In der Hafenkneipe

Am Nachmittag füllt sich die Hafenkneipe an der Aare. Man hat viel gesehen, viel gehört. Zeit für einen Apéro. Um das Erlebte Revue passieren zu lassen und sich auf den Abend einzustimmen. Hier habe ich Andrea und Lea getroffen. Sie erzählen, warum sie hier sind, was dieser Tag in Solothurn mit sich gebracht hat, und was sie noch vorhaben am Abend.

Andrea: Meine Mitbewohnerin kommt aus Solothurn und ich studiere Germanistik. Ich habe zuhause von den Solothurner Literaturtagen erzählt und sie fand es auch eine gute Idee, hier hinzugehen. Ich bin heute Mittag angereist, um gleich das literarische Gespräch mit Christian Kiening und Alice Grünfelder zu besuchen. Es ging um das Dokumentarische im Literarischen. Die grosse Frage war: Wie weit kann man Dokumentarisches literarisch umsetzen? Und kann man das überhaupt? Ich fand es sehr spannend, weil ich an der Uni gerade ein Kolloquium zum Thema der Holocaust-Literatur habe, und da kommen all diese Fragen natürlich auch auf. Das Gespräch war im Landhaus. Danach sind wir ein bisschen herumgeschlendert, haben etwas getrunken und haben das beste Glacé von Solothurn gekostet. Dort hinten in der Gelateria. Ich glaube sie heisst einfach Gelateria. Das Wetter war wunderschön, wir haben uns an den Fluss gesetzt und noch lange über die Veranstaltung von vorher gesprochen. Danach sind wir an Hohlers Lesung gegangen, auf der Aussenbühne. Zwar nur eine Viertelstunde, aber sehr voll. Zuerst dachte ich, er würde aus seinem neuen Roman vorlesen, aber dann waren es ältere, kurze und lustige Texte, die er vorgetragen hat. Eine sehr schöne Anekdote, die er erzählt hat, auf die Frage, was die Solothurner Literaturtage ausmacht: Eine Dichterin sitzt im Wald, um sie herum sitzen Kinder auf Kissen. Sie fängt an zu erzählen, es war einmal ein Junge, der zu seiner Mutter rannte und sagte: „Mama, es gibt ein Feuer im Garten!“ In dem Moment, in dem die Dichterin das erzählte und die Geschichte ja noch gar nicht richtig begonnen hatte, sprang ein Junge auf, „Was? Ein Feuer im Garten?“, und lief weg. Für ihn hat die Geschichte schon in ganzem Umfang stattgefunden, er konnte sich alles schon vorstellen. Literatur ist also etwas sehr Individuelles. Und jetzt sind wir halt schon wieder beim Apéro. Am Abend möchten wir dann noch zum Spoken-Word. Was uns aufgefallen ist: Das Publikum hier ist grundsätzlich etwas älter…

Lea: Mir hat der heutige Tag sehr gut gefallen. Die Diskussion über das Dokumentarische im Literarischen war spannend. Es ist schön, sich wieder mal mit Gedanken zu befassen, mit denen sich Autoren beschäftigen. Die Aussenbühne vor dem Landhaus finde ich eine gute Idee. Es ist schön, dass es für alle offen und zugänglich ist. Ich bin auch gespannt, was es heute Abend noch so zu hören gibt!

Bern – Priština : überall

Quand je lis ce que j’ai écrit, mais dans une langue étrangère, c’est comme si j’habitais chez quelqu’un d’autre.
Arben Idrizi, traduit par Anne-Marie Bucquet
 
Depuis 2003, le groupe Bern ist überall mélange arts de la scène et littérature déclamée. La quinzaine de membres défend le plurilinguisme et refuse une hiérarchie des langues. Nous les avons rencontré-e-s pour discuter de leur projet Kosovë is everywhere et du fonctionnement original du collectif.
 
