Zwei Philosophen im Schnee auf dem Dachstock der Mühle

Wenn Arno Camenisch zu lesen beginnt, ist alle Aufmerksamkeit bei ihm. Nicht nur wegen des berüchtigten „Camenisch-Sounds“, auch sein intensiver Blick in die Zuschauerreihen zieht einem in den Bann.

Unterstützt von Roman Nowka an der E-Gitarre, trägt der Bündner Schriftsteller sein neustes Werk „Der letzte Schnee“ im gemütlichen Dachstock der Oberen Mühle in Dübendorf vor und erweckt seine Figuren zum Leben. Der Roman erzählt von einem kleinen Bügellift in den Bündner Bergen. Dort arbeiten tagein, tagaus Paul und Georg und warten auf den Schnee, die Skifahrer und das Vergehen der Zeit. Dabei fabulieren sie über die Vergangenheit, den Klimawandel und das Leben. Und wenn Camenisch erzählt, klingt es wirklich, als wären die beiden am Nabel der Welt. Auf sein Buch schaut Camenisch nur um zu blättern, den Rest rezitiert er frei – ich bin beeindruckt. Da ist ihm auch verziehen, dass er einmal kurz den Faden verliert. Auch weil er dabei so nett über sich selber lachen kann.

Die Lesung ist immer wieder gespickt mit eigenen kleinen Anekdoten und untermalt von den Lachern aus dem Publikum. Als Zugabe gibt es noch einige mehrsprachige Spoken Word-Texte zu hören. Dabei erfahren wir auch gerade noch, was Camenisch im letzten Jahr gelernt hat – unter anderem, dass Omeletten mit Konfi was Gutes sind und dass Kühe ihren Darm besser entleeren können, wenn es regnet. Wieder was gelernt.

Wolkenbruch und der verhängnisvolle Schicksappeal

Nach sechs Jahren als Dauergast jeder Schweizer Buchhandlung hat es Thomas Meyers «Wolkenbruch» endlich auf die Leinwand geschafft. Überaus überzeugend verkörpert von Joel Basman, der für diese Rolle Jiddisch gelernt hat und sich in den jüdisch-orthodoxen Traditionen unterweisen liess.

Am Mittwoch gab es im Rahmen von «Zürich liest» nun die Vorpremiere zu sehen – inklusive Nachgespräch mit Hauptdarsteller, Regisseur, Autor und Produzentin. Wir waren auch dabei – und es hat sich definitiv gelohnt. Thomas Meyer hat für das Drehbuch direkt selbst zur Feder gegriffen und die Geschichte des unbeholfenen Motti Wolkenbruch liebevoll für die Leinwand adaptiert. Es sei aber – so Meyer vor dem Start der Vorführung – nicht einfach eine komprimierte Version des Romans, sondern ein komplett neues Werk, dass auf seinem Erstling beruht. Einige Dialoge wird der Leser dennoch wieder erkennen, einzelne Figuren dagegen wurden ganz weggelassen. Regie geführt hat Michael Steiner, der sich nun nach sechsjähriger Pause erstmals wieder an das Projekt eines Kinofilms gewagt hat.

Neben dem bereits erwähnten Basman macht auch Inge Maux als überbehütende, dominante Mutter mit einem Hang zum Dramatischen eine gute Figur. Vor allem die Auseinandersetzungen zwischen der Mame und ihrem Sohn, der sich partout nicht in die Frauen verlieben will, die sie ihm ausgesucht hat, sorgen immer wieder für Lacher im Kinosaal. Denn obwohl die Geschichte durchaus eine tragische Seite besitzt, ist sie vor allem erst einmal unterhaltsam. Teilweise fehlt es etwas an Tiefe – aber da tritt das Drehbuch pflichtbewusst in die Fussstapfen des Romans. Auch darf bezweifelt werden, dass der verfilmte «Wolkenbruch» – wie der Regisseur hofft – für «mehr Toleranz» sorgen kann.

Nach der Vorführung des Films konnte man sicherlich guter Laune sein, anders verhielt es sich mit der Lesung des Autors – da waren wir im Anschluss nämlich auch. Aber darüber wird Wanda Seiler mehr berichten.

 

 

Für uns bei «Zürich liest »:
Leonie Walder

Wo Zürich liest, schaut sich Leonie dieses Jahr zum ersten Mal als Bloggerin einmal um.
Als Einstieg freut sie sich darauf Wolkenbruchs frisch verfilmte – wunderliche und schicksenhafte – Reise auf der Leinwand zu sehen. Und mindestens so fest auf Meyers anschliessende Lesung.

Bei Arno Camenisch wird am Donnerstag mit einer mündlichen Kostprobe aus seinem neusten Roman der Winter vorgezogen, mit der grossen Hoffnung, dass die Lesung hält, was die Lektüre versprochen hat.

Leonie studiert Germanistik und Philosophie in Zürich – und auch immer wieder gerne die neusten literarischen Erscheinungen der Schweiz.