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Eleganz als Selbstzweck

Mit ihrem Band «Gedankenspiele über die Eleganz» veröffentlicht Ilma Rakusa einen literarischen Essay, der die begriffliche Erörterung der ‹Eleganz› in ein poetisches Verfahren überführt und seine Leser:innen raffiniert zu verführen weiss.

Von Kora Schild
17. Januar 2022

Nomen est omen

Gedankenspiele über die Eleganz beginnt mit einer Einführung in der Art, wie man sie von einem Essay erwartet: Der Begriff der ‹Eleganz› wird in seiner Etymologie nachgezeichnet, psychologisch und soziologisch eingeordnet und zuletzt im kulturhistorischen Kontext verortet. Darauf folgen mehrere kurze Kapitel, die allesamt aufzeigen sollen, was die Eleganz in ihrer Begrifflichkeit zusammenhält. So wird sie dargestellt als eine Symbiose aus Leichtigkeit und Einfachheit, sie bedingt Geschmack und Anmut und entsteht aus Natürlichkeit. All dies muss in einem feinen Zusammenspiel (letztes Kapitel) wirken. Was die Einführung sezierend freilegt, bleibt nur vermeintlich analytisch im Hauptteil; ja, verflüchtigt sich im Rest des Buches sogar mehr und mehr, indem die Autorin jene Verfahrensweise durchbricht und in ein literarisches Narrativ überführt. Wie ein leichtfüssiger Tanz bewegt der Text sich etwa mithilfe von Gedichten grosser Schriftsteller selber elegant über die Seiten.

Eine atmosphärische Findung

Ilma Rakusa schreibt von diesem geheimen Etwas, das in uns allen angelegt ist, wir aber – bedauerlicherweise – im Laufe der Zeit verloren hätten. Eleganz sei «kunstvolle Einfachheit», ein «ästhetisches Verhältnis zur Welt» und werde durch den momentan drängenden Wunsch nach Authentizität abgelöst. Diese Essenz des Textes ist es vielleicht, die nach Weglegen des Buches wirklich bleibt. Begründet wird aber keine ihrer Thesen. Vielmehr lässt sie diese Essenz in ihre Sprache einfliessen, der eine «artifizielle Natürlichkeit» eigen ist. Ihrer Selbstbezeichnung als Reduktionistin folgend verzichtet sie auf pompöse Ausschmückungen und bleibt unangestrengt, einfach und gleichwohl schöngeistig. Sie ‹beschmutzt› sich gewissermassen nicht mit dem Alltag – auch wenn sie gerade zu Beginn dafür plädiert, Eleganz auch da mehr einfliessen zu lassen –, sondern sie schwebt immer etwas über dieser «Banalität». So wirkt Ilma Rakusas Schreiben auch mehr wie eine atmosphärische, assoziative Findung: Indem sie performativ tut, wovon sie spricht – nämlich «elegant sein» –, schenkt sie uns durch die subtilen Sprachspiele, die sie bewusst orchestriert, eine ästhetische Erfahrung.

Eleganz als «L’art pour l’art»

Eleganz kommt jederzeit leicht daher, sie findet nur vermeintlich in Mode, aber in Wirklichkeit im Stil ihren Ausdruck und sie ist in verschiedensten Lebensbereichen präsent. Viel gäbe es, was Ilma Rakusa uns über Eleganz hätte erzählen können, trotzdem lernen wir kaum etwas Neues über diesen Begriff. Diese Erwartung erfüllt Ilma Rakusa also nicht, und zwar zurecht, denn sonst verlöre das Buch gerade das, was es zelebriert: seine schlichte Eleganz. Dieses Buch liest man also besser nicht als das, was es sein könnte, nämlich einen ausführenden Essay über den Begriff der Eleganz, sondern als das, was es ist: ein geschickt in eine essayistische Hülle verpacktes, sehr lesenswertes rhythmisches Spiel, das etwas zauberhaft Ephemeres hat. Übrig bleibt in der Denkweise des «l’art pour l’art» eine Eleganz als Selbstzweck, eine Eleganz als poetisches Selbstverständnis.

Ilma Rakusa: Gedankenspiele über die Eleganz. 46 Seiten. Graz: droschl 2021, ca. 15 Franken.