„Trop tôt le matin pour parler français“, nous disent Ariane von Graffenried et Guy Krneta.
Trop tôt pour parler allemand. Le compromis à la fribourgeoise – chacun s’exprime dans sa langue – permet eine schöne Mischung, et nous plonge directement, avant même la première gorgée de café partagée, au cœur de ce qui relie le collectif Bern ist überall : la rencontre des langues, l’oralité et les différences au sein d’un réseau d’artistes. La présence disparue, pas de livre pour la retracer. L’expérience ne peut continuer que dans les sillons d’un CD. Objet que nous tend Guy Krneta et que tous les deux accompagnent de leur enthousiasme. Il s’agit de leur dernier projet : la rencontre entre des auteur-e-s suisses et kosovares. Ce projet illustre parfaitement l’envie du collectif de développer des tactiques pour apprivoiser l’autre, investir un espace de compréhension entre les langues. Sur scène, lieu où prennent vie les créations du collectif, le décodage des mots n’a plus de nécessité; une compréhension passe par la voix, la présence des corps et les mots qui rythment la musique.
On s’adresse aux yeux et aux oreilles. Pour ce qui est des yeux seuls, aux alentours du collectif, chaque auteur-e a ses propres pratiques d’écriture, sa personnalité littéraire et ses projets – roman, théâtre, poésie, musique –, mais les limites ici encore ne sont pas hermétiques, au sein du collectif, l’aveux se fait sourire aux lèvres, « on a légalisé l’emprunt et la parodie ». Si les textes appartiennent à celui ou celle qui leur a donné naissance, ils grandissent au contact des autres membres, au-delà des limites et des frontières, les voix s’emmêlent, sonnent et résonnent überall.
 
Charlotte Hebeisen, Julien Philippoz, Emma Schneider​

Literarisches Flanieren: Kurzlesung von Arno Camenisch

Ein kurzer Schreckmoment erfasst das Publikum als Arno Camenisch schon nach der Hälfte der Zeit verschmitzt und in schönstem Bündnerdeutsch verkündet, wer wissen wolle, wie es nun mit den beiden „Philosophen im Schnee“, Georg und Paul, weitergeht, müsse sich eben sein Buch kaufen. Es sei ja schliesslich bald wieder Weihnachten. Und ich komme nicht umhin, ihm beipflichten: Es ist auch wirklich lesenswert, hörenswert aber noch vielmehr, was die beiden Liftwarte einander vom Pfarrerssohn, gesegneten Skiern und ausbleibendem Schnee zu erzählen haben. Gesegnete Skier? „Miar machend das so.“

Dann macht Camenisch zur Freude der Zuschauer_innen das, was er am besten kann und trägt einen seiner Spoken-Word-Texte auf Deutsch und Rumantsch vor, in dem er Ilanz – oder Glion – kurzerhand zum Zentrum der Welt macht. Auf der Bühne kommt der dichte Sog der rhythmischen Sprache zu seiner vollen Entfaltung. Das erklärt vielleicht auch, warum die Meinungen über sein Buch unter uns Studierenden weit auseinandergingen. Mit seiner Stimme im Ohr liest sich Der letzte Schnee ganz anders.

Auf einen Kaffee mit Adam Schwarz

Bei seiner Kurzlesung am Freitag war Adam Schwarz noch etwas beeinflusst vom Rotwein, der beim Eröffnungsapéro ausgeschenkt wurde. Heute ist es vor allem der Mangel an Koffein, der ihm noch etwas zu schaffen macht. Trotzdem entspinnt sich ein interessantes Gespräch rund um seinen Roman Das Fleisch der Welt, seinen Eindruck von den Solothurner Literaturtagen und warum er lieber ein Geschichtenerzähler am Lagerfeuer wäre.

Adam Schwarz, erstmal vielen Dank, dass Du dem Buchjahr erneut Red und Antwort stehst. Was war denn dein Highlight an den Solothurner Literaturtagen bis jetzt?

Ich hatte ehrlich gesagt noch fast keine Zeit für den Besuch von Lesungen. Ich hab unterschätzt, wie viel Zeit meine Auftritte und spontane Gespräche fressen. Zwei Lesungen hab ich aber besucht. Einmal die von John Banville, dem irischen Autor, den ich nicht gekannt habe, aber toll fand. Und zweitens die Lesung von Gion Mathias Cavelty, bei der ich bereits wusste, was mich erwartet und gut unterhalten wurde. Die paar Sachen, die ich mir vorgenommen habe, hab ich nicht geschafft. Ich hab selber noch ein paar Auftritte und gleich treffe ich mich mit der Moderatorin der Lesung von morgen.

