Tier, Tod und Teufel zu Gast im Uferbau

Erst nachdem Moderator Matto Kämpf einen Harass Bier auf die Bühne getragen hatte, konnte der letzte Event am Freitagabend starten: Absolute Finsternis und das Intro von Iron Maidens «The number of The Beast» empfingen das Publikum zu später Stunde – und sofort fühlten sich alle in den 70ern Geborenen in ihre Kindheit zurückversetzt: Gisela Feuz liess Guns ‘n Roses in den improvisierten Disco-Bunkern der Jugendzentren wiederaufleben und Gion Mathias Cavelty erste heimliche Klänge von Black Sabbath auf dem Plattenspieler der erzkatholischen Eltern. Alle fanden wir früher oder später zum Heavy Metal – und verabschiedeten uns zumeist wieder von ihm. Bis er uns heute Abend wieder einholte: Wenn Cavelty mit den Brüdern Petz und Kusi Lugenbühl an Drums und Gitarre zu Judas Priest röhrte oder die rasenden Riffs der legendären Slayer durch den Saal mähten, wiegte manch einer wehmütig den Kopf mit dem schütter gewordenen Haar oder reckte leicht verschämt die gehörnte Hand in die Luft. Weils doch damals so schrecklich schön war.

Aber die vier Gäste brachten nicht nur Musik, Erinnerungen und Hörschäden mit, sondern auch mehr oder weniger poetische Texte aus Metal-Liedern. Dabei überzeugten Feuz’ berndeutsche Version des Iron Maiden-Klassikers «ds nummero vom tier», die den eindringlichen Bildern der biblischen Apokalypse eine beinahe liebevolle Note verpasste, und das absurd schräge «Nonagon» von Car Bomb, vorgetragen von Mirjam Lenz, das mit seinen geometrischen Weisheiten selbst den schlagfertigen Matto Kämpf sprachlos machte, beide durch die Intensität ihrer Metaphern. Die beiden Männer in der Runde dagegen wählten Texte, die strotzten vor Brutalität, was natürlich zum Konzept des Genres gehört, aber sowohl Cavelty als auch Roland Reichen dazu nötigte, mit viel Charme, Witz und ausführlicher Einbettung vom Textinhalt abzulenken, der sonst schwer zu ertragen gewesen wäre: Wenn Slayer in «Angel of Death» die abscheulichen Experimente des KZ-Folterarztes Mengele skizziert oder in «Abigail» von Kind Diamond ein tot geborenes Mädchen mit sieben silbernen Nägel an den Sarg genagelt wird, ist das nur mit ironischer Distanz verkraftbar. Und genau das machte die lockere Gesprächsrunde hervorragend: Gerade weil Cavelty der Runde angeblich vorgängig verboten hatte, sich über sein Lieblingsgenre lustig zu machen, blieb diese Metaebene omnipräsent, sodass auch nach blutdrünstigsten Texten der Weg ins bierselige Kino im Uferbau schnell wieder gefunden war. 

Solche Ambivalenzen wohnen der Metal-Szene seit jeher inne. Eine davon formulierte Gisela Feuz als gewagte These: Hat nicht die Präsenz der christlichen Lehre bis heute stark mit ihrer unzertrennlichen Verbundenheit mit der Metal-Szene zu tun, die antithetisch immer wieder auf sie verweist? Darüber liesse sich nachdenken. Aber erst wenn Iron Maiden, Slayer und Judas Priest verklungen sind.

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