Klunker, Knast und Knarren – im Krimitram mit Isabel Morf

Etwas Nebel wäre gut gewesen, denke ich, als ich am Bellevue ins Tram steige, oder wenn die Lesung bei Einbruch der Dunkelheit stattgefunden hätte. Oder in einem der älteren Trams, das in jeder noch so flachen Kurve gequält in den Gleisen kreischt. Das wäre eine angemessene Kulisse gewesen für eine Krimi-Lesung. Doch Zürich zeigt sich an diesem Sonntag in schönstem Herbstwetter, Familien flanieren an der Limmat und gönnen sich eine Packung dampfender Marroni.

Im vorderen Teil des Trams ist ein Pult aufgebaut, an dem die Autorin aus ihrem neuen Roman «Ein perfekter Mord» liest. Wir verlassen also das Bellevue und lassen uns im Tram nach Altstetten und von Isabel Morf in die Welt ihrer Protagonistin Kassandra Buchstab tragen, die Krimiautorin und Detektivin in einem ist und plötzlich von ihrer Vergangenheit als Mörderin eingeholt wird.

Das herbstliche Familien-Ausflug-Wetter stellt sich als gar nicht so unpassend heraus für die Passagen, die Isabel Morf vorträgt. Viel Doppelbödigkeit ist in dem Plauderton, den Morf ihrer Protagonistin verleiht, nicht zu finden. Diese berichtet uns frisch von der Leber weg, wie sie einen ihrer Fans umgebracht habe, damit dieser ihre geheime Identität als Putzkraft nicht auffliegen lasse. Die Sprache ist eigentlich ganz kurzweilig, aber echte Spannung kommt durch den ironisch-geschwätzigen Ton der Hauptfigur nicht auf, auch als diese gefesselt in ihrer Wohnung liegt.

Oder hat diese Figur doch etwas zu verbergen? Kann man einer Figur trauen, die es scheinbar nicht allzu verwerflich findet, dass ihre Mordtat ihr zu Ruhm als Krimiautorin verholfen hat? Spielt sie am Ende doch ein Spiel mit den Leser*innen und versucht, sie auf ihre Seite zu ziehen? An diesem Tag kann ich Kassandra Buchstab nicht mehr durchschauen, denn das Tram ist wieder am Bellevue angelangt und entlässt uns in den Herbstabend.

Für uns bei «Zürich liest»: Livia Sutter

Livia hat geglaubt, dem Landleben endlich entkommen zu sein. Und jetzt gibt ihr Franz Hohler Anlass zur Sorge, dass Flora und Fauna sie bis in die Stadt verfolgen könnten und man Zürich 40 Jahre nach der „Rückeroberung“ wieder mit der wilden Natur teilen muss.

Darum wird sie sich zu Isabel Morf ins Krimitram retten, und sollten auch dort Wölfe und andere finstere Gesellen lauern, wird sie sich einfach eine VR Brille aufsetzen und fortan nur noch in virtuellen Räumen leben – zumindest für die Dauer von „Zürich liest“.