Wie bereitest Du dich denn auf Lesungen vor?

Mit der Moderatorin von morgen hatte ich im Voraus E-Mail-Kontakt. Sie war auch schon an einer meiner Lesungen und wir werden sicher kurz besprechen, welche Aspekte sie gerne aufgreifen möchte. Das ist schon angenehmer so, dann wird man nicht ins kalte Wasser geworfen. Das war auch bei meiner bisher krassesten, weil grössten Lesung in der Schweizer Botschaft in Berlin so. Da hat mir der Moderator im Voraus seine Fragen unterbreitet. Ich bewundere die Autoren, die das alles schon länger machen und auf der Bühne total souverän wirken. Bei der Kurzlesung gestern fand ich es allerdings ganz angenehm, da begegnet man den Leuten fast auf Augenhöhe.

Ist das nicht schwieriger?

Ich weiss nicht warum, aber ich mag das sehr. Formate wie Sofalesungen zum Beispiel. Da hat man das Gefühl man sei ein Geschichtenerzähler am Lagerfeuer. Ich bin schliesslich kein Grossautor, sondern einfach einer, der ein Buch geschrieben hat.

Dann macht dich der ganze Trubel in Solothurn noch etwas nervös? Du bist also noch kein alter Hase?

Nein, ich glaub das dauert noch eine Weile. Ich finde es aber wichtig, mit den Leuten, die meine Bücher lesen, in Kontakt zu treten. Man schreibt schliesslich nicht nur in seinem stillen Kämmerlein. Das hat auch seine schönen Seiten. Wenn Leute mir berichten, was sie beim Lesen gedacht, gespürt, gefühlt haben, wenn mein Text anders zu meinen Lesern spricht als zu mir – das ist toll und spannend. Ich entdecke dann selber Dinge, die ich im Roman bisher nicht gesehen habe. Ich hoffe auch, dass noch mehr Gespräche und Reaktionen zu meinem Roman kommen, der mir selber fast schon etwas fremd geworden ist. Schliesslich ist es doch einige Zeit her, seit er erschienen ist und dazwischen ist viel passiert. Ich bin gespannt, wie ich in fünf, in zehn Jahren über meinen Roman urteilen werde. Ich fürchte, dass ich mir denken werde „Was hast du denn da für einen Mist geschrieben?“ Aber das muss wohl so sein.

Du hast erwähnt, dass Du an etwas Neuem arbeitest. Wie schwierig oder einfach ist das?

Es ist auf jeden Fall total anders jetzt. Es ist viel schwieriger, die imaginierte Öffentlichkeit auszuklammern. Ich will nicht schon beim ersten Entwurf denken „Ah ja, das schreib ich, das verkauft sich“ – eigentlich sollte man das nie denken. Für mich ist es wichtig, mich fürs Schreiben zurückzuziehen, mich vom Alltag abzugrenzen, vor allem da ich in Leipzig Philosophie studiere und nicht jederzeit schreiben kann. Das ist aber auch gut so. Ich mag es, Texte liegen zu lassen, damit sie gären. Meist konzentriert sich mein Schreiben deshalb auf die Semesterferien. Zum Beispiel war ich im März in Split, einem Ort an dem ich niemanden kenne und für mich bin – das hilft eine Routine zu entwickeln. So komme ich dem Gefühl am nächsten, das ich schon als kleines Kind hatte, wenn ich Legoklötze aufeinander stapelte und dazu Geschichten erfand.

Als Du die Idee für deine Geschichte hattest, schwebte dir da schon zu Beginn ein Roman vor?

Ja, aber ich habs für mich im Geheimen gemacht. Zwei oder drei Jahre hab ich niemandem davon erzählt. Erst in der Schreibwerkstatt des Aargauer Literaturhauses hab ich mal einen Ausschnitt zur Diskussion gestellt und gemerkt, dass das ankommt und Potential hat.

Die Idee für Das Fleisch der Welt kam dir auf einer Spanien-Rundreise und einer Flüeli-Ranft-Wanderung. Danach hast Du dich intensiv mit Niklaus von Flüe beschäftigt. Bist Du von Natur aus neugierig und gehört das zum Autorensein dazu?

