Paradiesvögel auf der Suche nach dem Paradies

Unkonventionelles Styling, unkonventionelle Texte, unkonventionelle Musik und ein unkonventioneller Auftritt. Das ist das erfrischende Sprechkonzert des Duos Loretta Shapiro, bestehend aus Katja Brunner und Sophie Aeberli. Katja Brunner studierte literarisches Schreiben in Biel und szenisches Schreiben in Berlin. Ihre Kollegin Sophie Aeberli ist Pianistin und Performerin. Die beiden stechen heraus, heben sich von der Masse ab, lassen sich schwer kategorisieren und sind darüber hinaus sehr sympathisch. Aeberli trägt blauen Lippenstift und eher alternative Kleidung. Brunner eine knallrote Merida-Mähne und mehrere Statement-Ketten. Ein Statement ist auch ihr Sprechkonzert. 

Es ist ein buntes, wildes und ziemlich schräges Gesamtkunstwerk, das uns die Beiden präsentieren. Sie sprengen die Erwartungen gleich zu Beginn und brechen bereits beim Eintreten in den Kinosaal das erste Tabu. Die Gäste werden nämlich am Eingang mit einer Blume ausgestattet und mit den Worten „mis herzliche Biileid“ begrüsst. Es folgt der Abstieg in makabere Thematiken. Richtig traurig wird’s dann aber doch nicht. Eher lustig und warmherzig. Mit viel Witz, starker Sprache und einnehmender Performance unterhalten sie auf allen Ebenen und regen zum Nachdenken an. 

Der Tod ist ein wiederkehrendes Motiv in den jeweils etwa 2-6 minütigen Stücken, deren Reihenfolge der Zufall bestimmt. Das nächste Stück wird nämlich jeweils von jemandem aus dem Publikum aus einer Wollmütze gezogen. Es geht um Mütter, die sich fragen, aus welchem „hässlichen Teil der Gehirnlandschaft“ ihrem jugendlichen Sohn die Idee zugelaufen ist, sich umzubringen. Um hungrige Maden, die sich darüber beschweren, dass Menschen einfach nicht mehr sterben. Oder um die Frage, wie so ein grosser Opa in so eine kleine Urne passt. 

So allgegenwärtig wie der Tod ist auch die Frage nach der Zukunft. Was kann man denn unseren Kindern noch bieten, in einer Welt mit „schäbigen Perspektiven“ wo uns bald „nur noch die Schaben bleiben“? In einer digitalisierten, rationalisierten, oberflächlichen, schein-harmonischen Welt, in der es Sex-Roboter gibt, die lernen wollen, was Liebe heisst. Und in der man sich die Genitalien chirurgisch verschönern kann: Es gibt vierzehn verschiedene Typen von Schamlippen zur Auswahl. Hinter den oft konfusen Geschichten steckt nicht nur viel Galgenhumor, sondern auch eine grosse Portion Gesellschaftskritik.

Die Texte von Loretta Shapiro sind teilweise derb, sie strotzen vor Ehrlichkeit und Unverblümtheit und machen die Sprache spürbar. Durch die experimentelle musikalische Untermalung wird sie noch fassbarer. Die verschiedenen Stücke könnten nicht unterschiedlicher sein. Von lateinischer Gregorianik über stimmverzerrte Roboter-Philosophie zu derartig schnell vorgetragenem Sprechgesang, dass man ihn kaum versteht. Man muss auch nicht alles sofort verstehen. Loretta Shapiro gehen einem definitiv nicht so schnell aus dem Sinn.