Zwiegespräch: zwiegespalten.

Unter Literatur lässt sich so einiges fassen. Eine weites Feld, sozusagen. Da haben Witze, wie dieser eben, ihren Platz, ohne andere Bereiche einzuengen. Natürlich überlagern sich Bezirke an Schnittstellen. Plötzlich erweckt vergeblich unterdrückte Lacher, was andernorts die Empfindsamkeit rührt. Anderes mischt sich weniger gut, aber im Grunde ist doch alles Literatur, was im Solothurner Programm steht. Hinter allen Texten sitzen doch Schreiberlinge, die dasselbe machen. Tastatur oder Stift; einerlei. Genügend Gemeinsamkeit für einen Dialog. So würde man meinen.

„Häsch öppis vu dere glese?“
„Der Kampf sagt mir nix.“
„Was schriiebt denn die eso?“

Die Säulenhalle im Landhaus füllt sich mit zwei Lagern. Die einen lesen Milena Moser, die anderen Matto Kämpf. Kaum Doppelagentinnen, sicher keine Überläufer. Der Blumenstrauss ist derselbe wie bei den anderen Veranstaltungen. Wir sind noch am gemeinsamen Festival.

Der Berner Oberländer und die Ausgewanderte (Santa Fe, New Mexico) lesen die ersten zwei Seiten aus dem Buch der jeweils anderen Person. Der berüchtigt Humorvolle liest etwas Neues aus Land der Söhne heraus. Witz, der für stumme Leserinnen unter dem Text liegen geblieben war. Moser tritt mit Gefühl an die Figuren aus Tante Leguan heran, findet die aber nicht – und platzt vor Lachen. Beide lesen gegen den Text, aber beide Texte wirken noch immer stark und kräftig. Sie halten es aus. Widerspenstig.

Dann müssen Kämpf und Moser die Bücher weglegen. Ohne Schild wirken sie ausgeliefert. Sich gegenseitig ausgeliefert und dem Schweigen. Unmoderiert. Anläufe starten beide. Gutmütige Versuche, das Gegenüber auf ein Gespräch mitzunehmen. Aber während Kämpf den kurzen Witz einschlägt, steht Moser mit Pathos bepackt daneben, bereit für Gratwanderungen durch menschliche Abgründe. Also stolpern beide über oberflächliche Gemeinsamkeiten irgendwohin, aber nicht auf einen common ground zu.

Kämpf: „Endlich mol es Thema! Het en Moment bruucht. Literatur isch immer im Weg.“1

Beide halten Katzen. Ausserdem haben beide Söhne, die Videospiele zocken. Dann sitzen sie wieder im betretenen Schweigen oder reden darüber hinweg.

Moser: „Wetsch du Kaffi bstelle?“

Kämpf: „Wie lang geit’s denn no?“

Das Festival hat die Kombo gewählt, ihnen das jeweils andere Buch zugeschickt. Auf dieser einen Bühne finden sich die zwei aber nicht, aller Anstrengung zum Trotz. Ein Experiment, das schiefging. Und das darf es auch. Das Publikum nimmt’s niemandem übel, wenigstens waren die beiden witzig. Man hätte über zwei verschiedene Blicke auf die Schweiz sprechen können. Auch über die Wichtigkeit der eigenen Sprache. Aber vielleicht hätte sich auch daraus nichts entsponnen.

Es sind zwei Sorten Literatur, die für sich funktionieren – aber nicht zusammen. Manchmal sind die Teile eben doch mehr als das Ganze.

 

1 Ich entschuldige mich für unauthentisch transkribiertes Bärndütsch und fehlerhafte Zürischnurre.

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