Es gibt bestimmt verschiedene Arten von Neugier. Bei mir ist es eher eine „nerdige“.  Ich interessiere mich für Vieles ein bisschen und sammle aus allen möglichen Gebieten. Ich kombiniere gerne abseitige Dinge und erfreue mich an sinnlosem Wissen und Anekdoten, die ich in meine Texte einbringen kann. Das hab ich in diesem Roman gemacht und werde es im nächsten Buch bestimmt genauso tun. Zum Beispiel der Ulrich, der meist nur Flüe-Experten bekannt ist. Der ist einfach so absurd, wie er Niklaus von Flüe nachzuahmen versucht und kläglich scheitert.

Apropos Ulrich: Philipp Theisohn meinte im letzten Interview, die Figur des Ulrich mache ihn aggressiv. Ich fand ihn hingegen eher witzig. War dieser Humor beabsichtigt?

Ich fand ihn auch eher witzig. Vor allem machte es grosse Freude, über ihn zu schreiben. Dieser nervige Mitläufer, der sich trotz allem sehr wichtig nimmt. Ich kann aber auch verstehen, wenn man wütend wird. Im echten Leben würde mich ein solcher Typ auch wütend machen.

Das Bild der damaligen Zeit ist ansonsten sehr düster. Ist das dein Eindruck vom Mittelalter?

Hm, schwierig. Es gibt natürlich dieses Mittelalterklischee, dass es finster war,  düster und schlecht. Das wird dieser Zeit aber nicht gerecht. Letzten Endes war es einfach erforderlich für die Geschichte. Es hat sich so ergeben, weil ich diesem Ideal von Flüe, der versucht in eine geistige Sphäre zu gelangen, etwas Erdiges entgegenstellen wollte.

Dein Roman ist kein historisch akkurater. Schlägt dein neues Projekt eine ähnliche Richtung ein?

Wenn man nur Das Fleisch der Welt gelesen hat, denkt man vielleicht, das ist mein Hauptinteressensgebiet. Ganz im Gegenteil! Meine bisherigen Texte haben alle in der Gegenwart gespielt oder sogar eher in der Zukunft. Mich hat bei Das Fleisch der Welt nicht interessiert, wie es wirklich damals war. Ich wollte vielmehr das Potenzial dieser Situation herauskitzeln und schauen, was passiert. Es war eine Art Gedankenexperiment, das es meines Wissens bisher nicht gab. Mein neues Buch spielt wieder in der Gegenwart. Was bleiben wird, ist sicher das Absurde und das Zusammenbringen verschiedener Dinge.

Adam Schwarz, danke für das Gespräch!

Wie es denn wäre

Es ist sehr heiss im übervollen Theatersaal und Thilo Krause erzählt vom Sommer. Er berichtet von überreifen Brombeeren – schwarz und schimmlig, von Kindern, die im Freien spielen – durstig und trunken zugleich. Und er nimmt uns mit nach Sardinien, wo er jedes Jahr für einige Monate mit seiner Familie wohne und in ein anderes Leben hineinschnuppere: Wie es denn wäre. Das sardische Meer sei ein geträumtes, heisst es in einem Gedicht, mehr abwesend als anwesend. Es zeige sich in den Anzeichen von Sturm, erscheine in den Spiegeln des Ferienhauses. Von der Fülle, die auf ein bevorstehendes Gewitter verweisen kann, berichten andere Gedichte. Da ist zum Beispiel das Glas, voll mit Milch. Und die Kinder, die eine Sprache sprechen, die sie später nicht mehr verstehen werden, stehen in der Fülle, am Anfang des Lebens.

Thilo Krause verweist auf den Lyriker William Carlos Williams, der in seinen Gedichten von den Dingen spreche und den Alltag auffange. Auch er brauche die Dinge, um eine Welt zu evozieren. Die Dinge, die viel beständiger seien als wir, nehmen uns bei sich auf. Wie der alte Plüschhund, den Krause als kleines Kind geschenkt erhalten hat und jetzt genauso konform im Bett seines Kindes liege, wie früher in seinem. Als wären die Zeit und das Alter an ihm vorbeigegangen.

