Ein Gespräch über Bücher

Das zweite Branchengespräch der Literaturtage drehte sich um die Frage, wie aus einem Text ein Buch wird. Als Podiumsgäste waren Annette Beger, die Leiterin des Zürcher Kommode Verlags, und Gabriel de Montmollin, bis 2015 Leiter der Éditions Labor et Fides und mittlerweile Leiter des Musée international de la Réforme in Genf. Geleitet wurde das Gespräch von Dani Landolf, seines Zeichens Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands SBVV. Landolf verwies auf die Sonderstellung, die dem Schweizer Buchmarkt aus seiner Viersprachigkeit erwächst: Die Verlage in der Westschweiz orientieren sich nach Frankreich, die im Tessin nach Italien und die Deutschschweizer schauen nach Deutschland und Österreich. Dass diese Länder Euroländer sind, hat einen grossen Einfluss auf die Schweizer Verlage, nicht zuletzt seit die Buchpreisbindung 2008 in der Schweiz aufgehoben wurde.

Im deutschsprachigen Bereich der Schweiz gibt es zur Zeit circa 200 Verlage, von denen rund die Hälfte „professionell“ betrieben würden. Thematisch sei die Schweizer Verlagslandschaft breit aufgestellt, fügt Landolf an, dies gälte insbesondere für den Kunst- und Architekturbereich als auch für das Feld der Sach- und Kinderbücher. Auch Wissenschaftsverlage machten ein durchaus herzeigbares Sement aus, wenn sie auch in der Öffentlichkeit nicht sehr präsent seien.

Annette Beger vertiefte sodann das Gebiet der Verlagskalkulation, referierte die prozentualen Anteile, welche sich auf die Buchhandlungen, dem Verlag und den Autor aufteilen, nicht zu vergessen die Kosten für Druck und Distribution. Auf die Frage, wo Verlage denn tatsächlich drucken lassen würden, antwortete Beger, dass der Kommode Verlag in Italien drucken lasse. Dies sei kostengünstiger und trotzdem stimme die Qualität trotzdem. Bücher aus englischen Verlagen fände sie schrecklich, meint Beger, denn diese seien meistens beschichtet, die Beschichtung löse sich nach und nach ab und werde klebrig.

Sodann wurde die Frage diskutiert, wieso es immer noch so wichtig sei, dass die Buchhändler das Recht haben, nicht verkauften Bücher wieder zurück geben zu können. Beger warf ein, dass man bedenken müsse, dass die Buchhandlungen auch Bücher von unbekannten Autoren bestellen und somit immer das Risiko haben, dass die Bücher nicht verkauft werden – was Rolf Lappert, den ersten Gewinner des Schweizer Buchpreises, anmerken liess, dass man ein Buch auch verkaufe, wenn man von ihm überzeugt sei.

Was aber leisten Verlage überhaupt?
Das Podium war sich einig: Sie sind Dienstleister, verwalten die Rechte der Autoren, vertreiben, lektorieren und führen die Promotion für das jeweilige Buch durch. Nicht jeder Autor kann gut lesen, dafür muss man kreative Alternativen entwickeln. Die meiste Zeit nehme das Lektorat ein. Man kann Autoren nur aufbauen, wenn man am Text arbeitet.

Die Frage, ob Autoren Verlage denn auch wirklich als Dienstleister in Anspruch nehmen müssten, bejahte Rolf Lappert. Das Lektorat sei für ihn unglaublich wichtig. Wenn ein Verlag seine Texte zu gut fände und er ein fertiges Manuskript einreiche, welches dann nicht mehr bearbeitet würde, werde er skeptisch. Für ihn sei wichtig, dass das Manuskript richtig überarbeitet werde. Es dürften sich nach einem qualitativen guten Lektorat keine Fehler mehr im fertigen Buch finden. Lappert adressierte dann auch junge AutorInnen der Bieler Schreibschule, deren Manuskripte meist bereits bei Einreichung eine sehr gute Qualität aufwiesen, nicht zuletzt weil sie bereits bei Agenturen überarbeitet worden seien.

Der Austausch gestaltete sich äusserst interessant und eröffnete die Möglichkeit, mehr über die Schweizer Verlagslandschaft zu erfahren. Dani Landolf fragte geschickt nach, blieb hartnäckig, wenn Fragen nicht präzise genug beantwortet wurden und achtete darauf, dass auch die Zuhörer miteingebunden wurden, um deren Französischkenntnisse es nicht so gut bestellt war – wie um die meinen.

