Wolkenbruch und der verhängnisvolle Schicksappeal

Nach sechs Jahren als Dauergast jeder Schweizer Buchhandlung hat es Thomas Meyers «Wolkenbruch» endlich auf die Leinwand geschafft. Überaus überzeugend verkörpert von Joel Basman, der für diese Rolle Jiddisch gelernt hat und sich in den jüdisch-orthodoxen Traditionen unterweisen liess.

Am Mittwoch gab es im Rahmen von «Zürich liest» nun die Vorpremiere zu sehen – inklusive Nachgespräch mit Hauptdarsteller, Regisseur, Autor und Produzentin. Wir waren auch dabei – und es hat sich definitiv gelohnt. Thomas Meyer hat für das Drehbuch direkt selbst zur Feder gegriffen und die Geschichte des unbeholfenen Motti Wolkenbruch liebevoll für die Leinwand adaptiert. Es sei aber – so Meyer vor dem Start der Vorführung – nicht einfach eine komprimierte Version des Romans, sondern ein komplett neues Werk, dass auf seinem Erstling beruht. Einige Dialoge wird der Leser dennoch wieder erkennen, einzelne Figuren dagegen wurden ganz weggelassen. Regie geführt hat Michael Steiner, der sich nun nach sechsjähriger Pause erstmals wieder an das Projekt eines Kinofilms gewagt hat.

Neben dem bereits erwähnten Basman macht auch Inge Maux als überbehütende, dominante Mutter mit einem Hang zum Dramatischen eine gute Figur. Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen der Mame und ihrem Sohn, der sich partout nicht in die Frauen verlieben will, die sie ihm ausgesucht hat, sorgen immer wieder für Lacher im Kinosaal. Denn obwohl die Geschichte durchaus eine tragische Seite besitzt, ist sie vor allem erst einmal unterhaltsam. Teilweise fehlt es etwas an Tiefe – aber da tritt das Drehbuch pflichtbewusst in die Fussstapfen des Romans. Auch darf bezweifelt werden, dass der verfilmte «Wolkenbruch» – wie der Regisseur hofft – für «mehr Toleranz» sorgen kann.

Nach der Vorführung des Films konnte man sicherlich guter Laune sein, anders verhielt es sich mit der Lesung des Autors – da waren wir im Anschluss nämlich auch. Aber darüber wird Wanda Seiler mehr berichten.

 

 

Wenn sich Sprache und Musik vereinen

Bessa Myftiu und Elina Duni sind ursprünglich aus Albanien. Bessa Myftiu ist Schriftstellerin und schreibt Dichtung und Romane. Ihre Tochter, die Jazz-Sängerin Elina Duni, singt aus ihrem letzten Album Partir, das traditionelle  Balkan-Lieder, aber auch eine eigene Komposition beinhaltet.

Die Mutter liest Texte, die Tochter singt, spielt Gitarre oder Schlagzeug. Die Kombination der beiden Künstler ist schlichtweg grossartig, das Ganze ist mehr als die Summe seiner beiden Teile. Auf der Bühne verschmelzen beide Künstlerinnen zur Einheit. Sie treten abwechselnd auf, jedoch scheint immer ein Kontakt zwischen den beiden zu bestehen. Die ausgeführten Kunstformen antworten aufeinander. Die Musik illustriert Myftius` Worte, sie bringt deren Emotionen und eine Ahnung von der albanischen Kultur ans Licht. Das Gesprochene und das Gesungene haben keine fixierte Grenze. Mal singt Elina Duni flüsternd, mal heftiger, als Echo der mütterlichen Stimme. Auch Bessa Myftiu erklärt, wie wichtig die Musikalität der albanischen Sprache für sie ist. Auf Albanisch oder Französisch liest sie Gedichte und Abschnitte des Romanes Confessions des lieux disparus. Sie erzählt mit Witz und Schalk von Schönheit, Liebe und dem Schreiben.

Das Publikum ist aufmerksam, man hört zu und lächelt. Weil es gleichzeitig berührend, melancholisch, witzig und schlau ist.

 

 

Auf Augenhöhe mit der Autorenfotografin Ayse Yavas

Seit 20 Jahren fotografiert Ayse Yavas Autorinnen und Autoren. Von A wie Nadj Abonji über B wie Bichsel und H wie Hohler zu S wie Stamm und Z wie Zweifel hatte sie alle vor ihrer Kamera und ist somit DIE Autoren-Fotografin der Schweizer Literaturszene. Oder, wie es Festivalleiter Martin Walker treffend formuliert: «Ich persönlich bin der Meinung, dass man Bücher schreiben kann und die auch in renommierten Verlagen veröffentlichen kann – aber Schriftsteller ist man erst, wenn man von Ayse fotografiert wurde.»

Fotografiert wurde von ihr auch Judith Keller, die bei Ayse Yavas Vernissage der Ausstellung einer Auswahl an Autorenporträts im Festivalzentrum anwesend war. Sie erzählt, wie schön es sei mit Ayse zusammenzuarbeiten und wie angenehm das Shooting verlaufen ist, da sie dabei nicht mal gemerkt hat, dass sie überhaupt fotografiert wurde, weil die Bilder in einer vertrauten Atmosphäre entstanden sind, wo oft mehr gesprochen als fotografiert wurde.

Diese personenbezogene Herangehensweise zeichnet auch Yavas Stil aus. Ihr geht es nicht nur um den Kopf und darum ein Bild zu bekommen. Sie interessiert sich wirklich für den Menschen dahinter, und möchte ihn auch richtig wahrnehmen können. Das Fotografieren sei dabei ein gegenseitiges Beobachten und auch eine Begegnung auf Augenhöhe.

In den 20 Jahren, in denen Ayse Yavas ihren Beruf als Autorenfotografin ausübt, hat sich nach ihrem Empfinden vieles im Literaturmarkt verändert. Die literarische Gegenwart drängt immer mehr zum Bild – und das Autorenfoto ist präsenter denn je. Gerade bei den jungen Autorinnen und Autoren, den im visuellen Zeitalter Geborenen also, sei eine Veränderung zu beobachten, konstatiert Yavas. Diese junge Generation lässt sich viel lieber fotografieren, da sie es auch gewohnt sei, sich darzustellen und zu inszenieren.

Dazu merkt Keller jedoch an, dass sie sich nicht überlegt, wie ihr Bild am Ende aussehen soll. Wenn man von Yavas fotografiert wird, kann man diese Entscheidung vollends aus der Hand geben – wodurch die Bilder dadurch auf eine für sie überraschende Weise erfrischend natürlich werden.

Am Ende der Veranstaltung im Karl liest Keller noch einige Texte vor und signiert ihren Erstling Die Fragwürdigen. Fragwürdig bleibt dabei nur eines: Was lebt länger: die Texte – oder die Bilder, die uns die Schriftsteller hinterlassen?