Auf den Plätzen in Sardinien fand sich Thilo Krause zwischen merkwürdigen Menschen, die in ihrer Weise alle schliefen. Auch hier wird die Hitze drückend und macht träge, doch lauscht das Publikum mit grosser Aufmerksamkeit Krauses Worten: Man hätte eine Stecknadel fallen hören, meinte der Moderator am Schluss.

Voyage à travers l’Aar

Me revoici au bord de l’Aar, cette fois-ci avec Marion Graf. De langue maternelle française, elle passe son bac à la Chaux-de-Fonds et étudie les langues anciennes. Durant son gymnase elle se passionne pour les langues et commence à étudier l’italien et l’anglais.  Elle s’intéresse ensuite au russe et son mystérieux alphabet. Le monde soviétique était encore fermé à cette époque (sous Brejnev) et donc intriguant. Les langues la font voyager et s’ouvrir au monde. Elle étudie à l’université de Bâle et tombe amoureuse de la ville. C’est là qu’elle apprend le russe et l’espagnol. Elle étudie également Voronej.

Nous discutons de ce qu’est une bonne traduction. Elle doit conserver l’émotion du texte original. Par exemple, si l’humour fonctionne en traduction, c’est le signe qu’elle est réussie. D’ailleurs, Marion Graf s’intéresse tout particulièrement à l’humour et à l’ironie.

Nous évoquons les difficultés qu’elle rencontre. Le vocabulaire peut effectivement être complexe à retranscrire. Il y a aussi certaines notions, spécifiques à une langue, qu’il est difficile de traduire en français sans heurter le lecteur. Quand elle traduit du russe, elle fait face à un problème ethnographique. Comment expliquer – en français – un terme russe sans pour autant alourdir le texte d’un éclaircissement encyclopédique ?

Les répétitions posent problème lorsque l’on traduit de l’allemand, qui les aime alors que le français les évite. Il faut donc comprendre le but des répétitions et aussi l’effet qu’elles ont lors de la lecture avant de les traduire. Il n’est pas nécessaire de les retranscrire si cela heurte trop le français. Parfois il faut oser certaines choses et parfois se retenir, c’est là que réside le défi du traducteur.

Marion Graf varie sa façon de traduire selon le genre. Si c’est de la poésie, elle aime la lire dans tous les sens avant de s’attaquer à la traduction. Si c’est de la prose, elle aime avancer au même rythme que le lecteur en faisant une traduction au kilomètre pour y revenir par après. Elle aime procéder ainsi car cette méthode rend la traduction vivante. Elle préfère rester en surface pour ne pas se laisser d’emblée emporter par l’intrigue.

Marion Graf ne se laisse relire par l’éditeur qu’une fois le travail terminé car lors de la traduction, tout est éparpillé, en brouillon, et change à chaque nouvelle page traduite. La traduction n’est jamais vraiment achevée, elle évolue constamment.

Pour traduire un auteur, il faut avoir de l’estime pour celui-ci. Si on ne l’aime pas, c’est très désagréable, comme de passer des vacances avec des personnes que l’on déteste. Marion Graf ne veut pas forcément rencontrer les auteurs qu’elle traduit car la littérature et le texte doivent se suffire à eux-mêmes, sans quoi il y a un problème dans l’écriture.

Les traducteurs de sa génération sont contactés par les éditeurs qui leur commandent des traductions. C’est également de cette façon qu’elle fonctionne. Cependant elle m’informe que le vent change de direction et que, de nos jours, ce sont plutôt les traducteurs qui contactent les éditeurs avec leur projet de traduction.

Marion Graf trouve qu’être traductrice est un très beau métier, enrichissant pour le développement personnel. Les choses ne se répètent jamais. Des rencontres ont lieu avec les textes et parfois avec les auteurs eux-mêmes. Le traducteur est confronté aux frontières de sa langue et doit donc repousser les limites linguistiques.

L’aspect politique de la traduction n’est pas à négliger. Qu’implique le passage d’un texte par-dessus les frontières culturelles ? La traduction peut être au cœur de affaires politiques et sociales. Elle touche donc bien plus qu’au seul domaine de la littérature.

