Viel Freude mit Harry

Frühstückslesung im Odeon. Ein Protokoll:

8:30 Uhr: Zeitumstellung vergessen. Schockmoment.

10 Uhr: Wir sind eine halbe Stunde zu früh (siehe oben). Am Platz erwartet uns bereits ein Glas Orangensaft. Draussen Kälte und Regen. Immer wieder wollen Unwissende das Odeon betreten, doch nur wer reserviert hat, darf rein.

10:45 Uhr: Das Frühstück (reichhaltig, auch wenn wir zunächst ein Gipfeli zu wenig hatten) wird aufgetragen, die Stimmung unter den Anwesenden hebt sich sogleich.

11 Uhr: Jens Wawrczeck erzählt über das Buch. «Immer Ärger mir Harry» ist ein Roman von Jack Trevor Story, der eigentlich nur aufgrund seiner Verfilmung durch Alfred Hitchcock bekannt wurde. Alle kennen die Story, doch kaum jemand hat das Buch gelesen; in der englischen Originalsprache war es nur noch antiquarisch erhältlich, eine deutsche Übersetzung gab es nicht. Darum hat Wawrczeck seine Schulfreundin Miriam Mandelkow angeregt, eine solche anzufertigen, und hat selbst sogleich eine Hörbuchfassung davon produziert. Nun erscheint der Text auf Deutsch auch in Buchform beim Dörlemann Verlag.

11:15 Uhr: Wawrczeck liest vielstimmig und sehr unterhaltsam aus seiner Adaption vor. Wir hören die Story des mysteriösen Toten Harry, der eines Tages einfach im Wald auftaucht. In der Folge können sich die Bewohnerinnen und Bewohner des angrenzenden Orts kaum entscheiden, wer von ihnen Harry jetzt warum umgebracht hat. Es entspinnt sich ein komödiantischer Kriminalfall mit diversen Slapstickeinlagen und viel Kurzweil. Wir schmunzeln immer wieder.

11:45 Uhr: Das Esskoma macht sich bemerkbar. Noch eine Viertelstunde durchhalten.

12 Uhr: Zeit fürs Mittagessen. Auf geht’s.

Alexandra Wittmer und Simon Leuthold

Wenn sich Lyrik und Essen vereinen

Wir treten ein. «Sie haben vegetarisch bestellt, oder?» Ja, wir sind im Restaurant. Ein viergängiges Menu erwartet uns, das mit fünf Lesungen von Liebesgedichten verflochten wird.

Der Abend findet im Zürcher Restaurant Münsterhof statt, mit dem Thema Liebe, Erotik, Genuss – und Essen. Die Gäste sitzen an zwei langen Tischen. Doch als man Platz nimmt, bemerkt man ihn, an einem kleinen mit Büchern gedeckten Tisch an einer Ecke: René Grüninger, der die Gedichte leidenschaftlich vorlesen wird. Ein Gemälde aus dem 14. Jahrhundert, das an der Wand des Restaurantsaals hängt und die Themen Essen und Erotik zusammenbringt, hat ihn auf die Idee des Abends gebracht.

Als die Lesung beginnt, herrscht die reinste Stille im Raum, alle hören aufmerksam zu. Durch den Abend nimmt uns René Grüninger auf eine literarische Reise mit, auf der man Else Lasker-Schüler, Bertolt Brecht, Jacques Prévert und vielen anderen begegnet. Die Gedichte folgen aufeinander, manchmal melancholisch, manchmal explizit erotisch. Während der Lesung ist die Stimmung intim, bei jedem evoziert das Vorgelesene etwas anderes. Hände berühren sich, Knie treffen sich, Augen schließen sich. Hinten in der Küche fällt ein Messer zu Boden, wie um wachzurufen, dass bald der nächste Gang folgt. Tatsächlich dauern diese Runden nur zehn bis fünfzehn Minuten. Um die literarischen Klammern zu schließen, äußert sich René Grüninger humorvoll über diese Abwechslung von literarischen Entremets und kulinarischen Gängen: «Und jetzt, sind Sie wieder hungrig? Klatschen wir, damit der nächste Gang kommt!» Jedoch bleibt René Grüninger auf der Insel der Literatur und isst nicht mit. Er erklärt lächelnd, dass er schon gegessen habe, und liest für sich, in Vorbereitung auf die nächste Lesung.

