Wortmüll entsorgen

Bei diesem grauslichen Wetter wird man von der feucht-warmen Restaurant-Luft im Karl wie von einer kuschligen Decke empfangen. In dieser gemütlichen Atmosphäre hat Dirk Hülstrunk sein Büro aufgebaut. Ein einfacher Pult, bestehend aus zwei Restaurant-Tischen, bestückt mit einer roten Lampe und einer kärglichen Zimmerpflanze. Dahinter zwei Stellwände, an denen mehrere Kärtchen mit rot durchstrichenen Worten prangen.

Dirk Hülstrunk befreit uns von «überflüssigen Worten». Bei ihm können wir unseren «persönlichen Wortmüll» entsorgen. Und wie man sieht, machen  Besucher*innen von Zürich liest fleissig Gebrauch von dieser Möglichkeit: Hass – durchgestrichen, einige – durchgestrichen, Tussi – durchgestrichen,  nämlich – durchgestrichen.

Mit dem Wort prüfungsrelevant beteilige ich mich am gemeinsamen Worte-Entsorgen. Mit Unterschrift und Stempel bestätige ich meinen Beitrag. Endlich bin ich von den nervenden Nachfragen «Ist das prüfungsrelevant?» zahlreicher Kommiliton*innen, die scheinbar ihr gesamtes Interesse am Stoff nach der Antwort auf diese Frage richten, erlöst. Ein befreiendes Gefühl. Zum Austausch bekomme ich gratis ein Wort als Ersatz zurück. Ganz frisch und unverbraucht lacht mir das Kunstwort Felifädön von der ausgeteilten Karteikarte entgegen. Was ich damit anstelle, steht mir frei.

Hülstrunks «Büro für überflüssige Worte» regt zum Nachdenken an. Können wir uns zusammen mit dem Wortmüll auch von unliebsamen Tatsachen verabschieden? Wäre die Welt besser dran ohne gewisse Worte? Gibt es überhaupt überflüssige Worte? All diese Fragen lassen uns über Sprache diskutieren und regen dazu an, das eigene Reden zu überdenken. In unserem von Informationen überfluteten Alltag und in der oft bürokratisch durchorganisierten Schweiz keine schlechte Idee.

 

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