Zu Stimmungen zwischen Memento und Vision

Tom Kummer und Christoph Höhtker treffen sich zum Gespräch mit Stefan Humbel im Rahmen der Veranstaltung «Zu Stimmungen zwischen Memento und Vision». Sie diskutieren die Motive ihrer neuesten Bücher Nicht von schlechten Eltern und Schlachthof und Ordnung. Lorenz Ruesch, Dominik Fischer und Katharina Alder tickerten dazu live. 

[12:57] Lorenz Ruesch
Hmm, versprecht ihr euch etwas Konkretes vom Gespräch Kummer-Höhtker? Erwartungen, Wünsche?
[12:57] Katharina Alder
Ich kann mir vorstellen, dass es viel um Drogen, Tod und Wahrnehmung gehen wird. Und um Surrealismus.
[12:58] Dominik Fischer
S'ist thematisch ja sehr offen gehalten. Ich erwarte schon viel von den beiden, vor allem grossartige Unterhaltung!
[12:58] Katharina Alder
Zwei Mordskaliber. Aber das kann auch in die Hosen gehen.
[12:58] Lorenz Ruesch
Eine gutes Gespann, definitiv.
[12:58] Dominik Fischer
Das ist schon ein bisschen der «Main Event» der Literaturtage, oder?
[12:59] Katharina Alder
Wenn man's ein wenig quer mag. Für die Gesitteten ist wahrscheinlich eher das Gespräch mit Lukas Bärfuss der Main Event.  
[13:00] Lorenz Ruesch
Stimmt, Bärfuss war Mainstage, zur Primetime. Kurz nach Mittag ist ja eigentlich an Openairs nicht viel los, aber da unterscheiden sich die Literaturtage wahrscheinlich von Musikfestivals.

Liveübertragung des Gesprächs beginnt. 

[13:00] Katharina Alder
Da sitzen sie... ganz brav.
[13:01] Dominik Fischer
Der Moderator Stefan Humbel scheint auch ein bisschen eingeschüchtert.

[13:01] Katharina Alder
Stefan Humbel startet das Gespräch mit einer Einleitung zu Tom Kummer, Christoph Höhtker und ihren neuesten Büchern. Schnarch.
[13:02] Dominik Fischer
Durch diese einschläfernden, lang hingezogenen Buchzusammenfassungen erfährt die Vorfreude erstmal einen Dämpfer. 
[13:01] Lorenz Ruesch
Ja, da les ich lieber das Buch.
[13:02] Katharina Alder
Ist aber auch sehr schwierig, dieses Buch sinnvoll zusammenzufassen.
[13:02] Dominik Fischer
Oh lame...... Wieso nicht grad mit dem Gespräch starten?
[13:02] Katharina Alder
Ich finde, dieser Café litteraire-Stil wird dem Buch nicht gerecht. – Ok, jetzt Kummer.
[13:04] Dominik Fischer
Ich hoffe, dass Kummer und Höhtker diesen Buchclub-Stil gleich ausm Fenster werfen. Die sitzen schon ganz missmutig da.
[13:05] Lorenz Ruesch
Das stimmt. Bald sind fünf Minuten vergangen, ohne dass einer der Autoren ein Wort gesagt hat. Erinnert mich an die uferlosen Vorstellungen von Professor*innen an Gastvorlesungen, das ist auch so ein Phänomen.

