Von Fruchtdetektiven und der trüben Unterwasserwelt New Yorks

Am Sonntagabend debattierten die NZZ-Redaktoren Claudia Mäder, Martina Läubli und Thomas Ribi mit Literaturprofessor Philipp Theisohn über lesenswerte Bücher der Saison. Beim ausverkauften «Literarischen Terzett» im NZZ-Foyer wurden nicht nur Bücherempfehlungen ausgesprochen, sondern auch grundlegende und durchaus kritische Fragen diskutiert, welche die neuen Bücher betreffen: Wie viel detailliebende Beschreibungen verträgt ein Roman, ohne überladen zu wirken? Was verrät Autorinnen und Autoren, welche ihr Handwerk am Literaturinstitut in Biel gelernt haben? Was ist überhaupt Geschichte? Und ganz allgemein: Was gefällt?

«Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht.» Mit diesem Satz beginnt der in naher Zukunft spielende Roman von Eckhart Nickel. In Hysteria wird eine Welt beschrieben, welche durch die starke Rückkehr zur Natur geprägt ist und in welcher «Fruchtdetektive» eine wichtige Funktion einnehmen. Es ist dies ein Roman, welcher auf dem Biomarkt beginnt und da auch endet. Da stellt sich die Frage, inwieweit wir möglicherweise selber schon in dieser näheren, vom Öko-Totalitarismus geprägten Zukunft leben. Die Debattierenden waren sich jedenfalls einig, dass Nickels Roman wahrlich einen Lesegenuss darstellt.

Geteilter Meinung war man hingegen bei Eric Vuillards Die Tagesordnung. Das Buch wurde von den Diskutierenden, ähnlich wie in bisherigen Rezensionen, sehr ambivalent aufgenommen. Auf knapp 120 Seiten unternimmt Vuillard den Versuch, zu erklären, wie es zum Zweiten Weltkrieg kommen konnte. Einzelne Szenen fügen sich zu einer scheinbaren Erklärung des grossen Ganzen zusammen. Die Tagesordnung liest sich bisweilen wie eine Art Geschichtsbuch. Es sind hier allerdings Episoden in Hinterzimmern der grossen Politiker beschrieben, welche die historischen Begebenheiten formen. Dies führte die Diskutierenden zu der Frage, was denn Geschichte überhaupt sei. Aber bei derart bedeutsamen Fragen konnte nicht lange verweilt werden, war die Zeit für die Diskussion doch knapp bemessen.

Mit Gianna Molinaris Hier ist noch alles möglich wurde des Weiteren ein Buch besprochen, welches den Anwesenden womöglich am ehesten ein Begriff war, ist es doch eines der Bücher, welches auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises steht und von den Medien hoch gelobt wurde. Das literarische Terzett befasste sich durchaus kritisch mit dem Roman und der Frage, wie viel Konstruiertheit ein solcher denn verträgt. Zur Sprache kam unter anderem das Literaturinstitut in Biel, wo Molinari ihr Handwerk gelernt hat. Die Frage, ob bei solchen Romanen von «Institutsprosa» gesprochen werden darf, konnte lediglich angeschnitten werden.

Mit Jennifer Egans neustem Roman Manhattan Beach kam ein zweites Mal ein Text zur Sprache, welcher sich mit der Vergangenheit beschäftigt. Der historische Roman ist im New York der Dreissiger- und Vierzigerjahre situiert und vereint unterschiedliche Genres. Thema des Buches ist die Kriegszeit, die Emanzipation der Frauen, die Mafia oder auch, und vor allem, das Tauchen in der trüben Unterwasserwelt des Hafens. Und dies ist noch längst nicht alles. Egan hat gründlich recherchiert und in ihrem Roman eine immense Stoffauswahl verarbeitet. Die Debattierenden waren sich einig, dass Egan womöglich zu viele Details in die Geschichte einzuflechten versucht hat. Mit dem Resultat, dass der Text bisweilen überladen wirkt.

Das Festival Zürich liest ist für dieses Jahr wieder Geschichte. Aber die Zürcherinnen und Zürcher lesen weiter. Nun ist es an den Besuchern des Festivals, sich auf die lesenswerten Bücher der Saison einzulassen und sich selber eine Meinung zu den Werken zu bilden.

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