Unübersetzbar, sagen Sie?

Was heisst «croque-mitaine» ins Deutsche? Darf man Eigennamen übersetzen? Wie übersetzt man Geräusche und Rhythmus?
Dies sind einige der Fragen, die im Gespräch der zwei Übersetzerinnen Camille Luscher (Max Frisch, Arno Camenisch) und Lydia Dimitrow (Bruno Pellegrino, Isabelle Flükiger) am Freitag Abend im KOSMOS gestellt wurden. Konkrete Beispiele aus den Vorlagen ihrer eigenen Übersetzungen dienen als Basis für die Diskussion. Zusammen mit ihnen wird das Publikum eingeladen, konkrete Lösungen für angeblich «unübersetzbare» Wörter vorzuschlagen. Eine einzige Regel ist Camille Luscher bei dieser Aufgabe wichtig: «kein Dogmatismus». Und es geht los. Im Publikum schlägt jemand ein Wort vor, Lydia Dimitrow schreibt es auf und lächelt: «Vielleicht findet sich einer ihrer Vorschläge in meiner Übersetzung wieder».
Schnell stellt sich aber heraus, dass vieles hinter der Wahl eines bestimmten Wortes steckt. Was man im ersten Augenblick für eine angemessene wortwörtliche Übersetzung hielt, stellt sich als problematisch heraus, sobald man weitere Aspekte wie Klang, Konnotation oder noch Rhythmus berücksichtigt. Beeindruckend ist dabei vor allem, wie genau Camille Luscher und Lydia Dimitrow bei der Wahl eines Wortes vorgehen: Nichts scheint dabei dem Zufall überlassen zu sein.
Gleichzeitig wissen die zwei Übersetzerinnen zu überzeugen, dass Übersetzen ein Schöpfungsakt ist. Denn es heisst oft den Mut haben, eine gewagte Entscheidung zu treffen, indem man z.B. der wortnahen Übersetzung entgeht, um eine bestimmte Wirkung beim Zielpublikum zu erzeugen. Die zwei Übersetzerinnen gehören zu einer Generation, die sich nicht mehr scheut, ihre Autorschaft bei den eigenen Übersetzungen zu beanspruchen. Camille Luscher bringt es auf den Punkt: «Je gesuchter das Original ist, desto freier ist der Übersetzer». Sie fügt hinzu: «Ich übersetzte, um zu schreiben». Übersetzen bedeutet auf einmal kein blosses Transkribieren, sondern richtiges Schreiben.
Mit einem neu erworbenen Respekt für diese allzuoft unterschätzte Tätigkeit begibt man sich wieder nach Hause. Literarisches Übersetzen hat sicher viel mehr mit Literatur gemeinsam als mit google translate und ist auf jeden Fall ein Gewinn für das Original.

Wal zwischen Birken

„Ida und der Wal“ aus der (Zeichen-)Feder von Rebecca Gugger und Simon Röthlisberger gehört zu den jüngeren Höhepunkten auf dem Kinderbuchmarkt. Im vollbesetzten KOSMOS lesen beide aus der poetisch gezeichneten Geschichte der kleinen Ida, vor deren Baumhaus eines Abend ein grosser Wal, eingeklemmt zwischen Birken, strandet. Der nimmt sie mit auf eine Reise hinter den Mond, auf der behutsam Fragen nach der eigenen Wahrnehmung, der weiten Welt und der eigenen Stellung darin hervortreten. Vor dem grossen Bildschirm mit den Illustrationen gewinnt die Geschichte an Plastizität, die mit Popcorn und der Aussicht auf Sirup ausgestatteten Kindergärtner lauschen aufmerksam. Auch die grösseren Kinder und ihre – praktisch in gleicher Mannschaftsstärke anwesenden – Eltern kommen auf ihre Kosten, als im Anschluss an langen Tischen ein eigenes „Ida“-Poster gestaltet werden kann. Eine grosszügige, zumal gratis angebotene Form der Leseförderung, die das KOSMOS als Knotenpunkt auf der literarischen Landkarte schon für die Kleinsten markiert. Und eine vorzügliche Gelegenheit für alle, deren Familienleben unter dem reichhaltigen Angebot von „Zürich liest“ zumindest für ein Wochenende zu leiden droht – ein gemeinsamer Trip ins KOSMOS liegt eigentlich immer drin.