 

 

„Ich sehe die Frauen nicht ganz so marginalisiert in diesem Betrieb“*

Beim Betreten des vollen Stadttheaters, wo am Freitag Nachmittag das Podium „Machtstrukturen im Literaturbetrieb“ stattfindet, fällt bereits die Überzahl an Frauen im Publikum auf. Erstaunlich ist dies nicht, da der Beschrieb der Veranstaltung bereits auf die absurde Dichotomie von marginalisierten Frauen im Literaturbetrieb und der gleichzeitigen Tatsache, dass mehr Bücher von Frauen gelesen und geschrieben werden, hinweist. Auf der Suche nach Erklärungen haben sich also Frauen (und einige Männer) jeden Alters im Theater eingefunden. Die Bühne wird ebenfalls von den Frauen dominiert: Nathalie Garbely moderiert, neben Anette Hug und Silvia Ricci Lempen sitzt Dani Landolf. Die männliche Unterzahl scheint für Landolf Anstoss zu sein, seine Anwesenheit erklären zu müssen: Nachdem er eigentlich seine Teilnahme zuerst abgesagt hatte, habe er sich schliesslich umentschieden, weil er von den VeranstalterInnen darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass noch ein Mann gebraucht werde.

Die Diskussion beginnt mit der Darlegung der heutigen Situation im Literaturbetrieb. Lempen und Hug sind sich einig, dass seit den 1970er Jahren ein Wandel zugunsten der Frauen stattgefunden hat. So sei es den Frauen heute nicht mehr verboten zu schreiben und Literaturfestivals würden auch durchgeführt, wenn die Chefin zum Zeitpunkt schwanger ist. Das sei erfreulich und unzweifelhaft sei auch, dass der Buchhandel eine „Frauenbranche“ ist. Zugleich wäre dies wiederum nicht erstaunlich, da sich die dort Angestellten mit dem Schweizer Mindestlohn begnügen müssen. Hingegen sässen in den Chefetagen der grossen Verlage wie Diogenes und Kein&Aber weiterhin Männer, bei denen es sich jedoch, wie Landolf eindringlich betont, nicht um fette Manager im Ledersessel mit Zigarre im Mund handle. Konsens auf der Bühne ist unter den weiblichen Gästen, dass man im Jahr 2019 ein Zwischenfazit ziehen kann. Vor allem im Hinblick auf den literarischen Kanon betont Lempen, müsse sich unabdingbar etwas verändern. Auch Hug erwähnt, dass die Leseliste für die mündliche Zwischenprüfung am Deutschen Seminar an der Uni Zürich weitaus weniger Werke von Schriftstellerinnen als von Schriftstellern aufweise. Ähnliches gelte für die literarische Kolumne in „Le Temps“: Auch dort kämen erstens doppelt so viele Männer zu Wort und würden zweitens auch doppelt so viele Männer besprochen (dies auch von Frauen, was wiederum für die dringende Neuauslegung des Kanons spräche). Das Resultat sei, dass fast immer aus der männlichen Sicht argumentiert und diese durch das Übergewicht legitimiert werde.

Bei der Bezahlung schriftstellerischer Arbeit seien indessen beide Geschlechter in gleichem Masse von den „Machtstrukturen im Literaturbetrieb“ betroffen: Niemand werde reich im Schweizer Buchbetrieb. Hug erklärt, dass AutorInnen ihr Geld in drei Säulen verdienen: Mit einem minimalen Anteil an den Buchverkäufen selbst, den grössten Anteil mit Auftritten und mit ein wenig Glück durch Stipendien. Deshalb warnt Lempen zu Recht vor einer Monopolisierung zum Beispiel bei der Vergabe von Preisen in beiden Wortbedeutungen. Auf keinen Fall sollten Stiftungen oder Literaturhäuser den Marktpreis für Literatur festlegen und es sollte niemals einer Einzelperson in einem Jurierungsverfahren die Entscheidung überlassen werden. Es gäbe noch sehr viel interessante Themen zu besprechen – doch leider ist die Zeit um. Der herzliche Applaus zum Schluss muss vor allem den drei starken Frauen auf der Bühne gelten. Daniel Landolf hat sich schon länger aus der Diskussion zurückgezogen, spätestens seit er Lempen und Garbely glücklicherweise erfolglos zu belehren versuchte, dass der Körper der Frau und eine damit etwaig verbundene Limitation ihres Geistes im Literaturbetrieb kein Thema sei.

* Landolfs Antwort auf die Frage, wo die Frauen im Literaturbetrieb seien. Natürlich sei dies allgemein ein heikles Thema.