KW38

Duusigernote und Impfdrängler

Pedro Lenz' Kolumnensammlung «Chöit ders eso näh?» versammelt 50 Anekdoten aus den Jahren 2018 bis 2022 - und geht dabei den mundartlichen Symptomen der Pandemie auf den Grund.

Von Corinne Kneubühler
18. September 2023

Wer kennt sie nicht: Die selbst erfundenen Kategorien bei Stadt-Land-Fluss. Eine Automarke, ein Trennungsgrund oder eine biblische Figur mit B? Na Bontius Bilatus natürlich, schreibt Pedro Lenz in der entsprechenden Kolumne. «I has drum uf Mundart gschribe!», erklärt der vielfach ausgezeichnete Mundartschriftsteller und -performer in einer seiner Kolumnen seine in Frage gestellte Antwort. Ebendiese Mundart, in der das gesamte Büchlein verfasst ist, wird in den ein- bis zweiseitigen Texten öfter zum Thema. Ob es sich um das Bernerische «zwe Manne, zwo Froue, zwöi Ching» handelt oder eben um die weiche Oberaargauer «Duusigernote». Der gebürtige Langenthaler schreibt auf kurzweilige und amüsante Art und Weise über die Schweizer:innen und ihre sprachlichen und auch sonstigen Eigenheiten. Zürcher:innen, die ihre Stadt vehement als attraktivste verteidigen und dabei schwören, sie seien nicht (wie es Pedro Lenz zuvor im Radio antönte) arrogant, Basler:innen und Luzerner:innen die sich bezüglich der lustigsten Fasnacht nie einig werden können, oder Berner:innen, die nicht glauben können, dass die Aare tatsächlich auch durch Olten fliesst: «We ds nöchschte Mou öpper frogt, sägen i eifach, dass sig e Fluss, wo z Solothurn zum Boden uus chunnt und hinter Oute wider versickeret.»

Lenz’ Texte scheinen aus Alltagsbeobachtungen zu entspringen. Teils handelt es sich um ganze Gesprächsprotokolle, in anderen Fällen werden Erlebnisse oder Missgeschicke erzählt. Die Geschichten reichen von schweizerischen Gewohnheiten sind, die erst durch Lenz’ Beobachtung witzig werden zu persönlicheren Anekdoten, in denen der Autor auch mal über sich selbst lachen kann.

Zum Autor

Pedro Lenz, 1965 in Langenthal geboren, zählt zu den bedeutendsten Schweizer Mundartautoren der Gegenwart. Für seinen Bestsellerroman «Der Goalie bin ig» (2010) wurde Lenz, der als als freier Autor und Kolumnist in Olten lebt, mit zahlreichen Preisen bedacht; seitdem erschienen, neben zahlreichen Kolumnen und Hörbüchern, unter anderem die Romane «Di schöni Fanny» (2016) und «Primitivo» (2020).

Er bleibt jedoch nicht in allen Kolumnen bei dem leichten Ton. Besonders die Pandemie bildet sich in Lenz’ Texten als ernsteres Thema ab. Auch hier geht er oft von Beobachtungen im Alltag aus, wenn der auch weniger in der Öffentlichkeit stattfindet. Seien es Menschen, die die Zahl der an Covid-Verstorbenen in der Schweiz herunterspielen wollen, die ohne ihre Quellen nennen zu können den Virus als Strategie der chemischen Industrie bewiesen wissen oder die schlicht ihre Angst in Wut und Hass gegen andere umwandeln. Trotzdem findet Pedro Lenz auch hier das Thema der Sprache wieder und erklärt, was es mit Wörtern der Pandemie, wie zum Beispiel dem «Impfdrängler» oder dem «Corona-Wiissruss auf sich hat. «Drängle» heisst i mire Mundart eigetlech «füredrücke». So gseh, chönnt men amnen Impfdrängler ou Impffüredrücki säge. Gmeint si die Lüt, wo nid möge warte, bis si mit der Impfig ar Reie si.»

Eine immer wiederkehrende Figur ist ausserdem der «Bueb», ein Sohn von Pedro Lenz. Das Vatersein in der heutigen Zeit steht genauso im Fokus wie das Kindsein. Seien es die «winzig chliine Dinosaurier»-Eidechsen am Bahnhof, Elefanten, aus denen vermeintlich Klaviere hergestellt werden oder grössere Fragen wie «Was isch eigetlech e Zivilischt?»; Lenz erzählt von einfachen wie komplizierteren Momenten als Familie, sinniert über die Welt, in der sein Kind aufwächst und wie sich Erziehung, Kind- und Vatersein verändert haben.

Wer Dr Goalie bin ig, oder Lenz’ 2020 erschienenen Roman Primitivo  kennt, kann sich über die Sammlung freuen. Der schmale Band ist kurzweilig und unterhaltsam geschrieben und macht Lust auf mehr.

Denn,  wie Pedro Lenz selbst sagt: 
«Es geit no witer, aber i wott jetz do nid grad aues verrote.»

Pedro Lenz: Chöit ders eso näh? 109 Seiten. Zürich: Cosmos Verlag 2023, 27 CHF.

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