Über Sprache und Ideologie
Katharina Alder im Gespräch mit Christoph Höhtker

Christoph Höhtker, in deinem neuen Roman Schlachthof und Ordnung stellst du die Menschen unter die Wunderdroge Marazepam. Im Ernst, wäre die Welt so nicht vielleicht besser?

Natürlich ist es für meine Begriffe keine gangbare Alternative, die Leute chemisch zu beeinflussen. Es ist aber letztendlich so, dass auf der ganzen Welt Drogen- oder Medikamentenkonsum gang und gäbe ist; es gehört zum normalen Alltag und ich stehe dem nur moderat kritisch gegenüber. Ich habe da keine ideologischen Schranken. Wenn man das jetzt auf die gesamte Menschheit hochrechnet… [lacht] Naja, man könnte sagen, dass die Menschheit momentan nicht in allerbester Laune ist und wenn die ein bisschen gehoben würde, wäre das vielleicht auch mal ganz angebracht. Letzendlich sind das globale Fragen von grosser Tragweite, die in so einem Buch nicht wirklich behandelt werden können. Für mich ging es darum, dass eine Droge, die auf jeden Menschen unterscheidlich wirken kann, ein sehr gutes Instrument ist, um viele verschiedene Szenarien durchszuspielen.

Du hast neben Drogen auch schon den Weltkommunismus als einzig gangbare Lösung erwähnt.

Also wenn man den Grundkern dieser Ideologie zu definieren versucht, ist das eine relativ rationale Analyse von Wirtschaftsgeschehen. Diese Form von Rationalität ist natürlich etwas, was gerade in pandemischen Zeiten durchaus mal verloren gehen kann. Insofern wäre Vernunft in Kombination mit Gerechtigkeit schon mal ein guter Ansatz, um die Welt zu organisieren. Andererseits glaube ich, und das ist in meinen Augen das zentrale Argument, dass der Kapitalismus keine wirkliche Ideologie ist, sondern etwas, was wesentlich näher am Kern des Menschen dran ist. Er ist eine menschliche Bedürfnisstruktur. Insofern glaube ich, ist der Kapitalismus dauerhaft schwer zu überwinden.

Der Roman ist voller Ideologien; du hast alles reingepackt, was geht.

Da wird mit vielen Ideologien gespielt, ja. In meinen anderen Büchern ist es auch so, dass politische Versatzstücke immer wieder benutzt werden. Die kann man natürlich auch humoristisch auswerten, nichtsdestotrotz haben sie aber immer einen relativ ernsten Kern.

Das speist sich bestimmt auch aus deinem soziologischen Interesse. Gestern im Gespräch mit Tom Kummer hast du diesbezüglich ein bisschen tiefgestapelt: Du sagtest, du hättest Wissenschaft nie ganz verstanden, würdest aber diese pseudowissenschaftlichen Belege lieben, die du in deinem Buch verwertest.

Damit meinte ich natürlich Folgendes: Ich stamme ja aus Bielefeld. Bielefeld ist ein sehr bekannter Soziologie-Standort. Zeitweise habe ich auch da studiert, aber mein Hauptstudium hab ich in Hamburg absolviert. Bielefeld ist berühmt für eine ganz bestimmte Schule der Soziologie: die Systemtheorie. Und wer etwas mit Bielefeld und Soziologie assoziiert denkt an den Namen Luhmann. Ich hab ihn natürlich gelesen, aber das sind schon sehr komplexe Theoreme. Deswegen habe ich gesagt, dass ich nicht sicher bin, ob ich da solide Verständnisgrundlagen habe. Das möchte ich mir nicht anmassen, zumal es auch schon sehr lange her ist.

Hast Du Dir mal überlegt Theaterstücke zu schreiben? Der neue Roman wirkt ja durchaus wie ein postmodernes Fragmentstück.

