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Mord, Totschlag und Verschwörungen überall – darüber könnte man glatt zwei Bücher schreiben. Die Schwierigkeiten, die bei einer solchen Überstrapazierung von Plot auftreten, fördert das als Triptychon beworbene «Schuld Ein Geständnis» des 25-jährigen Glarners Alfonso Hophan zutage.

Von Simon Leuthold
15. Mai 2017

Nach dem historischen Roman «Die Chronik des Balthasar Hauser» legt Alfonso Hophan mit  «Schuld Ein Geständnis» bereits sein zweites Buch vor. Es vereinigt drei Geschichten, deren Figuren und Handlung über das Motiv der Schuld an einem ungeklärten Todesfall hinaus nicht miteinander verknüpft sind. Das macht stutzig, zeigt ein Triptychon doch für gewöhnlich drei zu einem Ganzen verbundene Bilder.

Aus dem Jus-Lehrbuch

Stattdessen drei Geschichten, die sich nicht nur thematisch zu keinem Ganzen runden mögen. In der ersten Erzählung, «Weißgott» betitelt, sucht ein alter, kranker Mann auf dem Spitalbett Vergebung für einen geplanten, aber nie ausgeführten Mord. Auf ihn folgt ein Pendler, der in «Der merkwürdige Fall des Alexander Frosch» versucht, die Ursache für den Selbstmord eines Mitpendlers zu finden und sich am Schluss frustriert selbst umbringt. Die dritte Geschichte, «Erbschuld», erzählt von einem alternden Provinzpolizisten, der in einem Tötungsdelikt den grössten Fall seiner ebenso langen wie ereignislosen Karriere wittert, dabei aber komplett versagt. Das gerät zum juristischen Lehrstück über Vorverurteilungen und Schuldbestimmung per Tribunal und bestärkt den Eindruck, hier werde letztlich das rechtswissenschaftliche Lehrbuch zur moralischen Erzählung ausgestaltet. Was das gute Recht eines Jus-Studenten ist, doch leider scheint das modellhaft Konstruierte allzu stark durch. Interessante oder wenigstens plastische Figuren entstehen auf diese Weise nicht.

Zum Autor

Alfonso Hophan, Jahrgang 1992, aus Schwanden (Kanton Glarus), studiert zurzeit an der Universität St. Gallen Rechtswissenschaften. Sein erster Roman «Die Chronik des Balthasar Hauser» erschien 2014 bei Salis.
Foto: © David Schläpfer

Durchschaubare Versteckspiele

Dabei fehlt es nicht an seitenweisen Bemühungen, den Lesern das Innere der Hauptfiguren näherzubringen. Vom suizidalen Autor Alexander Frosch liegt zum Beispiel ein detailliertes Tagebuch vor, das seinen inneren Kampf gegen Schreibblockaden (er «verKANTet» sich gelegentlich), ignorante Freunde und eine missbilligende Mutter dokumentiert. Mehr als das Klischee des frustrierten Schreiberlings, der es zu nichts bringt, kommt dabei aber nicht heraus. Durchschaubar sind auch die übrigen Figuren und ihre stets planmässig ausgeführten Handlungen. Den entscheidenden Schritt über das Klischee hinaus zu gehen, etwa zur Karikatur, konnte sich Hophan leider nicht entschliessen. Auch der sich an Hoffmann und Jean Paul anlehnende Versuch, den Texten etwas literarischen Gehalt zu verleihen, indem sie durch ein Versteckspiel zwischen «Herausgeber»«Verfasser»«Autor» und «Erzähler» verschachtelt werden, ist nicht von Erfolg gekrönt. Die Vielfalt an Medien und Erzählmodi wird zwar stark betont, mutet aber beliebig an. Zwischen literarischen Fingerübungen, unfreiwilliger Konzeptkunst und engagierter Moral stellt sich kein überzeugendes Zusammenspiel ein.

Überraschend ist die eher überschaubare Leistung auf dem prominenten literarischen Schauplatz von Schuld und Sühne natürlich nicht. Doch einen jungen Autor einfach im Schatten solcher Grössen wie Dostojewski oder Dürrenmatt stehen zu lassen, ist sicher nicht fair. Nur sind Lese- und Lebenszeit eben begrenzt, und so hätte man zu Schuld und obskuren Kriminalfällen doch gern etwas Neues gelesen. Oder wenigstens eine überzeugende Variation. So aber bleibt nur zu konstatieren, dass Hophan sich einfach verhebt. Juristische Erwägungen, Erzähl- und Gattungsstudien, religiöse und historische Reflexionen sind nicht leicht unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis ist ein Stimmengewirr, in dem abgründige Figuren, überraschende Plots oder ironische Wendungen fehlen – wenngleich die Texte auf einen beträchtlichen Umfang anwachsen. Es wäre dem Autor zu wünschen gewesen, dass er auf diese Aspekte ein ähnliches Augenmerk wie auf seine formalen Spielereien gerichtet hätte. So mag er selbst sich zwar fühlen wie sein Commissaire Baerlac am Ende der dritten Geschichte: «Eine Rede geradezu, nur dass er kein sauberes Ende vorbereitet hatte. Er fand aber, dass er sein Ziel durchaus erreicht hätte.» Den meisten Leserinnen und Lesern dürfte diese Einschätzung nach 350 Seiten Stückwerk allerdings etwas zu optimistisch erscheinen.

Alfonso Hophan: Schuld Ein Geständnis. 352 Seiten. Zürich: Salis Verlag 2017. 33,- CHF.

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