Mann in Amerika

«The most eminent living man of letters», schreibt die New York Herald Tribune über Thomas Mann 1934. In seinen Exiljahren 1938 bis 1952 in Amerika ist der deutsche Schriftsteller ein gefeierter Mann, geniesst wohlwollende öffentliche Aufmerksamkeit. Seine Werke verkaufen sich gut. Präsident Roosevelt und seine Frau frühstücken mit ihm. Mann ist geschmeichelt, doch trägt er eine schwere Last in sich. Mit tiefgreifendem politischem Engagement – mit Vortragsreisen, via Radio, mithilfe von öffentlichen Briefen und literarischen Werken – versucht er, wie auch seine Familie, die Welt, und insbesondere Deutschland, vor dem Nationalsozialismus zu warnen. Er kämpft für die Demokratie in Europa, setzt sich für Frieden und Humanität ein.

Das Museum Strauhof in der Augustinergasse zeigt bis am 19. Januar 2020 die Ausstellung «Thomas Mann in Amerika».

Das Museum Strauhof widmet dem emsigen Treiben Thomas Manns in Amerika bis am 19. Januar 2020 eine Ausstellung. Diese lässt Thomas Mann seine Exiljahre gleich selbst erzählen. Seine Tagebücher, akribisch geführt, vermitteln chronologisch einen Eindruck vom Entzug seiner deutschen Staatsbürgerschaft 1936, über seine Zeit in den Staaten bis zu seiner Rückkehr in die Schweiz. Darin finden sich Alltäglichkeiten, Reflexionen über sich selbst, Notizen über die Familie oder das literarische Schaffen, aber auch Pläne zur Abreise nach Amerika, Gedanken zu den Vorgängen in Deutschland und den politischen Ereignissen. 

Was für ihn das Exil erträglicher machte, war die Vergegenwärtigung der grausamen Lage in Deutschland und die Gewissheit, dass er die wahre deutsche Kultur stets in sich getragen und nicht zurückgelassen habe. «Wo ich bin, ist Deutschland», sagte Mann in einem Interview in der New York Times 1938. In Amerika repräsentierte er als Autor und Intellektueller die deutsche Kultur und die Nation. Vermehrt wurde er auch als Politiker wahrgenommen. 

Im Zentrum der Ausstellung steht aber auch seine Familie. Denn seine fünf Kinder haben massgeblichen Einfluss auf Mann, drängen ihn zur Stellungnahme gegen den Nationalsozialismus, reisen selbst durchs Land, halten Vorträge und Reden und geben Interviews im Kampf gegen die Nazi-Diktatur. Auch seine Frau Erika und sein Bruder Heinrich sind wichtige Konstanten an seiner Seite. Dass ihnen Raum in der Ausstellung zugestanden wurde, ist berechtigt. Sie vermitteln einen noch wenig bekannten Zugang zum Literaturnobelpreisträger.

Thomas Mann wohnte zuerst in Princeton, New Jersey, dann in Pacific Palisades im Bundesstaat Kalifornien. Für seine Vorträge und Reden unternahm er aber weite Reisen im ganzen Land.

Auch seine drei Werke («Joseph, der Ernäherer», «Doktor Faustus», «Der Erwählte»), die in diesen Jahren entstanden sind, werden eingeordnet. Der Beitrag zu den Romanen hätte aber noch der vertiefter Auskunft bedarft: Die an der Wand aufgeklebten Hauptinformationen dazu gehen kaum über eine Zusammenfassung hinaus, die weiterführenden losen Tafeln sind ein wenig unübersichtlich. Dafür wird seiner monatlichen BBC-Rundfunksendung «Deutsche Hörer!» viel und multimediale Aufmerksamkeit gewidmet. In Amerika fand er die Gedankenfreiheit und das Recht auf Meinungsäusserung, die ihm in Deutschland verwehrt wurden. So konnte er in 55 Radioansprachen das Kriegsgeschehen und die politische Lage in Deutschland aus seiner distanzierten Perspektive kommentieren.

Thomas Mann war gut befreundet mit Albert Einstein, den er in Princeton kennengelernt hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeichnet sich langsam die kommende antikommunistische und von Denunziationen und Verschwörungstheorien geprägte Politik der McCarthy-Ära ab. Mann kehrt 1952 in die Schweiz zurück, nicht zuletzt, weil seine Familie in den Fokus der Untersuchungen des Komitees für unamerikanische Umtriebe kommt.

In einem Brief an Hermann Hesse schrieb Thomas Mann 1945, er wolle für seinen Teil zur «Politisierung des Geistes» beitragen. Die Ausstellung im Strauhof zeigt, dass Mann seine gesellschaftspolitische Verantwortung als Schriftsteller wahrgenommen hat und er keineswegs auf eine ausschliesslich literarische Tätigkeit reduziert werden kann.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.