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«Wir sitzen alle auf dem Rücksitz»

Matto Kämpf gibt in seinem dritten Roman «Suppe Seife Seelenheil» das Steuer aus der Hand und dafür erzählerisch einmal mehr Gas.

Von Joëlle Bischof
29. November 2022

Der Berner Autor, Theater- und Filmemacher Matto Kämpf besegelt seit Jahren als einsamer Korsar die Meere der komischen Schweizer Literatur. Wie sich nicht erst an seinem Punkroman «Tante Leguan» erkennen liess, hat er sich unterwegs von seinen teutonischen Vorläufern aus der «Neuen Frankfurter Schule» dabei nicht zuletzt die Erkenntnis zueigen gemacht, dass die literarische Komik der Gegenwart ihre Energie aus der Überführung kapitalistischer Karrieren in Exzesse des gepflegten Stillstands bezieht. So durchlebt auch in seinem neuen Roman «Suppe Seife Seelenheil» die Hauptfigur zwar keine Entwicklung, führt uns jedoch auf rund 100 Seiten eine nachvollziehbare, oftmals tragikomische Gefühlswelt vor. Das weckt in den Leser:innen den natürlich folgenlosen Wunsch, der Hauptfigur eine neue Perspektive in ihrem Leben aufzuzeigen.

Zum Autor

Matto Kämpf, 1970 geboren in Thun, lebt als Autor und Schauspieler in Bern, war Mitglied im Spoken-Word-Trio «Die Gebirgspoeten» und ist Teil der Quasi-Band «Trampeltier of Love». Neben seiner Tätigkeit bei Theater- und Fernsehproduktionen (etwa «Experiment Schneuwly») ist Kämpf spätestens seit seiner 2014 erschienenen Erbauungsschrift «Kanton Afrika» auch im Literaturbetrieb ein Begriff. 2016 veröffentlichte er sein «Sammelsurium» «Heute Ruhetag», 2018 legte er mit «Tante Leguan» einen Punkroman vor, dem 2022 der Roman «Suppe Seife Seelenheil» folgte.

Diese Hauptfigur ist ein Mann. Ein Mann, in seinem besten Alter – und damit bereits tot, wie Matto Kämpf formuliert und jedem Leid etwas Lustiges abzugewinnen vermag. Ein Mathematiklehrer, der sein Bier nur mit dem Strohhalm trinkt und nicht mehr viel mit seinem Leben anzufangen weiss ausser auf seine Pensionierung zu warten:

«Männer leben in einem Abenteuerfilm. Einem Abenteuerfilm ohne Abenteuer. Piraten der Karibik. Ohne Piraten und ohne Karibik.» Diese kurzen, oftmals spruchreifen Sätze besitzen einen hohen Unterhaltungsfaktor. Hinzu kommen die Zeichnungen im Roman, die einen gewitzten, aber zugleich auch häufig betont zusammenhanglosen Kontext liefern. Auf einer Seite findet sich zum Beispiel eine «Mehrzweckqualle» und auf einer anderen ein «Igel mit Überschall».

Suchen statt finden

Die Hauptfigur des Buches irrt zwischen Bosnien und Serbien umher, um am Ende auf einer Polizeistation in Sarajewo zu landen. Ein Spannungsbogen kommt in der Geschichte jedoch nicht zustande, genauso wenig wird eine zeitliche Einordnung möglich. Kein Finden, nur zielloses Suchen.  Dem entspricht die Form: Die Geschichte ist in der Du-Form geschrieben. Somit löst sich an gewissen Stellen sogar die Erzählperspektive auf, da nicht nachvollzogen werden kann, an wen sich die direkten Reden richten. Das sind die Momente, wo der Plot noch stärker aufgebrochen wird, was das Bedürfnis weckt, selbst ins Lenkrad der Geschichte zu greifen.

Die existenziellen Fragen des Buches sind solche der Bequemlichkeit und der Trägheit, die sich mit zunehmenden Alter einschleichen. Obwohl sich an manchen Stellen im Buch tiefgreifende Beobachtungen über identitätsstiftende Fragen und kulturelle Unterschiede ankündigen, kommen diese zu kurz, um aus der Verzweiflung des Mannes weitere Schlüsse ziehen zu können. «Suppe Seife Seelenheil» bleibt verpflegt, geduscht und abgeklärt. Ein kurzlebiger, aber eben auch kurzweiliger Roman, der wunderbar an beliebiger Stelle aufgeschlagen werden kann, um Inspiration für das nächste Gespräch am Mittagstisch zu finden. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Matto Kämpf: Suppe Seife Seelenheil. 112 S. Luzern: Der gesunde Menschenversand 2022. 27 CHF.

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