Tobie Quartenoud

Z-W-E-T-S-C-H-G-E-N-K-N-Ö-D-E-L-T-A-G

Für ihren Roman Tauben fliegen auf erhielt sie 2010 sowohl den Deutschen als auch den Schweizer Buchpreis. Vor einigen Tagen gewann sie nun für ihren dritten Roman Schildkrötensoldat den ZKB-Schillerpreis. Doch Melinda Nadj Abonji ist nicht nur erfolgreiche Buchautorin, sondern auch Performancekünstlerin. Zunächst scheinen die einleitenden Klänge ihres langjährigen Bühnenpartners Jurczok 1001 ungewohnt, fast unpassend. Doch sobald Melinda Nadj Abonji zu lesen beginnt, ist man mittendrin. Die beiden Stimmen überlagern sich und schaffen einen fliessenden Übergang von der Klangkunst zur rhythmisch-lyrischen Sprache, derer sich Nadj Abonji bedient. Ihre Lesung beginnt gleich am Anfang von Schildkrötensoldat, bei Zoltán Kertész, einem jungen Mann aus einem Dorf im heutigen Serbien. Es ist die Region, aus der die Autorin selbst stammt.  Der Roman wird nicht nur mehrstimmig vorgetragen, er ist es auch selbst. Die Perspektiven von Zoltán und seiner Cousine Anna, die in der Schweiz lebt, wechseln sich ab. Erzählt Ersterer auf eine sinnlich-poetische Weise, wirkt Letztere eher analytisch.

Zoltán erzählt vom Zwetschgenknödeltag, dem Tag, an dem er in voller Fahrt vom Motorrad seines Vaters fiel. Der Tag, an dem er zum ersten Mal das sogenannte „Schläfenflattern“ hatte. „Der Anfang vom Ende“, so sein Vater, der ihn seine Enttäuschung  deutlich spüren lässt.
Dann steht Anna in Jugoslawien an Zoltáns Grab. Sie möchte nicht bemitleiden, sie möchte verstehen. Und sie möchte wissen, wann sein Sterben begonnen habe.
War es, als Zoltáns Eltern ihn während des Jugoslawienkriegs zur Armee schickten, um „zu einem richtigen Mann“ zu werden? War es in der Kasernenküche, wo Zoltán dem Spott der Kameraden ausgeliefert ist? War es die Vorstellung des Kriegs selbst? Oder die ihn umgebende „Militarisierung der Köpfe“, auf die Melinda Nadj Abonji vergangenen Freitag am Podium Balkan-Kriege – wie geht die Literatur damit um? bereits angesprochen hatte?
„Das Schlachten und Zerstören und Töten wird uns in die Wiege gelegt, in unser Hirn gesät, bevor wir überhaupt denken können.“, so Jenő, Zoltáns einziger Freund.

Jurczoks Klänge vermischen sich mit Melinda Nadj Abonjis Stimme, die beiden Medien überlagern sich, was eine gewisse Sogwirkung erzeugt, eine Atmosphäre, die nicht erlaubt, wegzuhören. Die Mehrstimmigkeit steht in eindrücklichem Kontrast zum Verstummen des Protagonisten in der Handlung und unterstützt zugleich die lyrische Ausdrucksweise seiner Gedanken.

Was man hier gesehen hat, war nicht nur eine Lesung, sondern eine Performance zweier Künstler, welche dem Roman nicht nur gerecht wird, sondern ihn um entscheidende Facetten bereichert. Zoltáns Konservierung der Sprache in lyrisch-rhythmischen Ausdrücken wird auf eine neue Ebene geführt. Wo die Ausdrücke begrenzt sind, beginnt die Musik. Und wo die Sprache verstummt, bleibt der Klang zurück.

«Kontaktreliquien». Christian Kiening liest aus seiner Geschichte «Letzte Züge».

Wer ihn kurz zuvor im angenehm reflektierten Literaturgespräch mit Alice Grünfelder erlebt hat, wundert sich vielleicht zunächst ein wenig: Christian Kiening liest mit überraschender Dringlichkeit, gelegentlich fast atemlos. Damit erreicht er ein Tempo, mit dem er den einen oder andern vom tagelangen Zuhören hier in Solothurn ein wenig müden Schädel gelegentlich abhängt. Das ist schade, denn es lohnt sich, Kienings genau gearbeiteter und perspektivenreich zwischen Zeit- und Erinnerungsebenen sich bewegenden Prosa grösstmögliche Aufmerksamkeit zu schenken. Aber der Vortrag erschliesst seinen Text auch neu: Als so rhythmischen hatte ich ihn zunächst nicht gelesen.

