«Einfach schreiben» – ein Selbstversuch

oder: Wenn zwei dasselbe tun, ist es nicht dasselbe.

Kreatives Schreiben ist in, also nichts wie hin! Da von der GeschichtenBäckerei des Ehepaars Kasperski schon einmal in unserem Blog berichtet wurde, komme ich ohne Umschweife gleich zur Sache: Zwei Blogger*innen sitzen (zufälligerweise) am selben Tisch mit drei anderen Schreibwilligen und versuchen sich in kreativem Schreiben nach dem Motto «Wir schreiben eine Geschichte als Geschenk». (Der andere Bericht war ebenfalls hier zu lesen.)

Eine originelle, motivierende Aufgabenstellung; da ja kann nichts schiefgehen. Ich schreibe schliesslich die ganze Zeit, also kann ich schreiben, wenn es sein muss auch kreativ. Nun, ganz so einfach ist es nicht. Vor einem leeren Blatt zu sitzen mit nichts als guten Vorsätzen, ohne etwas, wovon man berichten oder was man besprechen soll. Schrecklich! Oder doch nicht? Schliesslich ist da der Profi-Schreiber mit seinen guten Tipps und Strategien, um deretwillen wir doch gekommen sind. Und wir werden tatsächlich nicht enttäuscht. 

Nach grundlegenden, aber noch nicht so weltbewegenden Überlegungen zu Aspekten wie Adressat, Genre, Erzählperspektive und, schon interessanter, «Betriebstemperatur» des Textes dann die erste Knacknuss, bei der Kasperski seine ganze Erfahrung ausspielen kann: die Wahl des Themas. Hier helfen ein kleines Spiel mit Buchstaben und Assoziationen sowie die wahrlich glorreiche Idee, auch das total Unerwartete oder Schräge in Erwägung zu ziehen. Und es funktioniert. Damit ist es natürlich nicht getan, und bei aller Ermutigung macht Kasperski klar, dass eine fertige Geschichte in 90 Minuten ein (zu) ambitioniertes Vorhaben ist. Aber immerhin, ist der sprichwörtlich schwierige Anfang gesetzt, beginnen die Idee zu sprudeln. Ich habe es versucht, die Geschichte geht weiter, und glauben Sie mir: Schreiben: einfach.

Ein Land von Haarflüchtlingen

Jetzt wissen wir, was Isländer auszeichnet (wenigstens die Männer…): Als Nachkommen der Flüchtlinge vor dem Wikingerkönig Harald Schönhaar seien sie allesamt Haarflüchtlinge, meint der glatzköpfige Isländer Hallgrìmur Helgason. Damit ist auch gesagt, dass der «perfekte Isländer» (O-Ton Hallgrìmur Helgason) Joachim B. Schmid mit seinem Haarrest vielleicht halt doch nur ein halber Isländer ist. Das Publikum war aber nicht ins Zentrum Karl der Grosse gekommen, um etwas über die Haartracht der Isländer zu erfahren. Einen Einblick in den besonderen isländischen Humor hat man mit dieser launigen Episode aber schon mal gekriegt. Selbstverständlich ging es um Bücher, um die neuesten Publikationen der beiden Autoren: 60 Kilo Sonnenschein von Hallgrìmur Helgason und Kalmann von Joachim B. Schmid, vorgestellt und moderiert von der Islandistin Ursula Giger.

Hallgrìmur Helgason liest kurzerhand aus der isländischen Originalausgabe seines ausladenden Romans. Die Gefühle angesichts eines Textes in einer unverständlichen Fremdsprache sollte sich als nützlich erweisen, wenn es später darum geht, die Reaktionen von Jaochim B. Schmids als Neu-Isländer zu verstehen. Da das Buch eine Art «All-in-One-Geschichtsbuch» Islands ist, erzählt aus der Perspektive eines Fjordbewohners vor dem Heringsboom, war isländische Geschichte omnipräsent. Die Schneedecke als unbeschriebenes Blatt am Anfang des Buches, auf welches Geschichte geschrieben wird, ist ein wunderbares, genuin isländisches Bild, das viel über das Nationalbewusstsein aussagt. Die Isländer*innen, da waren sich alle einig, verstünden sich heute noch manchmal als Kurzzeit-Gäste in ihrem eigenen Land, als Bewohner*innen eines gigantischen Zeltplatzes. 

Bei Joachim Schmids Buch drängt sich für die Lesenden die Frage auf, ob Kalmann wirklich ein Krimi sei oder nicht, oder vielleicht sogar ein missratener Krimi? Wie erwartet, meint Schmid: eher ein Portrait als ein Krimi. Die lesende Person niste sich im Kopf von Kalmann ein. Man solle ihn zuerst ruhig unterschätzen, um dann zu merken, was wirklich in ihm stecke, auch wenn ihm oft die Worte fehlten und die Sprache bewusst unbeholfen sei.

Als Schmid gefragt wird, was er dazu sage, von einem Isländer als echter Landsmann bezeichnet zu werden, blitzt wieder (schweizerisch-)isländischer Humor hervor: Seine schönste Zeit sei diejenige am Anfang gewesen, als er noch kein Isländisch verstanden habe. Daraus sei dann nach und nach eine gewisse Hassliebe geworden – ganz isländisch, meint doch ein geflügeltes Wort, die Isländer seien nirgends so glücklich wie am Flughafen Keflavik: Verlassen sie doch gerade das Land, das sie hassen, oder aber kehren zurück in das Land, das sie lieben.