Definitiv cool

Matto Kämpf betritt die Bühne und legt sofort los: «Er stand auf und starb.» Endlich einmal ein vernünftiger Romananfang sei das, meint die Kulturjournalistin und Ich-Erzählerin von Kämpfs Roman Tante Leguan, und mit ihr möchte man sagen: Endlich einmal ein vernünftiger Lesungsanfang.

Das Publikum hat Kämpf auf jeden Fall sofort auf seine Seite geholt. Man merkt, dass der Thuner (genau genommen: Steffisburger) Spoken Word Künstler und Satiriker sich gerne auf Bühnen aufhält und dass auch sein erster Roman dort problemlos funktioniert. Mit der linken Hand lässig im Hosensack lässt Kämpf sich beim Vorlesen Zeit, sein breiter Berner Dialekt dehnt jedes «Ä» ins Unendliche, so dass auch kleinste Nuancen des Textes zu klingen beginnen oder zu Pointen werden. Auch ein gelegentlicher Hustenanfall (der Husten verfolge ihn schon durch ganz Solothurn) bringt ihn nicht aus dem Konzept.

Schon bald ist man vollends eingetaucht im normalen Redaktionswahnsinn seiner drei lakonischen Protagonisten, macht sich mit ihnen lustig über ihren Vorgesetzten, den «Idioten», und ihren Mitarbeiter, den «Sportarsch». Kämpf beschränkt sich auf den ersten, zweifellos stärksten Charakter seines Buches, nimmt sich Zeit, die Misere der Kulturredaktion anschaulich zu gestalten. Ihr journalistisches Vorgehen ist so simpel wie effizient: «Ist das cool, oder ist das nicht cool?». Grunge-Musik – cool; Musicals – weniger. Dass der popkulturlastige Text vor dem im Alter doch schon eher fortgeschrittenen Publikum so gut ankommt, ist eigentlich erstaunlich. Doch Satire über den Kulturbetrieb, gepfeffert mit Seitenhieben gegen Heavy Metal und den Büroalltag im Allgemeinen wird eindeutig generationsübergreifend als lustig empfunden.

Da die Zeit noch reicht – Kämpf ist sich des straffen Zeitmanagements in Solothurn durchaus bewusst, wie er in einer seiner wenigen Zwischenbemerkungen anmerkt – gelangen die drei Journalisten dann noch nach China, wo sie in less than ideal Englisch mit chinesischen Musikern zu kommunizieren versuchen. Auch hier werden im Publikum Tränen gelacht.

Nach kurzweiligen 35 Minuten ist die Lesung zu Ende. Frei nach dem Bewertungsraster von Kämpfs Kulturjournalisten – cool oder nicht cool? – darf man sagen: definitiv cool. Oder in den Worten von einer auf der Gasse aufgeschnappten Publikumsreaktion: «I finds totau sympathisch wieners macht!».

Sportarsch- und Katzengeschichten

Köstlich und leicht verdaulich war das Gespräch zwischen Matto Kämpf und Milena Moser zur Mittagszeit, wohlgemerkt «ohne störende Moderation» und auf Schweizerdeutsch. Moser las zum Einstieg die ersten beiden Seiten aus dem Buch Tante Leguan ihres Gegenübers vor – wobei sie vorausgeschickt hatte, zu verklemmt für seinen Text zu sein, die unschicklichen Wörter, welche für allgemeine Belustigung sorgten, dann aber doch auskostete. Nachdem Kämpf vice versa aus Mosers Buch Land der Söhne gelesen hatte, zeigte man sich für den Moment doch etwas verloren, so ganz ohne Wortführer. Man fing sich aber, unterhielt sich über die zuweilen problematische Liebe zu den eigenen Romanfiguren, liess sich über die hohen Papierpreise aus, schmiedete Pläne, Bäume pflanzen zu gehen, wurde zwischenzeitlich etwas ernster und sprach übers Seelezertrampeln, verweilte dann einige Zeit beim Thema Katzen (Moser machte deutlich, dass es schlimmer sei, eine fremde Katze zu füttern, als mit dem besten Freund seines Partners ins Bett zu gehen) und Kämpf gab ein scheinbar sinnloses, mit Gewalt endendes Grimm-Märchen zum Besten, bevor man schliesslich darauf zu sprechen kam, dass es eine Zumutung sei, sich nur mit einem Leben zufrieden geben zu müssen. Zum Glück kann die Literatur auch diese Grenze sprengen. Schliesslich wurde das Publikum zum Fragestellen ermutigt und Kämpf beharrte auch auf Nachfrage darauf, dass sein Buch keinen Sinn habe. Aber 25.- Franken kostete. Moser widersprach: Sein Buch beschere etwa drei schöne Abende, es habe also Sinn und sei es wert, gelesen zu werden.

Erheitert und gut gelaunt trat das Publikum in die Nachmittagssonne hinaus…