Ja, das würd mich nicht stören, wenn das Buch als Theater inszeniert würde. Es war natürlich meine Intention, Dinge, Szenarien, Stile zusammenzumischen und konventionelle Romanstrukturen bzw. Macharten postmodern oder postpostmodern aufzubrechen. Das mache ich gerne! Mit Theatertstücken habe ich mich bisher noch nicht so sehr auseinandergesetzt, wär aber auch gut. Das Problem ist die Zeit. Ich kann mich nicht einfach irgendwohin setzen und etwas produzieren, bei dem die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Schubalde bleibt, extrem hoch ist. Da muss ich mir vorher sehr gut überlegen, ob ich dieses Risiko eingehen will. Wenn mir jemand sagen würde, er inszeniere an der Volksbühne und brauche ein Stück, würd ich mir das natürlich überlegen. Das Theater ist faszinierend, aber eine Welt, mit der ich nicht sonderlich vertraut bin.

Das ist interessant, denn es wirkt so, wie wenn du dich da zuhause fühlen würdest. Dieser innere Monolog des Junkies auf dem Weg zu Dr. Bunnemann beispielsweise ist grandios.

Jajajaja! Dieser Typ, Joachim Angélique Gerke… [kichert vor sich hin]

Ich sehe, du hast Spass.

Ja, der ist schon echt irre. Für mich ist diese Figur ein Sprachexperiment. Der Typ ist für meine Begriffe der sprachliche Extremstvertreter in dem Buch. Diese sehr kurzen Sätze, diese Assoziationen, diese Wortspiele, diese Kombinationen… der hat’s echt drauf. Ich habe nach Schlachthof und Ordnung noch einen Text geschrieben, in dem er alleine ist. Nur dieser Typ mit dieser Erzählweise, die noch wilder und extremer geworden ist. Dieses Buch wird wahrscheinlich niemals veröffentlicht werden.

Doch, unbedingt!

Nene, für sowas werde ich niemanden finden.

Deine Sprache ist überbordernd, sprudelnd, so breit, dass man sie nicht einordnen kann. Machst du das bewusst, oder passiert dir das?

Das ist bewusst. Diese Wortspiele fallen mir einfach ein. Wenn ich gut gelaunt bin und 2000 Kaffee getrunken habe, fällt mir sowas ein, aber das Spiel mit verschiedenen Sprachebenen, Stilen, Slangs, das ist schon ein zentrales Merkmal der Komposition – wenn ich das so sagen darf – von Schlachthof und Ordnung. Das ist bewusst. Es bereitet mir unheimliches Vergnügen, unterschiedliche Dinge in so einem gemischten Salat zusammenzumixen. Viel mehr, als wenn eine Linie so durchgehalten wird. Wobei ich es auch gut finde, wenn Leute das so machen, wie Tom Kummer zum Beispiel. In meinem neuen Text habe ich jetzt jedoch nur einen Sprachstil durchgehalten. Ich wechsle das immer. In Schlachthof und Ordnung kann auf jeder Seite etwas ganz anderes passieren. In meinem neuen Text ist es so, dass eine erwartbare Sache bis ins Manische übertrieben wird. [lacht] Ich mag es, den Leser ein bisschen zu nerven.

Flüsternde Stimmen

Ihr Roman Haus aus Stein erschien im türkischen Original im Jahr 2009. Aslı Erdoğan schreibt darin über Folter und Gefangenschaft und ringt mit menschlichen Abgründen. Das Haus aus Stein, sagt Erdoğan, ist ein Symbol – es könne alles sein, ein System, ein Gefängnis – ein Ort, aus dem man nicht ausbrechen kann, ein Trauma, das gefangen hält.

In gewisser Hinsicht ist Haus aus Stein ein prophetisches Buch: Sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung wurde die türkische Schriftstellerin inhaftiert. Sie war 136 Tage im Gefängnis – zunächst wusste sie gar nicht weshalb. Sie wurde in Isolationshaft festgehalten und erhielt zwei Tage lang kein Wasser. Nach europäischen Standards gilt das als Folter, erklärt Erdoğan. Dann kamen die Anschuldigungen: Nacg Artikel 305 im Türkischen Gesetz würde sie «gegen fundamentale nationale Interessen» handeln. Ein vager Artikel, durch dessen Berufung die Autorin jedoch beinahe zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt wurde. Als literarische Referentin einer kurdischen Zeitung rechnete Erdoğan zwar jederzeit mit einer Verhaftung – die Anklage beruhend auf Artikel 305 hätte sie jedoch nie erwartet. Sie sei die erste türkische Schriftstellerin, die danach verurteilt wurde. Weshalb gerade sie? Sie sei doch nur ein Flüstern.

