Gained in Translation

Patricia Klobusiczky gewährt uns beim Werkstattgespräch «Gläserner Übersetzer» Einblick in ihre Tätigkeit als Übersetzerin. Sie übersetzt live eine Passage aus dem Buch Quand le diable sortit de la salle de bains (Als der Teufel aus dem Badezimmer kam) von Sophie Divry vom Französischen ins Deutsche. 

Nach einer etwas lang geratenen Anmoderation von Ruth Gantert, in der es vor allem um technische Zoom-Angelegenheiten geht, legt Patricia Klobusiczky los. Sie weist darauf hin, dass der Verleger Mühe hatte, die Auslandsrechte für dieses Buch zu verkaufen, da es von vielen Lektor*innen als unübersetzbar abgestempelt wurde. Dem widerspricht sie jedoch. Unübersetzbarkeit ist ein Mythos, meint sie. Die Frage sei nur, wie sehr man selbst beim Übersetzen zur Schriftstellerin werden muss oder darf.

Patricia Klobusiczky wirft zielstrebig Synonyme in die Runde, übersetzt Satz für Satz. Sie gibt zu, dass sie mit ihrer Übersetzung zufrieden ist, es aber immer noch Dinge gibt, die besser sein könnten. Die Schwierigkeit dieses Buches sieht sie darin, dass die Autorin mit den unterschiedlichsten Schreibstilen experimentiert. Im Absatz, dem sich unsere gläserne Übersetzerin im Rahmen dieses Gesprächs widmet, hat sich Divry gekonnt im mittelalterlichen Feudalstil ausgedrückt. Gespannt folgen wir Klobusiczkys Überlegungen, diese Sprache so ins Deutsche zu übertragen, dass sie die Stilmittel beibehalten und gleichzeitig unnötige Gallizismen vermeiden kann. Dem Gebrauch zu vieler Fremdwörter hat sie aus persönlicher Überzeugung weitestgehend abgeschworen. Scheinbar mühelos meistert sie diese Aufgabe, wobei sie nur an wenigen Stellen bei der Wortwahl stolpert. 

Hier kommen dann sogleich die Teilnehmer*innen des Gesprächs zum Zuge, immer wieder werden Vorschläge aus dem Publikum laut. Welche Klobusiczky dankend annimmt. Der Junker reitet hoch zu Pferde umher, schreibt sie. Eine Teilnehmerin schlägt vor, dass er doch auf hohem Ross umherreiten könnte. Sie denke dabei an den französischen Ausdruck « monter sur ses grands chevaux ». Klobusiczky lacht. Genau, jetzt wird’s lustig. So müsse man denken, gerade bei diesem parodistischen Text. 

Dann steht sie bei dem Satz an: « Les Jeveux et les Geaidequoi mangeaient des sangliers rôtis en parlant de leurs voyages en Italie au futur, de leurs possessions foncières au présent, de leurs glorieux mariages au passé composé. » Wie sollte sie «passé composé» übersetzen? Sie entscheidet sich für «Perfekt», ist aber nicht sicher. Eine weitere Teilnehmerin meint, dass sie das Perfekt eine geniale Lösung fände, da es auf das «perfekte» Leben des Adels anspiele und den ironischen Unterton treffe. Stimmt, findet Klobusiczky. Es sei eben nicht so, dass man beim Übersetzen zwingend etwas verliere. Im Gegenteil. Gained in Translation! Auch Übersetzungen können etwas Neues und Unerwartetes leisten.

Mara Baccaro und Selina Widmer

Gläserner Übersetzer 1: Ulrich Blumenbach übersetzt «Witz»

Der Übersetzer Ulrich Blumenbach hat sich zum Auftakt der Solothurner Literaturtage eine denkbar schwere Aufgabe aufgebürdet. Im Gespräch mit Martin Zingg widmet sich der seit 1993 als Übersetzer aus dem Englischen tätige Blumenbach seinem derzeitigen Projekt, der Übersetzung von Joshua Cohens Werk Witz. Dabei soll er «gläsern» werden, also den Zuschauenden Einblicke und Interventionen in seine Tätigkeit gestatten.

Cohens Witz ist gespickt mit «puns», Wortspielen und Kalauern also, die sich nur schwer übertragen lassen. Blumbenbach muss den Stil und Duktus von Cohen in- und auswendig kennen, um ihn ins Deutsche übertragen zu können. Assonanzen, Binnenreime, Homonyme, Wortwiederholungen, kulturelle Assoziationen – jede literarische Raffinesse will beachtet werden. Der zu übersetzende Epilog des Werkes verzichtet zudem gänzlich auf Interpunktion und erinnert so an den chaotischen Monolog der Molly Bloom in Joyces Ulysses.

An der Übersetzung dieser anspruchsvollen Zeilen mit ihrem von Cohen bewusst gesetzten Klang bleibt Ulrich Blumenbach öfter hängen. «Ich verliere hier ein offenkundig bewusstes Gestaltungsprinzip des Originals», klagt er. Denn die Kette von englischen Nomen, die jeweils mit «Re-» beginnen, lässt sich nicht unmittelbar ins Deutsche übertragen. Übersetzen – das wird den Zuschauenden schnell bewusst – ist eine ständige Suche nach kreativen Lösungen, ein konstantes Abwägen zwischen sprachlichen Kompromissen. So erlaubt die englische Sprache Cohen beispielsweise viel mehr Homonyme als das Deutsche. «Fast immer gehen mir die Homonyme verloren», klagt Blumenbach und ist froh, als er dann doch erfolgreich eines in die Übersetzung einbauen kann.

Die Zuschauenden in der Zoom-Konferenz bringen sich schnell ein mit Fragen und Bemerkungen zu den Übersetzungen. Fast wünscht man sich stellenweise, sie würden dem Übersetzer mehr freie Hand lassen, denn ebenso spannend ist es, ihm beim aktiven Grübeln an einer vorläufigen Lösung zuzuschauen. Doch Ulrich Blumenbach sagt: «Ach, ich liebe das Übersetzen in der Gruppe, der Text wird dadurch immer besser!» Seinen Enthusiasmus kauft man ihm ab. Es ist faszinierend, wie spielerisch er auf die Vorschläge des Publikums reagiert und wie viele von ihnen er verwerten kann.

Brüsk wird das Zoom-Treffen nach einer knappen Stunde vom Moderator Martin Zingg beendet und statt in Cohens Roman schaut man wieder auf den eigenen Desktop. Zwölf Zeilen hat Ulrich Blumbenbach mit Hilfe der Beteiligten bis dahin übersetzen können. Das abrupte Ende war vielleicht nötig: Beim Übersetzen – das hat dieser Einblick gezeigt – könnte locker noch eine weitere Stunde vergehen.

Dominik Fischer, Lorenz Ruesch