Christian Kienings Buch handelt von Krieg, Tod und Flucht, von Alltäglichkeit und von Büchern, aber auch vom Erinnern, und vom Erinnern auch ans Erinnern. Zu diesem Zweck recherchiert er und arbeitet mit authentischen Dokumenten, verdichtet, überlagert, kontrastiert. Von seinen Dokumenten spricht als Kontaktreliquien; es geht ein paar Minuten, bis man verdaut hat, wie präzise dieses Bild trifft.

Er fühle sich nicht berufen zum Richter über die Vergangenheit. Seinem Sprechen und seinem Schreiben merkt man eine kluge Vorsicht an, ein reflektiertes Bestreben, die Vielschichtigkeit von Geschichte und Erinnerung nicht durch groben oder übereilten Zugriff zu reduzieren. An die Geschichte als Lehrmeisterin will Kiening nicht ohne Weiteres glauben, aber «ob es uns hilft oder nicht, es macht uns sicherlich zu reichhaltigeren Menschen.»

L’idée du bureau vide

Janvier. Un mois, froid, enneigé. Mais c’est à la fois le titre du nouveau roman de Julien Bouissoux et le nom du caractère principal.

Bouissoux débute avec une discussion, avant de nous lire un extrait de son ouvrage. Tout au début, la modératrice, Nathalie Garbely, nous raconte qu’elle a trouvé le roman extraordinaire et que, dès les premières lignes, elle était prête à se laisser emmener n’importe où.

Le public lui aussi est-il prêt à ça? Il semble que oui, d’après les visages intrigués, les sourires bienveillants. On verra bien. Il faut d’abord qu’il nous raconte de quoi il s’agit.

Le roman parle d’un homme, Janvier, qui a été oublié dans son bureau. Comme il reçoit toujours de l’argent, il se rend encore tous les jours sur son lieu de travail. Il vient pour arroser ses plantes, pour lire quelques journaux. C’est donc un roman qui a comme thème l’absurdité du héros. Même si c’est là un thème bien connu, Bouissoux trouve les moyens de le retravailler et de lui donner un nouveau visage. L’inutilité, l’oubli – Janvier les incarne parfaitement. Mais il prend de plus en plus de libertés dans son quotidien. Il fait ce qu’il aime: rien de spécial en vérité.

Avec une voix chaleureuse, très agréable à écouter, Bouissoux nous lit un extrait de son roman. Très fluide, un peu timide. Il demande au public si on l’entend, malgré sa „voix qui porte pas tellement“. Oui, tout le monde l’entend. Mieux qu’il le pense. On l’entend, on l’écoute avec un grand plaisir.

Lorsque on lui demande comment le processus d’écriture se passe chez lui, il répond que le début est souvent violent. Mais après un moment, une routine et des moments sympas s’installent. „Dans une bonne journée, j’écris quatre pages. Pas plus. C’est du jus de cerveau, après il y en a plus.“ En plus, Bouissoux s’est détaché de l’obligation de toujours écrire dans son bureau : il aime même l’idée que celui-ci reste vide. Tout en contraste avec Janvier.

Quand l’entretien touche à sa fin, une dame demande s’il ne pourrait pas encore nous lire un extrait, parce qu’elle trouve que le texte est vraiment beau. On est d’accord.

Die Verflechtung der Welt

Das Bewusstsein des Menschen als Spiegel der Natur: eine traditionsreiche Metapher in der Philosophie, die über vier Jahrhunderte Erkenntnistheorie bewirtschaftet und Ende der Achtzigerjahre von Richard Rorty minutiös zerpflückt wurde. Bis heute haben unzählige turns – sprachliche, historische, kulturelle – eine Wand nach der anderen zwischen uns und der Welt aufgezogen. Zumindest eine Einsicht teilen sie: Repräsentation ist keine einfache Sache. Natürlich weiss das nicht nur die Philosophie, sondern auch die Literaturwissenschaft – und nicht zuletzt die Autorinnen und Autoren selbst. Barbara Schibli ist eine von ihnen. Im prächtigen Theatersaal des Stadttheaters Solothurn, dessen mit rotem Samt bezogene Sitze vollzählig belegt waren, las Schibli aus ihrem viel beachteten Debütroman „Flechten“, moderiert von Valeria Heintges.

