Frankensteins Kreatur, Alexas gruseliges Lachen

Wie werden wir in Zukunft künstlich erschaffenen Wesen begegnen? Müssen wir für künstliche Intelligenz neue Rechte einführen? Was unterscheidet uns Menschen überhaupt von diesen neuen Schöpfungen – und werden sie sich eines Tages gegen uns wenden? Ich muss gestehen, dass ich möglicherweise zu viele Science Fiction-Geschichten gesehen oder gelesen habe. So sinniere ich gerne über diese wichtigen Fragen, welche die Zukunft der Menschheit betreffen.  

Aus diesem Grund verschlägt es mich am Freitagabend zum Strauhof in die Führung durch die Ausstellung „Frankenstein. Von Mary Shelley zum Silicon Valley„. Dort erläutert Rémi Jaccard, Co-Kurator der Ausstellung, zunächst die verschiedenen Räume. Drei Schöpfungsgeschichten werden behandelt: Die Erschaffung von künstlicher Intelligenz, die Entstehung von Mary Shelleys Roman „Frankenstein“ und zu guter Letzt natürlich die Entstehung der namenlosen Kreatur, welche durch Victor Frankenstein zum Leben erweckt wird. Bereits 200 Jahre sind vergangen, seit Shelley, damals noch nicht einmal 20 Jahre alt, die damals neuste wissenschaftliche Forschung mit Grundzügen einer Geistergeschichte verbunden hat. „Frankenstein“ gilt heute als Beginn der Science-Fiction.

Inzwischen sind wir bereits so weit, dass sogenannte Chatbots miteinander kommunizieren können. Oft sind die entstehenden Konversationen so täuschend authentisch, dass man sie für menschliche halten könnte. Wer möchte, kann sich in der Ausstellung auf eine Unterhaltung mit den Chatbots oder mit „Alexa“ einlassen. Jaccard erklärt, dass sich Menschen im Umgang mit künstlicher Intelligenz oftmals aggressiv verhalten und ihr künstliches Gegenüber provozieren oder gar beleidigen. Man wolle schauen, wie weit man bei diesen Systemen gehen kann. Die Teilnehmerinnen der Führung (allesamt weiblich) hören aufmerksam zu, während ich etwas betreten zu Boden blicke. Ich fühle mich ertappt. Die seltenen Fälle, in denen ich mich auf ein Gespräch mit Alexas Kollegin „Siri“ eingelassen habe, sind durchaus nicht positiv verlaufen.

Weisse, geometrisch abstrakte Körperteile aus dem 3D-Drucker ziehen sich wie ein Leitfaden durch die Ausstellung. Die verschiedenen Teile sind zwar vorhanden, aber noch separat verteilt. Jaccard erläutert, dass dies gewissermassen den Stand der künstlichen Intelligenz veranschauliche. In manchen Gebieten ist sie dem Menschen durchaus schon überlegen, in anderen Bereichen gar nicht. Die Meinungen zur künstlichen Intelligenz sind zweigeteilt und muten einmal dystopisch, einmal utopisch an. Helfer oder Feind? Unsere neuen Schöpfungen werden unsere Welt auf jeden Fall unwiderruflich verändern. Die Begegnungen mit künstlicher Intelligenz werden uns auch über die Menschheit an sich nachdenken lassen.

Während wir die Treppe hinauf in den ersten Stock gehen, begleitet uns das unheimliche Lachen Alexas. Ausgelöst durch eine Fehlfunktion, lacht Alexa bisweilen selbständig mitten in der Nacht los. Jaccard erklärt, dass künstliche Intelligenz auch mal unkontrollierbar sein kann, und schlägt so den Bogen wieder zu „Frankenstein“, wo dies sehr deutlich zur Sprache kommt. Die Erzählung um den Wissenschaftler und seine Schöpfung hat nie an Aktualität verloren. Heute stellt sich mehr denn je die Frage, was geschieht, wenn entscheidende Fragen nicht beantwortet werden, bevor das Werk vollendet ist. Was wäre eigentlich passiert, hätte sich Frankenstein auf die Versuche seiner Schöpfung, ihm zu begegnen, eingelassen?

Die Ausstellung verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch Text, Bild, Video und Audio können sich die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung ein Bild der drei Schöpfungsgeschichten machen und die künstliche Intelligenz sogar selber testen (aber bitte nicht zu aggressiv). Nachdenklich und mit noch mehr Fragen im Kopf verlasse ich den Strauhof. Ein Besuch in der Ausstellung, welche noch bis zum 13. Januar zu sehen ist, lohnt sich auf jeden Fall.

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