Anime als Einstiegsdroge

Ausgestattet mit Stift und Papier – oder in meinem Fall etwas digitaler –, stehen wir in den Startlöchern für den Comic Workshop mit Nando von Arb. Lassen wir unserer Kreativität für einmal freien Lauf!

Das ist auch Nando von Arbs Motto: Einfach drauflos zeichnen, nicht zu viel nachdenken und schon gar keine «Erwachsenen-Filter» einschalten. Als Kinder hätten wir alle zeichnen können, wir hätten es einfach wieder verlernt.

Zu Beginn stellt der Comic-Künstler sein eigenes Werk vor. Seine autobiographische Graphic Novel 3 Väter ist gerade in Solothurn mit dem allerersten Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden und erzählt von seiner Kindheit in einer Patchworkfamilie mit drei Vätern und einer alleinerziehenden Mutter, die dabei an ihre Grenzen kommt. In seiner Geschichte tritt die Mutter als Vogel und der Vater als wildes Tier auf. Für das Schreiben und Illustrieren ist er sowohl emotional als auch stilistisch in seine Kindheit zurückgekehrt und hat sich von dieser Perspektive leiten lassen.

Genau das sollen nun auch wir versuchen: Denken und zeichnen wie wir das als Kinder gemacht haben, aus der Perspektive eines Kindes. Und wichtig: Einfach drauflos zeichnen! Menschen, mit denen wir noch eine Rechnung offen haben, als tierischen Charakter darstellen und kleine Geschichten entwickeln.

Geleitet von von Arbs Instruktionen und seinem liebevoll gestalteten Worksheet packen wir unsere Stifte und legen los. Es fällt mir schwer, meine perfektionistischen Gedanken und mein Bedürfnis nach Ästhetik zu unterdrücken oder wenigstens zu ignorieren: «Ich kann das nicht. Das sieht sowas von hässlich aus.» Obwohl wir eigentlich keinen Radiergummi benutzen sollten, verwende ich meine «Rückgängig-Taste» anfänglich alle zwei Sekunden. Mit jeder weiteren Illustration, für die uns von Arb jeweils ein paar Minuten Zeit lässt, fällt es mir jedoch leichter loszulassen. Einfach Spass haben und sehen, was ich da auf dem Bildschirm zum Leben erwecke.

Nach jeder Runde sind wir eingeladen, unsere Experimente und Versuche mit den anderen Teilnehmer*innen zu teilen. Ich traue mich noch nicht, aber es macht grosse Freude zu sehen, was bei den anderen entstanden ist. Ein Mädchen zeigt stolz ihre Zeichnung. Sie sei von einer Anime-Serie inspiriert gewesen. Für von Arb ist das keine Überraschung: Anime sei schliesslich eine typische «Anfängerdroge».

Schritt für Schritt werden so aus Menschen Giraffen, Schildkröten, Hunde und schliesslich Comicfiguren mit Emotionen und kleinen Geschichten. Zufrieden und entspannt endet der Workshop nach einer guten Stunde. Ich habe viel Neues gelernt und bin zur Ruhe gekommen. Es tut gut, den Kopf für ein paar Minuten einfach einmal auszuschalten und einfach nur zu zeichnen.

Erzählen im Bild und mit Bildern

Welche Fragen interessieren, wenn Jugend- und Kinderliteratur aus der Perspektive von Erwachsenen betrachtet wird? Im Gespräch mit den Illustrator*innen Anete Melece, Nando von Arb und Vera Eggermann sollten genau diese geklärt werden. Versprochen wurde ein Einblick in das kreative Handwerk und eine Auseinandersetzung mit den erzählerischen Möglichkeiten, die Bilder mit sich bringen.

Leider gelang dies während dem 40-minütigen Gespräch jedoch nur bedingt, dafür wurden die aktuellen Kinderbücher der Illustrator*innen vorgestellt. Melece und Eggermann blätterten virtuell durch ihre Geschichten, während sie den Zuhörer*innen die Handlung zusammenfassten. Bei dem 300 Seiten langen Comic von Nando von Arb hätte das offensichtlich den Rahmen gesprengt, weshalb er kleine Auszüge zeigte und Einblicke in seinen Arbeitsprozess bot. Katja Alves, Autorin und Kinderbuchlektorin, moderierte das Gespräch auf eine sehr sympathische Art und Weise.

Seit 25 Jahren schreibt und illustriert Vera Eggermann Bilderbücher, wofür sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Nun lebt sie in London und Luzern. Ihr neues Buch Hugo und Kauz erzählt eine Vater-Sohn-Geschichte und thematisiert das Leben mit der Natur. Für Eggermann ist es ein eher ungewöhnliches Projekt, da sie normalerweise eher Tiere zeichnet. Das sei oft weniger verfänglich, da kein Schönheitsideal erwartet werde. Ihr grosser Wunsch sei es, durch ihre Bilderbücher in Kindern die Lust zum Lesen zu wecken.

Anete Melece ist in Riga, Lettland, geboren. Sie ist Illustratorin sowie Animationsfilmemacherin und gewann 2014 den Schweizer Filmpreis in der Kategorie Animationsfilm für The Kiosk. Nun lebt sie in Zürich und stellte das gleichnamige Buch, basierend auf dem Animationsfilm, vor. Ihre Bücher seien oft detailreicher als die Filme, denn Animation sei sehr aufwendig. So biete auch dieses Buch viel Neues zum entdecken. Als Melece von ihrer Hauptfigur Olga erzählt, die ihren Unfall als Chance betrachtet und sich anschliessend für einen Spaziergang entscheidet, drängt sich der Aktualitätsbezug zur gegenwärtigen Lage förmlich auf.

Nando von Arb, 1992 in Zürich geboren, arbeitet als freier Grafiker, Illustrator und Autor in Gent (Belgien), wo er zurzeit ein Masterstudium in Fine Arts absolviert. Er erzählt von seinem Comic 3 Väter, der dieses Jahr für den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert ist. Das autobiographische Werk, das als Bachelorarbeit angedacht war, erzählt von seiner Kindheit in einer Patchworkfamilie. Auch der Illustrationsstil ist von seinen eigenen Kinderzeichnungen inspiriert.

Insgesamt bot die Veranstaltung einen stark visuell akzentuierten Einblick in drei Erzählwelten, welche die vielseitigen Möglichkeiten des Erzählens mit Bildern aufzeigten und exemplarisch aufzeigten, wie viel Kreativität in aktuellen Bilderbüchern und Comics steckt. Im Zuge dessen wird es sehr spannend sein, morgen im Comic Workshop von Nando von Arb tiefer ins Handwerk einzutauchen und vielleicht sogar eine eigene Geschichte mit dem Buntstift zu erzählen.