Aslı Erdoğan lässt an diesem Abend einen ganz anderen Tonfall anklingen als Adi Blum aus dem Vorstand des Deutschschweizer PEN Zentrums, der durch den Abend führt. Blum kommt immer wieder auf hochpolitische Themen zurück, fragt nach konkreten Schritten, die Kulturschaffende und die PEN verfolgen können, um in der Türkei etwas zu bewirken. Kopfschüttelnd verneint die Autorin Blums Frage nach Handlungsfähigkeit. Ihre Worte zeugen von Hilflosigkeit, aber auch von Dringlichkeit:

They don’t learn. I’ve been trying to talk about conscience. I wanted to help to develop a bit of conscience – I am about to give up. Is it so difficult to tell those people that human life has some value? What can we do? What can we tell them?

Die Irrationalität des faschistischen Systems sei zu gross – und ziehe immer grössere Kreise. Zunächst falle ihm der unabhängige Journalismus zum Opfer, danach folgten Akademiker*innen und Schriftsteller*innen. Immer mehr Stimmen verstummen und die Behörden sorgen vor, indem sie Student*innen inhaftieren. Man fühlt den Schmerz der Autorin, wenn sie von den politischen Entwicklungen in der Türkei spricht.  

Und dennoch verstummt Erdoğan nicht. Sie sucht weiter nach einer Sprache für das Unaussprechliche. In der Form einer poetischen Prosa will sie keine Fakten aufzählen, sondern eine Poetik entwickeln, die es ihr ermöglicht, über das Grausame zu schreiben, diesen traumatischen Erfahrungen gerecht zu werden. Das Wichtigste aber, sagt Erdoğan abschliessend, ist denjenigen zu gedenken, die jetzt gerade inhaftiert sind. Sie nicht zu vergessen.

Judith Rehmann und Sarah Rageth

Zürich – Philadelphia

Ursula Rucker und Jurczok 1001 verstehen sich persönlich, sprachlich und rhythmisch, dieselbe Leidenschaft für die Dichtkunst und ihr «brand new baby» Spoken Word treibt sie um. Gleich zu Beginn des Gesprächs wird klar, bei den beiden stimmt die Chemie. Was Rucker als kosmische Anziehung bezeichnet, versucht Jurczok zu benennen. Ein Kampf, den sie gemeinsam austragen, ist der um die Anerkennung ihrer Kunstform.

Unter dem bezeichnenden Titel «Spoken Word Artist? No!! I am a poet» sprechen die Künstlerin und der Künstler über die Entwicklung des Spoken Word seit ihrem ersten Treffen im Zürcher Club Moods im Jahr 2007. Dabei legen sie die Ausschlussmechanismen und den Kulturelitismus des Literaturbetriebs offen: Ohne ein Buch herausgegeben zu haben, zähle die Arbeit nicht, eingeladen wird man erst recht nicht. Damals, vor Social Media, gab es noch kein Produkt, das man als Spoken Word Künstler*in vorlegen konnte. Fördermittel blieben aus, die für die Zuschauer*innen gerade attraktive Performativität der Kunstform wurde zum Hindernis. Doch die Situation habe sich gebessert, so Jurczok, nun wird auch ihnen an den Literaturfestivals eine Plattform gegeben. 

Die Bezeichnung als Spoken Word Artist findet Ursula Rucker aber einschränkend. Sie will sich keiner Genredefinition unterwerfen. Ihre grenzensprengende Praxis stellen Jurczok 1001 und Ursula Rucker auch im angepassten virtuellen Rahmen unter Beweis. In Form eines Poetry Exchange „Zürich – Philadelphia“ senden sie sich Haikus zu und haben das Ganze im Logbuch der Literaturtage festgehalten. Im Gespräch lesen sie diese nun vor, nehmen die Worte mit einer ansteckenden Begeisterung auseinander. Jurczok gibt den Zuschauer*innen zum Ende eine Kostprobe seiner von Rap und Beatboxing inspirierten Spoken Beats. Spontan greift sich Ursula Rucker in Philadelphia einen Egg Shaker und steigt mit ein. Bittersüss war das Treffen, wie Rucker sagt. Wunderbar war es, sich an den Literaturtagen über ihre Kunst zu unterhalten, sie könne es jedoch kaum erwarten, bald wieder miteinander zu performen.

