gänzlich auf Interpunktion und erinnert so an den chaotischen Monolog der Molly Bloom in Joyces Ulysses.

An der Übersetzung dieser anspruchsvollen Zeilen mit ihrem von Cohen bewusst gesetzten Klang bleibt Ulrich Blumenbach öfter hängen. «Ich verliere hier ein offenkundig bewusstes Gestaltungsprinzip des Originals», klagt er. Denn die Kette von englischen Nomen, die jeweils mit «Re-» beginnen, lässt sich nicht unmittelbar ins Deutsche übertragen. Übersetzen – das wird den Zuschauenden schnell bewusst – ist eine ständige Suche nach kreativen Lösungen, ein konstantes Abwägen zwischen sprachlichen Kompromissen. So erlaubt die englische Sprache Cohen beispielsweise viel mehr Homonyme als das Deutsche. «Fast immer gehen mir die Homonyme verloren», klagt Blumenbach und ist froh, als er dann doch erfolgreich eines in die Übersetzung einbauen kann.

Die Zuschauenden in der Zoom-Konferenz bringen sich schnell ein mit Fragen und Bemerkungen zu den Übersetzungen. Fast wünscht man sich stellenweise, sie würden dem Übersetzer mehr freie Hand lassen, denn ebenso spannend ist es, ihm beim aktiven Grübeln an einer vorläufigen Lösung zuzuschauen. Doch Ulrich Blumenbach sagt: «Ach, ich liebe das Übersetzen in der Gruppe, der Text wird dadurch immer besser!» Seinen Enthusiasmus kauft man ihm ab. Es ist faszinierend, wie spielerisch er auf die Vorschläge des Publikums reagiert und wie viele von ihnen er verwerten kann.

Brüsk wird das Zoom-Treffen nach einer knappen Stunde vom Moderator Martin Zingg beendet und statt in Cohens Roman schaut man wieder auf den eigenen Desktop. Zwölf Zeilen hat Ulrich Blumbenbach mit Hilfe der Beteiligten bis dahin übersetzen können. Das abrupte Ende war vielleicht nötig: Beim Übersetzen – das hat dieser Einblick gezeigt – könnte locker noch eine weitere Stunde vergehen.

Dominik Fischer, Lorenz Ruesch

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