F wie Familie

Die ersten Tage im Kindergarten überstehen, sich nach der Schule mit Freunden verabreden, der Fragerei der Verwandten beim jährlichen Treffen mit diplomatischen Fragen ausweichen – Aufwachsen ist nicht leicht.

Im Literaturgespräch von Tabea Steiner und Rolf Hermann dreht sich alles ums Thema Familie, Erziehung und Erwachsen werden. Dazu haben die beiden Autoren reichlich zu sagen – hoffentlich auch, wo sich die Romane der beiden, Balg beziehungsweise Flüchtiges Zuhause, mit eben dieser Thematik auseinandersetzen.

„Die Menge macht´s nicht aus, sondern, dass es schön wird“, meint der Moderator am späten Sonntagnachmittag in die schmale Runde, die sich in der Säulenhalle zusammengefunden hat.

Schnell kristallisiert sich die leitende Frage der Diskussion heraus. Wie definiert sich Familie? Die verschiedensten Theorien werden daraufhin angerissen: Blutsverwandtschaft, gemeinsame Erlebnisse, Familienmythen und Geheimnisse, Rituale. Und wie konzipiert sich eine literarische Familie?

Als Grundlage dient je eine Passage aus den Texten von Tabea Steiner und Rolf Hermann. Während die fiktive Familie in Steiners Roman durch Zerrüttung strukturiert ist und den spärlichen Zusammenhalt in ebendieser Zerrüttung findet, basiert Hermanns Roman auf Anekdoten der eigenen liebevollen Familiengeschichte. Leider misslingt es dem Gespräch, eine gemeinsame Basis für eine interessante Diskussion zu finden und die 45 Minuten enden ohne eine Verknüpfung von Fiktion und Realität.

Dennoch zeigt sich das Publikum äusserst zufrieden und lobt in der anschliessenden Fragerunde den Einblick in die Werke.

5 Aktivitäten für zwischendurch

Während der 41. Literaturtage ist in Solothurn ganz schön viel los. Menschenmassen, die vor dem Stadttheater auf Einlass warten, die zielstrebig auf den letzten freien Tisch der In-Restaurants zusteuern oder die sich vor der Aussenbühne Landhausquai zusammendrängen, um wenn möglich nicht in der prallen Sonne stehen zu müssen.

So interessant und faszinierend der ganze Rummel auch ist, irgendwann braucht das sensorische Zentrum eine Pause. Solothurn hat aber auch ausser Buchstaben ganz schön viel zu bieten, deswegen hier unsere Top 5 Aktivitäten zur Gehirn-Entlastung, denen hervorragend zwischen zwei Veranstaltungen nachgegangen werden kann.

 

Aktivität Nummer 1: Idyllische Seitenstrassen erkunden

Einmal links abbiegen und schon ist das ganze Treiben nur noch ein Rauschen im Hintergrund. Zahlreiche Gassen finden sich in der Solothurner Altstadt, die sich als Schauplatz für den nächsten Roman eigenen könnten (ob Tatort eines skurrilen Verbrechens oder geheimer Treffpunkt einer Romanze, die Möglichkeiten sind endlos).

 

Aktivität Nummer 2: Auf den Treppen der Kathedrale ausspannen

Das imposante Bauwerk ist nicht nur schön anzusehen, sondern spendet auch reichlich kühlenden Schatten. Wer sich für Kirchenarchitektur interessiert, wird auch vom Innern der Kathedrale nicht enttäuscht werden (um sicherzugehen, dass man nicht mitten in die Fürbitten hineinplatzt, sind die Messezeiten in einem Glaskasten an der Aussenmauer publiziert).

 

Aktivität Nummer 3: Tore in andere Welten

Wer tiefer in die Altstadt vordringen möchte und von bunten Toren, reich verzierten Türklopfern und steinernen Mauern genauso begeistert ist wie wir, wird in Solothurn nicht enttäuscht. Welche Welten sich wohl hinter den Toren verbergen?

 

Aktivität Nummer 4: Kaffee am Wasser geniessen

Sobald die Literaturtage voll im Gange sind, findet sich kaum noch ein freier Platz an der cafébar. Aber für die Frühaufsteher ist es die ideale Adresse, um den Koffeinspeicher mit Blick auf die Aare aufzufüllen, ehe der ganze Ansturm losgeht (Cappuccino gibt es für 4.70).

