KW22

Kulturspaltenmord

Fabio Lanz schickt in seinem zweiten Kriminalroman «Das Fallbeil» die Ermittlerin Sarah Conti erneut in die Abgründe Zürichs – dieses Mal in die Schattenwelten der High Society. Ein im Grunde vielversprechender Krimi mit einigen Bruchstellen.

Von Oliver Hösli
1. Juni 2023

Bekannt für ihren scharfen Verstand und ihr unschlagbares Auge fürs Detail, wird es der Kriminalermittlerin Sarah Conti nach ihrem letzten Fall schon fast wieder langweilig in der Zürcher Polizeizentrale. Doch dann wird nach einer Vernissage im Chipperfield-Bau des Zürcher Kunsthauses die Leiche einer scharfzüngigen Kulturjournalistin entdeckt: hingerichtet mit einer Guillotine, einem der Ausstellungsstücke. Der neue Mordfall verlangt Sarah ihr ganzes Können ab und schon bald wünscht sich die Detektivin ihren monotonen Alltag zurück. Während die geköpfte Reporterin die Stadt Zürich in angespanntem Schockzustand hält, dringt Sarah immer tiefer in eine Welt des Geldes und Geheimnisse ein, doch je länger die Ermittlungen andauern, desto verworrener werden die Spuren und desto zahlreicher die Verdächtigen.

Auch in der Fortsetzung der Conti-Reihe, deren erster Teil Ein kaltes Herz vor zwei Jahren erschien, erweist sich Fabio Lanz als durchaus versierter und sprachmächtiger Erzähler. Dass sich hinter dem Pseudonym Lanz der Publizist und ehemalige NZZ-Feuilletonchef Martin Meyer verbirgt, mag die stilistische Routiniertheit erklären; indessen schützt auch das Wissen um die Urheberschaft den Text nicht vor seinen Schwächen. So gelingt es dem Roman trotz einer interessanten Prämisse und grandioser Sprache nicht, seine Hauptfigur Sarah Conti innerhalb der Handlung zu stabilisieren. Die Darstellung der Figur schwankt zwischen einer fehlerlosen, selbstbewussten und berechnenden Frau und einer Frau, die unerwartet auf die Bestätigung durch Drittpersonen angewiesen ist. Die harten Übergänge wirken insgesamt zu gesucht, um als Grundlage eines tiefgründigen Charakterportraits taugen zu können, und erzeugen anstelle eines tiefgründigen Charakters eine forcierte Ansammlung durchschaubarer Schablonen.

Zum Autor

Fabio Lanz ist das Pseudonym des Publizisten und Autors Martin Meyer. Geboren in Zürich, durchlief er eine Karriere in diversen Tätigkeiten, bevor er das Schreiben entdeckte. Fabio Lanz lebt in Zürich und in der Provence. 2021 erschien mit «Ein kaltes Herz» sein erster Kriminalroman.

Die ungewöhnliche Mordwaffe, kombiniert mit der erzählerisch dichten Atmosphäre ziehen die Leser:innen auf den ersten Seiten erfolgreich in den Bann der dunklen Abgründe der gehobenen Zürcher Gesellschaft, wie überhaupt die kenntnisreiche Darstellung der Stadt dem Roman eine besondere Authentizität und Stimmung verleiht. Ob auf dem historisches, architektonischen oder rhetorischen Feld unterwegs: Lanz schreibt, wie man es von jemandem erwartet, der fast fünfzig Jahre in der Zürcher Kulturszene unterwegs war. Bisweilen übertreibt es der Text allerdings mit der Pathosgeste:

«Sie zog die Kopfhörer über und spielte den langsamsten Satz von Schuberts grosser Sonate in A-Dur. Etwas vom Traurigsten, vom Verlorensten in der Musik. Eine einzige Ungeheuerlichkeit. Sie wechselte ins Scherzo. Alles wieder Helle und Freude.»

So beeindruckend solche Sprachakrobatik auch sein mag, so dient sie fraglos mehr dem Nachweis des kulturellen und stilistischen Potenzials dieser Autorschaft, als dass sie der Handlung einen Mehrwert verleiht. Ab und an entsteht durchaus der Eindruck, dass die Autor-Identitäten verschwimmen und vergessen wird, dass man es hier eigentlich mit einem Krimi und nicht mit einem Feuilleton-Beitrag zu tun hat.

Eine vergleichbare Problematik zeigt sich leider auch mit Blick auf die wiederkehrenden thematischen Exkurse. So versteht sich dieser Roman zwar als Krimi, der vorrangig in der exzentrischen Kunstszene spielt, reisst jedoch dabei immer wieder andere Grossthemen an – ohne diese wirklich in die Handlung einbinden zu können. Besonders der Versuch, sich durch flüchtige Darstellung von toxischer Männlichkeit und Gewalt an Frauen in einen feministischen Diskurs einzubringen, erscheint fragwürdig.

«Lisa. Überfallen. In ihrem Quartier. Brutal. Hat Glück gehabt. Glück und Krav Maga. […] von einem jungen Typen. Er hatte sie angemacht, belästigt und obszöne Witze gemacht. Schliesslich wollte er handgreiflich werden…»

Die versuchte Vergewaltigung an Contis Kollegin erhält kaum mehr als ein, zwei Seiten Beachtung. Die Integration solcher Themen in den Roman wäre an sich nicht problematisch, ihre kaum mehr als oberflächliche Behandlung und ihr mangelnder Einfluss auf die Handlung als Ganzes wirken jedoch eher wie gezieltes Agendasetting statt authentischer, überzeugter Auseinandersetzung mit solchen Thematiken.

Während sprachlicher Tiefgang und örtliche Verbundenheit zweifellos als Stärken des Romans angesehen werden können, fehlt es der Mordermittlung am Ende damit aber auch an Stringenz, um eine Erzählung von über 350 Seiten zu rechtfertigen. Gefüllt werden diese Seiten leider allzuoft vom Versuch, dem Krimi eine Diskursivität zu unterlegen (die Geschlechterthematik ist nur eine davon), die er weder braucht noch seine Handlung erhellt und im Gegenteil eher verwirrende Effekte zeitigt. Bei Licht besehen zeigt «Das Fallbeil» somit, dass Fabio Lanz sich nicht ganz von der Berufspraxis seines Alter Egos verabschiedet hat.

Fabio Lanz: Das Fallbeil. 368 Seiten. Zürich: Kein & Aber 2023. Ca. 30 CHF.

Zum Verlag

Weitere Bücher