Wie wird ein Buch?

Unter dieser Leitfrage finden Simone Lappert und Zsuzsanna Gahse an den 42. Solothurner Literaturtagen zusammen, sprechen über ihre Texte «Der Sprung» und «Schon bald» und darüber, wie sie als Autorinnen Dinge sammeln, selektionieren und ordnen.

Die Autorinnen schweifen nicht in metaphysische Spekulationen ab, obwohl der eher bemüht abstrakt klingende Veranstaltungstitel «Zur Zusammengehörigkeit der Dinge» anderes vermuten liesse. Stattdessen bleiben Lappert und Gahse angenehm konkret. Sie unterhalten sich, moderiert von Stefan Humbel, unter anderem über ihren persönlichen Schreibprozess. Obwohl das Webcamformat in diesem Gespräch ausbleibt, erhalten die Zuhörer*innen Einblick in die Arbeitszimmer der Autorinnen. Zsuzsanna Gahse erzählt von ihren grossen und kleinen Schreibtischen und ihrem Stehpult. Das Schreiben geschieht gerne mal im Bett und die Auslegeordnung findet auf dem Boden statt.

Darüber hinaus sprechen die Autorinnen vom Ordnen im Text. Besonders die Figuren bieten dabei Orientierungshilfe. In «Der Sprung» ist es eine Menschenmenge, die zum Handlungsträger wird. Lappert verfolgt die Vielzahl an Lebensgeschichten, erforscht die divergierenden Sichtweisen und konfrontiert sich mit düsteren Erfahrungswelten. Zsuzsanna Gahse überschreitet Grenzen im medialen Sinn. Sie verbindet Dichtung, Prosa und Essay, vergibt die Handlungsmacht an Dinge und Räume.

Die Frauen sprechen auch von dem, was sich der Ordnung entzieht. Für Lappert heisst das, der Figur nicht Worte in den Mund zu legen, sondern diese selbst zu Wort kommen lassen. Es geht darum, die Figur soweit kennenzulernen, dass ihre Worte die der Autorin werden und gleichzeitig die Distanz zu wahren, damit die Autorin die Figur nicht inkorporiert und ihren Ausdruck behauptet, anstatt erzählt. Die Figuren dürfen nicht zu Marionetten werden – auch nicht dann, wenn es darum geht, eine Erzählung zu strukturieren. Entweder die Dinge fügen sich, docken aneinander an oder sie tun es nicht. Und was nicht zusammengehört, bleibt übrig, wird in einer Schublade verstaut und kann, fügt Gahse an, Jahre später an einem anderen Ort wieder auftreten.

Dann ein plot twist: Für einmal lesen die Autorinnen nicht aus ihren eigenen Büchern, sondern haben sich eine Passage aus der Arbeit ihrer Gesprächspartnerin ausgesucht. Lappert erzählt, dass sie ohnehin stark mit den Ohren schreibt. Sie liest sich den Text selbst laut vor beim Schreiben. Der Klang der Worte sei für sie Inhaltsträger. Denn damit der Text einen Körper erhält, muss er in den Raum – ins Dreidimensionale – geholt werden, erklärt sie. Es gehe darum, den eigenen Text zu prüfen; sie muss ihn hören, um zu wissen, ob sie ihm glauben kann.

Zsuzsanna Gahse wiederum verweist auf das Dialogische des Schreibprozesses und die Wichtigkeit der Aussensicht. «Das Vortragen ist fundamentaler Bestandteil des Schreibens», hallt es aus unseren Computerlautsprechern. Einmal mehr wird die Bedeutung des Zwischenmenschlichen im scheinbar isolierten Prozess des Schreibens deutlich. Schreiben, ergänzt Simone Lappert, sei für sie sowieso immer eine Begegnung – und wenn sie merkt, dass sie die Reaktion ihrer Figur nicht bis zu jedem Mass beeinflussen kann, dann weiss sie, dass ihr Buch auf gutem Wege ist.

