Aus dem Tagebuch eines Aschehäufchens

Es dunkelte schon themengerecht ein, als wir beim Friedhof Sihlfeld ankamen. Vor allem die Männertoilette war alles andere als einladend. Eine steile, enge Treppe führte hinab zu einem Raum, der durch neonblaues Licht erleuchtet war. Erinnerte an einen Horrorfilm, nun war ich auf jeden Fall so richtig eingestimmt für die Lesung im Friedhof-Forum, das sich direkt unter der Erde befindet.

Der Kellerraum war restlos gefüllt. Die Leute beschäftigten sich gerne mit dem Makaberen, das sei ein Bedürfnis, sagte mir Christine Süssmann, seit 2012 verantwortlich für Kultur und Kommunikation im Friedhof-Forum der Stadt Zürich. Heute lud das Forum zur Lesung mit der Schweizer Autorin Isabel Morf, inklusive musikalischer Begleitung durch Beat de Roche an der Emmenthaler Halszither. Das Instrument ist notabene für traditionelle Ländlermusik konzipiert, der Musiker gefiel heute aber durch Adaptionen von Kurt Weils Moritat von Mackie Messer, dem Godfather-Thema oder Nancy Sinatras „Bang, Bang“.

Ab der ersten Minute war klar, dass es hier nicht darum ging, dem Publikum einen Schrecken einzujagen. Der Fokus lag viel mehr auf Galgenhumor und Amüsement, jedoch mit der richtigen Prise Ernsthaftigkeit, die beim Tod immer mitschwingt.

Item, die Autorin hatte zwei unveröffentlichte Friedhofsstorys im Köcher und trug sie mit viel dramaturgischem Gespür vor. In beiden Kurzerzählungen ging es um Familienfehden, Geld und Rache. Das erstaunt eigentlich nicht weiter. Die zweite Geschichte war an Originalität aber kaum zu überbieten und spielte nicht auf, sondern unter der Erde: Ein Aschehäufchen in einer Urne, einst ein kräftig gebauter Schreiner, sinniert darüber, wie er sich an seiner Ex-Frau/Witwe rächen kann, weil sie ihn wegen des lieben Geldes hinterrücks ermordete. Die Moral der beiden Geschichten mit vielen unerwarteten Wendungen: «Alles kommt zurück im Leben».

Und so war es dann doch eine sehr lebendige Veranstaltung an einem Ort, der eigentlich anderes vermuten lässt.

 

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