In „Flechten“ kehrt Barbara Schibli das erkenntnistheoretische Paradigma des 17. Jahrhunderts um. Nicht der Mensch fungiert als Spiegel der Natur, vielmehr wird die Natur zum Spiegel des Menschen:

„Man meint, ein Stück unbekannte Natur zu beobachten, dabei ist es ein Teil von einem selbst.“

Die Hauptfigur Anna ist Flechtenforscherin und absolut besessen vom akribischen Zerlegen, Sammeln, Ordnen und Beschriften der Welt. Durch Annas Augen sehen wir nicht nur die im Roman erzählte Welt, sondern nehmen auch die Perspektive einer Botanikerin auf die Natur ein. Leta wiederum, Annas Zwillingsschwester, kann nicht aufhören, die Welt durch ihre Kameralinse einzufangen und auf Fotopapier zu bannen. Motiv ist ausschliesslich ihre Schwester, eine idée fixe. In präziser poetischer Sprache, die den fein säuberlich zerlegenden Gestus der Erzählfigur nachzeichnet, spinnt „Flechten“ die Geschichte einer zerstörerischen Symbiose zweier Frauen, die in einer festen Umarmung um ihre Unabhängigkeit kämpfen. Beide versuchen sie, im zielgerichteten, analytischen Blick auf die Welt ihrer hilflosen und unbeholfenen Verstrickungen Herrin zu werden – und scheitern.

Über zehn Jahre habe sie an dem Text geschrieben, sagt Barbara Schibli. Schreiben, das sei für sie ein spielerischer, wenn auch keineswegs ein harmloser Prozess. Es sei ein dauerndes Tasten und Suchen, auch nach sich selbst. So beschreibt der Text in Kreisbewegungen die Suche nach Identität, die sich im Oszillieren zwischen Annähern und Abgrenzen formt und deren Gestalt dadurch in stetiger Veränderung begriffen ist. Die Beziehung des Zwillingpaares Anna/Leta zeigt in drastischer Weise, wie fragil Identitäten beschaffen sind. Anna versucht sich vehement gegen Letas Übergriffigkeit zu wehren, scheitert jedoch auch an ihrem eigenen Begehren, gesehen und anerkannt zu werden. Leta hingegen schafft es nicht, sich von ihrer Fixierung auf ihre Schwester zu lösen, wodurch es ihr verunmöglicht wird, sich persönlich wie auch beruflich weiterzuentwickeln.

Geschickt flicht Schibli in die Erzählung dieser vielmehr parasitären Zwillingsbeziehung Reflexionen über aktuelle ökologische, politische und soziale Problemstellungen, die sich aus der ausbeuterischen Gestaltung der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt ergeben: Luftverschmutzung, Bienensterben, Digitalisierungsprozesse, das narzisstische Kreisen um das Selbst der Selfiekultur, kunstvolle Spiegelungen des Identitätstopos, die im Motiv der Zwillinge und der Flechten zusammengeführt werden. Ausserdem lässt Schibli sichtbar die Techniken eines weiteren Mediums einfliessen: Sie sei eine grosse Filmliebhaberin. Dies zeigt sich an den vielen Überblendungen, Raffungen und Dehnungen der Zeit, die sie gekonnt in die Komposition eingearbeitet hat. Spannung wird gerade nicht mittels der Handlung, sondern durch ebendiese komplexe und kunstreiche Erzähltechnik erreicht.

Gespannt darf auch das Publikum sein, nämlich auf Barbara Schiblis nächsten Roman. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie dieses Mal nicht mehr ganz so lange zum Schreiben braucht – ich kann es nämlich kaum erwarten, weitere Bücher von dieser bestechend klugen und sympathischen Schriftstellerin in die Finger zu bekommen.