Judith Rehmann und Sarah Rageth

Viele Hände und viel Politik

Das Radio läuft noch bei einer Teilnehmerin der Zoomsitzung, aber Moderator Donat Blum begrüsst unbeirrt und herzlich das eintrudelnde Publikum. Ich bin beim Skriptor Lyrik, wo unveröffentlichte Gedichte von Ruth Loosli im Kreise anderer Autor*innen besprochen werden. Dazu gehören Nora Gomringer, Flurina Badel, Johanna Lier, Daniela Huwyler und Milena Keller.

Die Texte sieht man als Teilnehmer*in im Chat, so kann man auch mitlesen, wenn Ruth Loosli ihre Gedichte vorliest. Und vor allem kommen so die formalästhetischen Eigenheiten der Texte zum Vorschein, die bei Looslis Text zum Tragen kommen, so die typographischen Spielereien mit fetter Schrift oder verschobenen Zeilen.

Die Leseeindrücke der anderen Autorinnen steuern schnell in eine gemeinsame Richtung: Viele Hände und viel Politik. Und weglassen könnte man einiges. Nein, nicht weglassen, meint Flurina Badel, oder vielleicht doch, aber dann für ein neues Gedicht verwenden. Einig sind sich alle darüber, dass die Texte von einer Autorin zeugen, die aus einem grossen Fundus schöpft. Nora Gomringer lobt Ruth Loosli für ihre politische Haltung. Sie teile diese mit ästhetischen Mitteln unmissverständlich mit, und das sei sehr mutig. Dem pflichtet auch Flurina Badel bei. Die Gedichte gehen auf spezielle Art und Weise mit der Flüchtlingsthematik um: Immer wieder findet ein Perspektivenwechsel statt, manchmal ist das lyrische Ich sogar selbst im Boot.

Gedicht Nummer 5 hat es besonders vielen angetan. In diesem Gedicht geht es nicht um Flüchtlinge, sondern um eine Hand, die einen Tumor skizziert. Es heisst Notiz auf dem Tisch. Das sei doch eigentlich genau das, was auch die Lyrik mache, wirft jemand ein. Hier werde die magische Bannkraft des Notierens angesprochen. Das wollen wir doch alle: Das Bedrohliche in Schrift und Bild bannen.

Peut-on parler de créolisation de la littérature suisse?

Quand on lit un texte écrit dans une autre langue, on a tendance à ne pas se poser de questions sur le rôle que joue le traducteur dans l’élaboration de l’oeuvre. La dernière chose qu’on fait, en lisant un nouveau roman, c’est de regarder le nom du traducteur. Son travail est d’habitude perçu comme un métier artisanal et technique plus que créatif. Cependant, on est bien d’accord que c’est lui qui, sur un nouveau terrain linguistique, peut assurer le succès du livre ou le mener à l’échec. En passant du code d’une langue à celui de l’autre, le traducteur transporte vers une autre réalité culturelle, où il fait face au défi de rester fidèle au texte original tout en l’adaptant à la réalité étrangère.

Cette tension entre le texte original et la traduction change quand un auteur bilingue décide de rédiger lui-même une œuvre en deux langues ou de traduire son propre texte déjà écrit dans une autre langue. D’une part, il est libre de modifier son texte, de changer sa structure ou d’approfondir certains passages. Mais peut-on alors encore parler d’auto-traduction ou plutôt d’un nouveau texte dans une autre langue?

C’est là une des questions qui ont été abordées hier lors d’un entretien entre la traductrice Lydia Dimitrow et deux écrivains bilingues franco-italiens, Silvia Ricci Lempen et Pierre Lepori. Ils ont évoqué les principaux défis qu’ils affrontent lors de la rédaction de leurs textes, les façons de se traduire, ainsi que des situations où ils préfèrent faire appel à des traducteurs. 