 

Aktivität Nummer 5: Auf den Spuren der Figuren

Es wimmelt nur so von Statuen und Denkmälern, von denen viele künstfertige Details aufweisen. Könige, die aussehen wie Gartenzwerge und sich ans Fussgelenk von Justizia klammern; Ritter, die in ihren hautengen Hosen vermutlich nicht mal ihre Zehen berühren könnten – insbesondere die Gesichtsausdrücke der Figuren entlocken das eine oder andere Schmunzeln. Unser Liebling ist Engel Gabriel, der so lustlos in die Weite starrt, als hätte man ihm gerade verkündet, dass die Literaturtage auf unbestimmte Zeit ausfallen.

 

Nach ausgiebiger Gehirn-Entspannung (und der inklusiven Rundtour durch Solothurn) sind die grauen Zellen wieder aufnahmefähig und bereit, sich voll und ganz auf die nächste Veranstaltung einzulassen. Wir wünschen viel Vergnügen!

Mutig, mutig

Ein seitlich geöffneter Anhänger ist die Bühne, auf Festbänken sitzt das erwartungsvolle Publikum, Skepsis spiegelt sich auf den Gesichtern. Niemand weiss, was von den Lesungen auf der Offenen Bühne erwartet werden darf. Ob die Autor*innen denn auch wirklich Talent haben?

Mut haben sie auf jeden Fall. Sich vor den Besucher*innen zu exponieren, die den ganzen Tag von Lesungen und Podiumsdiskussionen verwöhnt werden und von den Texten auf der Offenen Bühne nicht weniger erwarten, strapaziert die Nerven doch ganz schön. Die Temperaturen von bis zu 28 Grad tragen auch nicht gerade zum persönlichen Wohlbefinden bei.

Die Schreiberlinge meistern die Herausforderung jedoch mit Bravur. Von bibliografischen Erzählungen über humorvolle Gedichte bis hin zu einzigartigen Wortexperimenten – im breiten Angebot der Texte findet sich so ziemlich alles, was in 30 Minuten Bühnenzeit präsentiert werden kann.

Auch vorgetragen wird mit grossem Elan, mal mit mehr Witz, mal mit stark ironischem Unterton. Sich auf die Lesungen auf der Offenen Bühne einzulassen, ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Und wer weiss, vielleicht traut sich sogar jemand bis auf die Bühne?

 

Kreativ im Kollektiv

Der Wal ist ein grosses Tier. Ruhig. Langsam. Faszinierend.

Und bei Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger kann er sogar fliegen. Die  Illustratorin und der Grafiker haben mit Ida und der fliegende Wal ein ganz besonderes Kinderbuch geschaffen, das definitiv auch Erwachsene in seinen farbintensiven Bann zieht.

Der Eintritt in diese anderen Welten beginnt um 16 Uhr in der Säulenhalle. Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger lesen im Wechsel aus ihrem Kinderbuch vor, im Hintergrund ziehen die Illustrationen als Präsentation auf Leinwand vorbei. Die kleine Ida mit gelben Gummistiefeln und roten Haaren begibt sich eines Nachts mit dem fliegenden Wal-Koloss auf eine Reise der ganz besonderen Art. Sie erkunden Welten, in denen oben unten und unten oben ist, Welten des Nichts, in denen ein Sturm tobt, in denen Einsamkeit herrscht und in denen Ida Freunde fürs Leben findet.

Doch bis Ida auf ihre zauberhafte Reise gehen konnte, war es ein langer Weg, wie Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger Schritt für Schritt erläutern. „Ein Herzenswunsch“ sei das Veröffentlichen eines eigenen Kinderbuches schon lange gewesen. Der Prozess habe viele Diskussionen, Nächte, Grübelstunden und eine zweiwöchige, in der Toskana abgeschottete Zeichenphase gefordert. Das Ergebnis kann sich eindeutig sehen lassen. Die wasserfarbenen Bilder wirken leicht und weisen dennoch eine beeindruckende Tiefe auf.

Die Rezeption von Kindergartengruppen sei stets überwältigend gewesen, erzählen sie, und auch wenn das Publikum in der Säulenhalle nicht vor schierem Unglauben ausgerufen hat, so waren die Augen mindestens genau so gross wie bei den Kindern. Faszinierend.

Unser Team in Solothurn: Anouschka Mamie

Oft mit einer Kamera um den Hals und einem Buch in der Tasche anzutreffen, ist Anouschka fasziniert von Protagonisten, die sich gegen gesellschaftliche Normen auflehnen und mit viel Humor Skandal nach Skandal verursachen. Wenn sie nicht gerade versucht, so viele Bücher wie möglich innerhalb kürzester Zeit zu verschlingen, kümmert sie sich um ihr Studium der Germanistik und Informatik.

Sie freut sich bereits auf die Gespräche und Eindrücke in Solothurn und hofft auch den einen oder anderen Schnappschuss zu ergattern.