Die Heldinnen der Sowjetunion

Der Landhaussaal ist bis zum Platzen gefüllt, als Sasha Marianna Salzmann am Samstagnachmittag zum Gespräch über ihren* neusten Roman Im Menschen muss alles herrlich sein zu Gast ist. Salzmann, die sich selbst als nicht-binär definiert, ist Theaterautor*in, Essayist*in und Dramaturg*in und hat nach ihrem* Debüt Ausser sich (2017) nun ihr* zweites Buch veröffentlicht.

«Kennen Sie das, wenn Ihnen jemand eine Anekdote erzählt und Sie denken, dass Sie sie verstehen aber irgendwie doch nicht?» Auf einer Geburtstagsparty ihrer* Mutter, kam Salzmann die Idee zu Im Menschen muss alles herrlich sein. Der Roman schildert die Schicksale von vier Frauen während und nach dem Zerfall der Sowjetunion. Der Fokus liegt dabei auf der Spannung zwischen Generationen und der Frage danach, was man über seine Familie wissen kann und möchte. Für ihren* Roman hat Salzmann die Freundinnen der Mutter interviewt, um Stoff für die Anlage ihrer Figuren und die geschichtlichen Hintergründe einer Zeit, die sie selbst nicht so genau kennt, zu recherchieren. «Schlussendlich ist es ein Mutter-Tochter Roman geworden.» Dabei stellen die Figuren fragen, die Salzmann selbst auch beschäftigten, etwa, wieso man in der Ukraine eigentlich Russisch spricht.

Dass Salzmanns Roman auch aktuelle Konflikte tangiert, steht dabei jedoch nicht im Zentrum der Erzählung. «Alle Frauen die ich interviewt habe, kommen aus Orten, die heute Kriegsgebiet sind und damals schon Kriegsgebiet waren. Die Frauen wollten aber in erster Linie gar nicht über den Krieg sprechen. Sie sind alle Superheldinnen für mich, ihre Lebensgeschichten sind Heldengeschichten.» Salzmann stellt die Lebensgeschichten ihrer* Protagonistinnen den klassischen, männlichen Helden der Sowjetunion entgegen und schreibt so eine Geschichte für die «wahren Heldinnen der Sowjetunion».

Besonders spannend ist der Aspekt mythischer Motive und Figuren in Salzmanns Roman, wie etwa der des Ciguapa, einer dominikanischen Mythengestalt. Um dem heteronormativen Denken der Sowjetunion im Roman entgegenwirken zu können, baute Salzmann mythische Gestalten in ihren Text ein. «Mythen, das ist mein queerer Moment im Buch. Sie zeigen, dass man eine Situation immer verlassen kann, dass man nirgends sein muss. Sie sind das queere Element, das ich unbedingt einbauen wollte.» Wichtige Themen anzusprechen, starken Frauen zuzuhören, die selbst nichts von ihrer Stärke wissen, überhaupt zu fragen: das ist es, was Sasha Marianna Salzmann zu einer wichtigen Stimme der Literatur macht.

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