Ein Plädoyer für das Primat der Sprache

Die Einführung zu Lukas Bärfuss stellte den Autor als einen public intellectual vor, der nicht nur im Literarischen seine Stimme an die Öffentlichkeit trägt, sondern sich auch sonst gerne in verschiedenste Diskurse einmischt. Den Beweis dafür lieferte Bärfuss gleich in seinen eröffnenden Worten: gefragt, ob er die Zentralbibliothek häufig besuche, rühmte der Schriftsteller die Möglichkeiten und Privilegien, welche die Freihandbibliothek bietet, und appellierte daran, davon Gebrauch zu machen. Er selbst ginge jeweils durch die Gänge und greife sich einfach ein Buch heraus, um aus seiner Bubble herauszugelangen.

Bärfuss verriet im Gespräch mit Moderatorin Martina Läubli, wie er zum Schriftsteller wurde. Alles beging ganz einfach: mit einer Behauptung. Einer Vorstellung. Und damit auch einem Ziel. Mittlerweile ist Schreiben für Bärfuss «eine Existenzform, eine Art, sich zur Welt zu verhalten», wie Läubli es formulierte. In diesem Sinne ist Schreiben für den Autor keine einsame Arbeit. Vielmehr tritt Bärfuss in ein Verhältnis mit einem Gegenüber, welches er sich erschafft. Im Zwiegespräch mit seinem Bewusstsein, macht der Autor die Beziehung zwischen dem Selbst und der Welt für das Schreiben fruchtbar.

Im Rahmen der Veranstaltung las Lukas Bärfuss zwei Geschichten aus seinem Erzählband Malinois vor. In der ersten, mit dem Titel Safety First oder Etwas über die Lüge, geht der Autor der Relativität der Lüge nach, die je nach Standpunkt anders bewertet werden muss. In einer guten Erzählung, so der Schriftsteller, heben sich Lüge und Wahrheit gegenseitig auf. Im Zentrum eines Textes steht nämlich seine Anschaulichkeit. Gute Geschichten enthielten ihre eigene Wahrheit, meinte der Schriftsteller.

Der zündende Funke für eine Erzählung ist für Bärfuss ein Gefühl, ein Bild oder ein Problem, das ihn nicht loslässt. Um herauszufinden, was ihn daran herumtreibt, erkunde er die eigene Vorstellung mittels Sprache. Aus dem Fortgang des Gesprächs zog Bärfuss die Erkenntnis, dass er eigentlich einen Text verfassen müsste über den grossen Einfluss, den Sprache und Vorstellung auf unser Bewusstsein haben. Pointiert meinte er: «Alles, was ist, war zuerst eine Vorstellung, ein Gedanke – dieser Raum, alle Kleider, die wir tragen, und so weiter!» Besonders der Umstand, dass die Wichtigkeit von Sprache und Vorstellung kaum Teil des Allgemeinwissens sei, schockierte den Wortkünstler; gerade in Zeiten von politischer Manipulation und Fake News.

Die Lesung führte vor, wie wichtig die klangliche und rhythmische Komponente seiner Geschichten für Bärfuss sind. Die Texte des Büchner-Preisträgers entwickeln eine eigene Dynamik, in denen Bilder aufscheinen, sich verwandeln, vorbeiziehen. Zurück bleibt dennoch eine gewisse Spannung und Rätselhaftigkeit, denn «nur so bleibt etwas zum Nachdenken übrig».  

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