Über Identität(en), Sprache(n) und Schreiben

Am Podiumsgespräch Über Aneignung, Identitäten und die Literatur nahmen Blaise Ndala, Boutheyna Bouslama und Sasha Marianna Salzmann teil. Das Gespräch wurde in deutsch-französischer Simultanübersetzung übertragen. Die Ankündigung versprach, an die Debatte über die Freiheit des Imaginierens und Erzählens anzuknüpfen und zu klären, was diese für die Zukunft der Literatur bedeutet. Doch schon die erste Frage des Moderators Eric Facon lenkte das Gespräch in eine andere spannende Richtung: Was bedeutet Identität für dich, Qu’est-ce que l’identité pour toi?

Alle Gesprächsteilnehmer*innen sehen Identität als etwas sehr Fluides an und bringen selbst einen mehrsprachigen, multinationalen beziehungsweise interkulturellen Hintergrund mit. Die angeregte Diskussion drehte sich von da an vor allem rund um Identität(en), Sprache(n) und Schreiben. Hervorgehoben wurde, dass die Sprache eine wichtige Rolle für die eigene Identität einnimmt, wobei Schreiben und Sprachlichkeit genuin zusammenhängen.

Sasha Marianna Salzmann schilderte beispielhaft, inwiefern Strukturen in der Sprachen uns prägen. Sie* selbst spricht Russisch, Deutsch, Englisch, Jiddisch und Türkisch und hat zu all diesen Sprachen einen emotionalen Bezug, zudem schreibt sie* in all diesen Sprachen. Dass auch die Absenz einer Sprache Identität beeinflusst, ist der Autor*in wichtig zu betonen. Ihre* Familie stammt ursprünglich aus der Ukraine; dass die Autor*in selbst jedoch kein Ukrainisch spricht, ist für die politischen Repressionen bezeichnend. Blaise Ndala ist im Kongo geboren, lebt in Kanada und spricht Französisch, Lingala, Kikongo und Englisch. Für ihn bringen Sprachen unterschiedliche Erzählungen und Perspektiven. Sein Anliegen als Schriftsteller ist es, diese Erzählungen in andere Sprachen übersetzen und damit die Geschichtsschreibung zu vervollständigen. Boutheyna Bouslama schreibt in Arabisch, Französisch und Englisch, identifiziert sich aber nicht mit allen Sprachen gleich. Obwohl sie in all diesen Sprachen schreibt, singt sie beispielsweise während des Abwaschen nur auf Arabisch vor sich hin. In ihrer Rolle als Schriftstellerin und Filmemacherin sieht sie sich in der Verantwortung, die Komplexität der Identitätsfrage zu thematisieren. Allerdings macht sie darauf aufmerksam, dass man dazu überhaupt eine Plattform erhalten muss.

Das Gespräch wurde nicht nur in deutscher und französischer Sprache geführt, sondern switchte auch zu Englisch und kleinen Fetzen Russisch. Zudem überlagerten sich die Sprachen in der Simultanübersetzung. Die betonte Fluidität wurde somit auf der Bühne performt, was zugleich herausfordernd als auch bereichernd war.

Ein Beitrag von Michelle Agatiello & Rahel Staubli

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