Eine literarische Tavolata

Unser Kaviar sind Balsamicokügelchen. Balsamicokügelchen, die bestimmt auch Sylvia Plaths Esther Greenwood überzeugt hätten, meint Nicole Giger. In Ferrante, Frisch und Fenchelkraut kocht sich Nicole Giger durch die Weltliteratur. In ihrem Buch finden sich aus literarischen Werken inspirierte Rezepte, kulinarische Zitate und Geschichten aus Büchern und Briefen von Jane Austen bis Virginia Woolf sowie persönliche Anekdoten. Heute stellt sie uns in einem literarischen Lunch ihr Buch vor. Als Erstes wird uns ein Apéro serviert, Socca mit Spinathummus, Radieschen und Balsamicokügelchen. Dazu liest uns Nicole Giger einen Auszug aus Sylvia Plaths The Bell Jarvor, in dem Esther Greenwood bei einem Empfang so viel Kaviar wie möglich zu essen versucht und erzählt uns vor diesem literarisch-kulinarischen Hintergrund auch von ihren persönlichen Apéro-Helden und der Schweizer Apéro-Kultur.

Socca mit Spinathummus und Balsamicokügelchen

Als Nächstes teilen wir einen Linsensalat mit ofengerösteten Baharat-Karotten, einen Randen Pie und eine Kürbis-Amaretti-Lasagne. Bei ihrem mit Nüssen und Kernen angereicherten Linsensalat bezieht sich Nicole Giger auf Günter Grass, der Linsen und Glück beinahe gleichstellt. Beim Randen Pie kommt George Orwell zu Wort und mit ihm die englische Küche. Die Kürbis-Amaretti-Lasagne wiederum lässt Erinnerungen an italienische Stadtfeste und ein bisschen auch an Grossmütter wach werden. 

Linsensalat mit ofengerösteten Baharat-Karotten

Nicole Giger erklärt, dass Kochen für sie nicht nur eine Mengenangabe und Essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist. Sie interessiert sich für die Geschichten hinter den Gerichten und versteht Essen auch als Einblick in fremde Kulturen, als Auseinandersetzung mit fremden und eigenen Traditionen oder als Eisbrecher und Verständigung über alle Sprachbarrieren hinweg.  

Die Einblicke in die Weltliteratur und die Anekdoten von Nicole Gigers kulinarischen Reisen inspirieren uns wiederum zu eigenem Erzählen. Wildfremde Menschen sitzen sich bei dieser Tavolata gegenüber und unterhalten sich über ihre Familien, über Lebenswege und über selbstgemachten Quittenschnaps. Auch ich bin einmal mehr fasziniert von den besonderen Qualitäten von geteiltem Essen und Literatur. 

Beim Dessert kommt Gigers Freude am Kreieren noch einmal zum Zug. Ausgehend von mittelalterlichen Quittenrezepten und ermuntert von Goethes und Schillers Vorliebe für Quittengelee und Quittenbrot interpretiert sie eines der Kuchenrezepte neu und kreiert ein eigenes Quitten-Pekan-Crumble. In dieser Form zeigt sich das Kochen als Kunst und individueller Ausdruck von Kreativität. 

Nicole Gigers literarischer Lunch ist eine liebevoll gestaltete Veranstaltung und Ferrante, Frisch und Fenchelkraut weit mehr als nur eine Sammlung von Rezepten. 

Kürbis-Amaretti-Lasagne

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