L’auto-traduction est un phénomène complexe. Parfois, les deux versions apparaissent avec un écart de temps plus ou moins important; parfois, il s’agit de la traduction d’un texte publié il y a longtemps. De l’extérieur, on ne connaît pas toujours la raison pour laquelle un auteur a initialement préféré telle langue à telle autre.

Silvia Ricci Lempen insiste sur le fait que parfois, quand elle travaille sur un nouveau texte, elle peut alterner entre ses deux langues et rédiger un passage en français tandis que l’autre sera en italien. Cette approche lui permet de déboucher sur une rédaction finale de deux „textes originaux“ qui peuvent connaître des variations importantes au niveau de la structure et du contenu. L’autrice affirme que « l’univers linguistique », les particularités du milieu où se passe l’histoire, l’âge des personnages sont si différents selon le code culturel français ou italien que pour atteindre la réalisation de son idée, elle est parfois obligée de réinventer complètement des éléments de l’histoire. Ce ne sont pas seulement les différences linguistiques qui imposent ces changements, mais surtout les différences culturelles qui doivent être prises en considération. 

Sa position est entièrement partagée par Pierre Lepori qui a l’habitude de dresser l’histoire principale en une langue et de la traduire ensuite vers l’autre, avant de passer à une rédaction plus détaillée de chaque version séparément. À la fin, les lecteurs découvrent deux textes avec une base commune, mais qui sont différents dans leur développement : chacun d’eux est un original. Parfois, entre les publications, il y a un décalage temporel considérable et l’auteur n’a plus la même vision du sujet qu’autrefois ou pense avoir trouvé une meilleure façon de toucher ses lecteurs.

Les deux auteurs, qui se connaissent et s’apprécient, tombent d’accord qu’il n’est pas toujours possible de trouver, dans des cultures différentes, des équivalents linguistiques qui évoqueraient chez les lecteurs des sentiments identiques. Selon eux, la tâche la plus difficile est d’intégrer de façon compréhensible des éléments d’une culture dans un univers linguistique étranger. La solution de Silvia Ricci Lempen est radicale. Au lieu de garder un passage difficilement explicable ou d’essayer de rajouter un commentaire, elle propose de l’enlever entièrement  ou le déplacer  à un autre endroit où il pourrait être mieux intégré. En modifiant la structure de son texte elle amène son lecteur à découvrir de nouveaux chemins.

Silvia Ricci Lempen avoue également que parfois elle choisit d’écrire son nouveau livre non pas en italien, qui est sa langue maternelle, mais en français, qui est sa langue de scolarisation. Cela lui permet de prendre de la distance, de choisir une autre posture par rapport à un sujet sensible, et de rédiger ainsi une „œuvre littéraire“ au lieu d’un cri du cœur.

Une autre question abordée lors de l’entretien porte sur la possibilité pour la littérature suisse de subir une „créolisation“.  Comme la Suisse est un pays au moins quadrilingue, peut-on parler de métissage linguistique au sein d’un texte chez les écrivains plurilingues? Les positions de deux auteurs divergent et la réponse reste ouverte. L’explication selon eux peut se trouver dans la différence de la maîtrise linguistique. Pierre Lepori par exemple, après avoir vécu une grande partie de sa vie adulte en Suisse romande, a développé un sorte de phénomène à la Nabokov: dans son français, appris à l’âge adulte, comme il le dit, il n’a pas atteint la perfection qu’aurait un locuteur natif, tandis que son italien après de longues années de vie à l’étranger a commencé à perdre l’habileté d’autrefois.  Pour cette raison, Lepori exprime plus d’ouverture à toutes sortes d’expériences avec les langues. Silvia Ricci Lempen, quant à elle, a vécu une expérience linguistique et socio-culturelle très différente, ce qui montre peut-être sa réticence à ce sujet. Parfaitement bilingue, elle  revendique deux langues maternelles qui forment deux univers linguistiques distincts, dont elle a envie d’explorer et d’exploiter les spécificités à fond.

