Der Klang von Decke und Decke

Gesprächsfetzen in Französisch, Italienisch, Deutsch schwirren durch den Kreuzsaal. Vorne auf der Bühne richten sich die Übersetzerin Barbara Sauser und der Moderator Renato Weber ein. Der Saal füllt sich.

Sauser übersetzt eine grosse Vielfalt unterschiedlicher Genres von literarischen Werken und Sachbüchern über Untertitel von Kinofilmen, bis hin zu Werken der Weltliteratur für Deutschlernende.

Zwei Sätze aus ihrem kürzlich übersetzten Roman Drei Lebende drei Tote ploppen auf der Leinwand auf. Die Autorin Ruska Jorjoliani schrieb sie auf Italienisch. Aus «Fissando il soffitto con le braccia fuori della coperta» wird im Deutschen in einer ersten Version «er starrte die Decke an, die Arme über der Decke ausgestreckt». Sauser erklärt, wie sie mit Knacknüssen umgeht, wie sie mit Wörtern spielt. Die Wiederholung der Decke wird in der Übersetzung elegant durch Laken ersetzt. Nur entsteht dadurch noch ein A mehr, was Sauser nun klanglich nicht überzeugt. Verschiedene Versionen werden ausprobiert, der Satz mehrmals umgestellt. So ist jede Übersetzung eine Gleichgewichtsarbeit, in der Inhalt, Klang und syntaktische Umschichtungen ausbalanciert werden müssen. Im Saal erhält Sauser zustimmendes Gemurmel und der Herr neben mir nickt eifrig. Die Übersetzerinnen und Übersetzer im Saal wissen, wovon Sauser spricht. Überhaupt geht es in Übersetzungen darum, den richtigen Klang zu finden. Anfangs ist es ein Abtasten und Ausprobieren. Nach 20 bis 50 Seiten hört Sauser ihn raus und ab dann fliesst die Übersetzung. In literarischen Texten lässt sie nichts aus, übersetzt jeden Schlenker. In Sachtexten hingegen zählt der Inhalt und da glättet sie schon mal eine Passage – «unterschiedliche Heiligkeiten», wie Sauser schmunzelt.

Überflüssig werden Übersetzerinnen und Übersetzer genau darum nicht, auch wenn es schon sehr gute Übersetzungsprogramme gibt. Der Moderator verwendet mehrmals Handwerk, wenn es um die Übersetzungsarbeit geht. Irgendwann greift Sauser ein und bringt auch Kunst ins Spiel. Die Kunst, Romane zu schreiben, überlässt sie jedoch lieber anderen. Somit ist zum Schluss auch die Frage geklärt, ob sie selbst ein Buch schreiben möchte: «Ich bin froh, wenn ich kein weisses Blatt vor mir habe»

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