Inspiration first!

Der Workshop «Kreatives Schreiben über Inspiration» fand direkt im Herzen von «Zürich liest» im «Zentrum Karl der Grossen» statt. Geleitet wurde er von der ausgebildeten Soziologin Pia Troxler, die, wie sie zu Beginn erzählte, gleich nach ihrem Studium selbst den Weg zum kreativen Schreiben gefunden hatte.

Befürchtungen seitens des Schreibenden, dass ein zweistündiger Workshop am Sonntagnachmittag – und erst noch mitten in der Coronawelle – ein schwieriges Unterfangen werden könnte, erwiesen sich als haltlos. Unter Einhaltung der Maskenpflicht, Abstand und guter Belüftung, ging es mit einer zimmerfüllenden Teilnehmer*innenzahl ans Werk.

Zunächst machte Pia Troxler einen Einstieg ins Thema, indem sie die sogenannte «Drei-Schritt-Theorie» vorstellte. Diese besteht daraus, einen Kernbegriff zu wählen und daraus einen «Assoziationsbaum» zu entwickeln, d.h. eine Art Mind-Map-Methode anzuwenden. In einem letzten Schritt soll, angeregt durch diese Inspirationen, dem Impuls zum Schreiben freien Lauf gelassen werden.

Obwohl dieser Input zunächst mehr theoretisch als kreativ war, erwies er sich bald als äusserst nützlich. Wir fingen also an: Zu einem so einfachen Begriff wie einer beliebigen Farbe sollte ein Text gefunden werden. Schnell konnte dies mittels der soeben gelernten Assoziationsketten bewerkstelligt werden. Auch das Bedürfnis, sich über den Schreibprozess anschliessend mit den Anwesenden auszutauschen, stellte sich schnell ein. Wie sich zeigte, war eine Teilnehmerin gar zu einem Gedicht zum Wort «Dunkelblau» inspiriert worden.

Als wir nach der Pause einen weiteren Versuch zu dem nach Zufallsprinzip herausgepickten Begriff «Laden» wagten, schienen der Kreativität und Inspiration der Anwesenden keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Dem Wort, das zunächst selbst von der Dozentin als eventuell zu schwierig eingestuft wurde, erwiesen sich die Schreibenden gewachsen. Es verbanden sich hierbei die unterschiedlichsten Ideen mit dem Begriff: So wurde er kritisch mit «Konsum» in Verbindung gebracht, aber auch nostalgisch mit dem «Tante-Emma-Laden», sowie poetisch als schattenwerfender «Fensterladen» umgedeutet. Im Nu war es 16:00 Uhr und damit Veranstaltungsende, und die Referentin konnte nur noch knapp über weitere Verwendungsmöglichkeiten des kreativen Schreibens informieren. Mit dem finalen Hinweis auf eine Frauen-Schreibgruppe, die sich regelmässig trifft, wurde man schliesslich entlassen.

Klein aber fein

Unter diesem Titel kann man die Lesung von Christian Dieterle über Uli der Knecht zusammenfassen. Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten des Ateliers «Kunst und Philosophie» in Albisrieden statt. Corona machte sich auch hier bemerkbar, indem nur eine handvoll Leute den Weg in das Quartier gefunden hatten und etliche reservierte Stühle leer blieben.

Eröffnet wurde der Abend passenderweise mit «Vreneli ab em Guggisberg», gesungen von der Schwester des Vorlesenden. Die ausgebildete Sängerin wurde dabei vom Inhaber des Ateliers, Martin Kunz, auf dem Klavier begleitet. Danach legte Christian Dieterle, der Schauspieler und Sprachkünstler, los. Auf dem Leseständer lag der Klassiker von Jeremias Gotthelf, Uli der Knecht. Didaktisch geschickt wurde der Anfang des Entwicklungsromans, der die Geschichte des «zu seinem besseren Selbst und seiner guten Frau Vreneli» findenden Ulis erzählt, in einem Zug vorgetragen. Erst nach der kurzen Pause übersprang Dieterle einige Kapitel, um die Hochzeit des glücklichen Paares Uli und Vreneli noch einfangen zu können.

Bei der Lesung kam ihm zugute, dass er nicht nur immer wieder Rollen in verschiedenen Filmproduktionen inne hatte, sondern auch viel auf deutschen Bühnen gestanden ist. Klar und deutlich trug er vor und untermalte dabei seine Deklamation durch Gestik, Mimik und Modulation. Gerade bei beim Vorlesen der Geschichte fällt dem Schreiberling auf, wie stark dialektal doch die Sprache von Gotthelf war. Dieterle meisterte sie aber gekonnt und stolpert nicht einmal über die vielen berndeutschen und oft altertümlich anmutenden Ausdrücke.

Beim abschliessenden Apéro kamen die Vorteile eines kleinen Publikums zum Tragen. In beinahe familiärer Atmosphäre wurden verschiedene Themen angeschnitten: Ausgehend von Gotthelfs Berndeutsch waren die verschiedenen Dialekte der Schweiz und die kantonale Befangenheit ihrer Bewohner*innen eines davon. So erzählte etwa Martin Kunz die Anekdote, wie er in den 70er-Jahren an einer Tankstelle im Bündnerland kein Benzin für seinen VW-Käfer bekam, weil dieser ein Zürcher Kennzeichen hatte.

Christian Dieterle zeigte währenddessen, dass er nicht nur das Berndeutsch von Gotthelf gut nachahmen kann, sondern auch verschiedene deutsche Dialekte. Weiter erstaunen durfte das nicht, wohnt der Schauspieler aus dem Zürcher Oberland doch schon seit über 40 Jahren in Deutschland und zwar mit Stationen im Ruhrgebiet, in Bremen, in Hamburg und seit gut 10 Jahren in Berlin-Kreuzberg.

Für uns bei «Zürich liest»:
Philipp Vassalli

Von A wie „Anaïs Meier und Lukas Linder auf ein Glas“, bis Z wie „Zürich liest“ und zwar mit Gästen der Solothurner Literaturtage, interessiert ihn alles.

Er hofft, dass er mit seinen Beiträgen zur Verbreitung des Lesefiebers beitragen kann, das nicht nur ungefährlich, sondern auch kurzweilig ist. Damit nicht vergessen wird, dass man auch selbst aktiv werden kann, freut er sich zudem, die Leserinnen und Leser auf einen Selbstversuch in den Workshop „kreatives Schreiben“ mitzunehmen.

Philipp studiert allgemeine Geschichte und Deutsche Literaturwissenschaften an der Universität Zürich.