Scheinwelt oder Schweinwelt

Herzlich willkommen in der Akropolis. Anscheinend ist der Raum, in dem Roland Reichen, Dragica Rajčić Holzner und der Moderator Stefan Humbel sitzen, ganz nach griechischem Vorbild dekoriert. Wir Zuschauer*innen sehen das Ausmass der Dekoration nicht wirklich, bis auf die Weingläser mit den hellblauen Stielen und die weissen Blumen auf den Bartischchen. Zum Glück, meint Dragica Raičić.

Es geht also los, Fischernetze hin oder her. Die neuesten Texte der beiden Autor*innen sind beim Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienen, der sich auf Spoken Word spezialisiert. Rajčićs Buch «Glück» erzählt über Gewalt an Frauen und lässt die gebrochene Sprache so erscheinen wie sie ist. Roh, ungeschliffen und unsorgfältig. «Ich mache das Gegenteil von Sorgfalt», sagt sie. Alles komme aus einer Dringlichkeit, einem Anspruch, das Leben im Eiltempo zu bewältigen. Vom Ausdruck des Spoken Word grenzt sie sich ab. Es müsse schlussendlich eine künstlerische Qualität vorliegen bei einem Text, der veröffentlicht wird. Ob der eher mündlich oder schriftlich daherkomme, sei ihr einerlei.

Reichens Buch lässt ebenfalls durch seine Figuren Menschen zu Wort kommen, die in unserer Welt keine Stimme haben. Schonungslos erzählt der Autor in zwölf «Bitzen» aus dem Leben von Menschen, die, wie der Titel verrät, «auf der Strecke» geblieben sind. Für ihn macht die Unterscheidung zwischen Mündlichem und Schriftlichem Sinn. Denn beim Schreiben seien für ihn Stimmen sehr wichtig. Wenn er schreibt, hat er eine Stimme im Ohr. Er stellt sich vor, wie es klingen sollte. Und manchmal liest er sich die Texte selber laut vor.

Rajčić liest ihre Texte nie laut. Eine Stimme habe immer mehr Wahrheitsgehalt als ein geschriebener Text. Es entflammt eine Diskussion über die lange christliche Tradition, in der das gesprochene Wort mehr Wichtigkeit hat als das geschriebene. Wir – damit meint Rajčić uns – sollten besser Mittag essen gehen, anstatt ihren Ausführungen zuzuhören. Ich finde nicht, es wird interessant. Vor allem sie scheint eine unangepasste Person zu sein, deren Meinung ich hören will.

Stefan Humbel will auch noch nicht Mittag essen gehen und versucht immer wieder, das Gespräch auf das Thema der Kunstsprache zu lenken. Die Schrift, gerade bei Rajčić, halte oft mehr Möglichkeiten offen als das Gesprochene. Man könne etwas so oder auch anders aussprechen, und das könne dann den Sinn komplett verändern. Rajčić pflichtet ihm bei. Ja, zum Beispiel hätte es in einem Text mal «Scheinwelt» heissen müssen, es stand aber «Schweinwelt». Versprecher oder kleine Fehler schaffen oft ganz schöne Dinge.

Genau in dem Neuschaffen von Varianten liegen viele Möglichkeiten, meint auch Reichen. Texte wie die von Dragica Rajčić sieht er als poetische Bereicherung der deutschen Literatursprachen. Er meint auch, dass durch Kunstsprachen die Einzigartigkeit des individuellen Leidens besser ausgedrückt werden kann. Man habe so die Möglichkeit, das zu sagen, das einem eigentlich die Sprache verschlägt.

Humbel spricht vom ständigen Wechsel zwischen Registern, von der gebrochenen Sprache, die einen Raum mit eigenen Gesetzmässigkeiten schafft. Rajčić geht nicht darauf ein. Sie sagt dafür, was sie an Lesungen immer traurig macht. Es gehe immer um die literarische Verwertung von Schmerz. Ihre Erwartung sei aber ein Dialog über den Inhalt. Dann kommt das Zeichen der Regie und Humbel bricht das Gespräch freundlich ab.

Schade, dass das Gespräch hier aufgehört hat. Aber gut, dass der Fokus des Publikums auf die Dringlichkeit von gesellschaftlichen Themen gelenkt wurde und nicht etwa auf die Fischernetze.