Nach den literarischen Entremets wird die Stimmung gesellig, man spricht miteinander. «Haben Sie sich den Namen des ersten Dichters notiert?», werde ich gefragt. Tatsächlich ist der schöne Moment der Lesung flüchtig: Die Namen der Gedichte werden nur mündlich genannt. Die Begeisterten probieren vor dem nächsten Gang, diese Flüchtigkeit in Namen und Worten festzuhalten.

So verläuft der Abend: Erich Fried, Kurt Tucholsky, Sappho und sogar die Bibel treffen sich mit Tartar, Selleriesuppe und Gemüsestrudel, und die Begegnung fruchtet: wir kehren erfreut nach Hause, mit beglücktem Magen und geschärften Sinnen.

<< Food save statt Food waste >>

Im Verlag rüffer & rub, nah am Zürichsee gelegen, spricht Anne Rüffer mit Claudia Graf-Grossmann über das Buch «Über Reste und zu Taten». Auch eingeladen zum Gespräch wurde Lukas Bühler. Er ist Mitgründer von «Zum guten Heinrich», welche sich für Nachhaltigkeit in der Gastronomie einsetzen. Und genau das ist die Schnittstelle, die Claudia Graf-Grossmann und Lukas Bühler verbindet. Graf-Grossmann schrieb in ihrem Buch beispielsweise darüber, warum optisch nicht einwandfreies Gemüse weggeworfen wird und welche Lebensmittel überhaupt von den Bauern in die Einkaufsläden gelangen. Dabei wird betont, dass dieses Gemüse trotz des unterdurchschnittlichen Aussehens genau dieselben Nährwerte aufweist wie makelloses Gemüse. Also warum wollen Konsumenten dieses Gemüse nicht kaufen?

Lukas Bühler setzt genau das im «Zum guten Heinrich» um. Er nimmt dieses Gemüse den Bauern ab und verarbeitet es. Dadurch sichert er das Gemüse vor dem Abfall.

Auch wenn «Zum guten Heinrich» vegetarisch und vegan ist, verweist Lukas Bühler darauf, dass man auch Suppenhühner hervorragend verarbeiten kann. Diese Hühner werden nur für das Legen der Eier gehalten und nicht für den kommerziellen Verkauf. Doch Suppenhühner sind meistens besser zu verarbeiten als die hochgezüchteten Hühner aus der Massentierhaltung, welche nur für den Verzehr gezüchtet werden und dadurch mit Antibiotika versorgt werden. Um dies nicht zu unterstützen, solle man lokal einkaufen und auf das Bio-Siegel achten.

Doch ist Bio nicht zu teuer? Nein, denn eine 4-köpfige Familie wirft im Jahr Lebensmittel weg, die eine Summe von 2000 Franken betragen. Vermeidet man diese Verschwendung, so kann man sich ohne Probleme auch Biolebensmittel leisten.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass ein Mindesthaltbarkeitsdatum nicht gleichzusetzen ist mit dem realen Ablaufdatum der Lebensmittel. Claudia Graf-Grossmann erläutert, dass die Lebensmittelhersteller das Datum sehr vorsichtig wählen, um auf Nummer sicher zu gehen. Gerade nach Lebensmittelskandalen wie dem BSE-Skandal, ist man vorsichtiger geworden. Also sollte man an den Lebensmitteln riechen und schmecken, wenn sie das Datum erreicht haben. Oft sind sie auch noch lange nach dem Ablaufdatum genießbar.

Und wie können wir Lebensmittel sichern anstatt diese zu verschwenden?

Beide geben ein paar Tipps zur Umsetzung im Alltag:

Schreiben Sie eine Einkaufsliste und vergewissern Sie sich, dass diese Lebensmittel nicht mehr zu Hause vorrätig sind. Kaufen Sie lokal und saisonal ein. Bestenfalls bei einem Bauern aus ihrer näheren Umgebung und entwickeln Sie Ideen, um Lebensmittel zu verarbeiten, wenn sie doch mal übriggeblieben sind. Aus übrigem Gemüse und Nudeln kann man einen tollen Auflauf zaubern. Der Auflauf wird super schmecken und Lebensmittel vor dem Wegwerfen retten.

Auch nach Ende der Diskussion denke ich weiter über das Thema nach. Es beschäftigt mich noch eine Weile und ich nehme mir vor, mehr Lebensmittel zu retten. Jedenfalls werde ich nun auch optisch nicht einwandfreies Gemüse oder Obst kaufen und mich von dem Gedanken verabschieden, dass Lebensmittel immer perfekt aussehen müssen.