«May the sun shine warm upon your face, and rains fall soft upon your fields»

Kein Regen fällt vor den offenen Fenstern, dafür klingt ein irischer Segen durch den Raum. Die Worte wecken in mir die Erinnerung an weiche, grüne Felder und scharf abfallende Klippen, die ich vor nicht allzu langer Zeit selbst einmal besucht habe. Allerdings fiel in jenem Sommer fast kein Regen. Es sei einer der heissesten Sommer seit langem gewesen, erzählten mir damals einheimische Iren. Vieles in Seraina Koblers noch unveröffentlichtem Debut kommt mir deshalb seltsam vertraut vor. Ihr Roman handelt von einer Liebesgeschichte: Anna und David wollen ihr Leben zusammen verbringen, doch das Kind, das Anna in sich trägt, stammt nicht von David. Der erste Streit beginnt, und eines Tages ist David nicht mehr da. Im Sommer der Städte herrscht unerträgliche Hitze, also flüchtet man in die Berge. Doch dort gibt es Steinschläge. Vögel fallen vom Himmel. Und dann ist da noch der Regen, der im Verlauf der Geschichte immer mehr versiegt.

Die Journalistin und ehemalige NZZ Redakteurin bemerkt während der Lesung einmal, der Spruch, wonach die Gegenwart den Journalisten und die Vergangenheit den Dichtern gehöre, habe sie dazu verleitet, ihren Text vom Präsens in die Vergangenheit zu setzen. Allerdings streift sie mit ihrer Geschichte in der Tat brisante, aktuelle Themen. So klingt das in der Schweizer Gegenwartsliteratur sehr präsente Motiv der ‚verschwindenden Männer‘ ebenso an wie die drohende Klimakatastrophe. Sonst ist der Schreibprozess das grosse Thema des Abends, hält die Autorin vor uns auch kein frisch gedrucktes Werk, sondern eine Arbeitsmappe in den Händen. ‚Work in progress‘, sozusagen. Grosse Recherchearbeit hat sie betrieben und mit Klimahistorikern gesprochen, ganz in journalistischer Manier. Nichts in ihrem Roman sei erfunden, alles habe sich in Europa so einmal zugetragen. Tatsächlich soll es schon im Mittelalter einst eine Dürre gegeben haben, dass Seen kein Wasser mehr enthielten. So berühren sich in Koblers Geschichte Vergangenheit und Gegenwart. Doch wie sieht wohl die Zukunft aus? Wieso verschwindet David und wie wird Anna mit ihrem noch ungeborenen Kind in dieser überhitzten Welt leben? Der Abend hat mich neugierig gemacht. Ich freue mich auf eine baldige Veröffentlichung – und hoffe stets auf Regen.