[13:06] Dominik Fischer
«Der Roman spielt mit Nähe und Distanz.» Können wir bitte die Plattitüden des Moderators beiseite lassen und die Stars zu Wort kommen lassen?!
[13:06] Katharina Alder
Christoph Höhtker sieht aus wie der Götti meines Sohnes. Schon mal sympathisch.
[13:06] Dominik Fischer
Du bist offensichtlich parteiisch. ;)
[13:07] Katharina Alder
Oh, Seitenhieb. Tom Kummer gefällt Höhtkers Buch «aus ganz anderen Gründen als du [Stefan] gesagt hast.» Autsch.
[13:07] Lorenz Ruesch
«Wer von euch hat von wem abgeschrieben?». Keine schlechte Einstiegsfrage.
[13:07] Katharina Alder
Ja, aber die Bücher sind extrem unterschiedlich. Bei dieser Frage geht es natürlich auch um den «Stil» von Kummer, der ja der Plagiatskönig war...
[13:07] Dominik Fischer
Ja, Kummer grätscht grad mal schön in den Aufbau des Moderators und switcht grad zu Burroughs und psychedelischer Literatur. - Gangster!
[13:08] Katharina Alder
Mega Gangster.
[13:10] Katharina Alder
Kummer hat Höhtkers Buch erst grad gelesen, Höhtker Kummer heute Morgen noch husch gelesen.
[13:10] Dominik Fischer
Die beiden sind top vorbereitet.
[13:09] Katharina Alder
Kummer sieht am Schluss einen Funken Hoffnung. Bei Höhtker nicht, da wird Marc Troisier zu Wurst verarbeitet...
[13:09] Lorenz Ruesch
Gerade der Schluss von Kummers Buch hat mich nicht sehr überzeugt.
[13:10] Dominik Fischer
Jetzt kommentiert Kummer sein Verhältnis zur Schweiz: «Ich will mit der Schweiz nichts zu tun haben, sie irritiert mich, deshalb habe ich meinen Roman in der Nacht angesiedelt.» Spannend!
Schade, dass Humbel immer wieder versucht, Zusammenhänge zwischen Kummers und Hötkers Buch herzustellen. ​
[13:12] Katharina Alder
Mir ist das zu wenig. Der Moderator nimmt extrem den Wind aus der Sache raus.
Jetzt kommen die Drogen.

[13:15] Dominik Fischer
Kummer nimmt die Drogen direkt mit ins Studio.
[13:15] Lorenz Ruesch
... und platziert seine Schmerztabletten neben seinem Weinglas?
[13:16] Dominik Fischer
Kummer und Höhtker sind sich einig in der Kritik an der Benzos-Epidemie und der US-amerikanischen Drogenpolitik.
[13:17] Lorenz Ruesch
Ein Thema, das immer häufiger auftaucht in neueren Büchern... auch in Schertenleibs «Palast der Stille» am Rand zum Beispiel.
[13:20] Lorenz Ruesch
«Das sollte eigentlich gar kein konsumierbarer Roman werden.» Starke Aussage von Höhtker!
Da weiss Humbel gar nicht mehr was fragen.
[13:20] Katharina Alder
Ich bin ja so froh, dass Höhtker das sagt. Ich bin nach 20 Seiten durchgedreht und musste nochmals anfangen. Der Roman ist in der Tat nicht konsumierbar. Aber eben, wenn man keinen Druck hat, irgendwas verstehen zu müssen oder den Durchblick zu haben, ist er ziemlich geil! 
[13:22] Dominik Fischer
Cool zu sehen, wie stark sich Kummer auf Höhtkers Buch bezieht und sich in Lob ergeht. Humbel schwadroniert, Kummer und Höhtker holen mit ihrem lässigen Witz des Gespräch auf dem Boden zurück.​ Kummer übernimmt auch ein bisschen die Moderation und stellt die wirklich spannenden Fragen an Höhtker.
[13:23] Lorenz Ruesch
Ja, sie wirken wirklich angenehm relaxt und unaffektiert.
[13:26] Katharina Alder
Kummer interviewt Höhtker zu seinem neuen Buch Schlachthof und Ordnung!
[13:26] Dominik Fischer
Die beiden sind so auf einer Wellenlänge, dass es gar keine Moderation brauchen würde. 
[13:29] Katharina Alder
Höhtker nennt Toms Buch einen «dunklen Schweizer Heimatroman»!!! Treffende Analyse.

[13:29] Dominik Fischer
Kummer sieht wieder literarisches Potential in der Schweiz und findet sie auch als Wohnort wieder erträglich. 
[13:29] Katharina Alder
Genau, das langweilige Schweiz-Idyll: Immer alles rein und sauber. Die Schweiz würde mehr von Kummers Visionen vertragen: urban, düster, melancholisch. – Aber warum unterbricht jetzt der Humbel mit einem neuen Thema? Das wär doch jetzt spannend gewesen, die Schweiz als Kulisse... So kommt man null in die Tiefe.
[13:31] Lorenz Ruesch
Kummer bringt's wieder zurück auf die Mobilität und erzählt davon, wie seine Figur mit edlen Diplomatenkarren durch die nächtliche Schweiz cruisen. ​Den Innenraum dieser Luxusautos bezeichnet er als geisterhafte Zwischenwelt, die Diplomatenautos als «untouchables».
[13:32] Dominik Fischer
Spannend, die Luxusautos der Diplomatenklasse bieten sich als literarischer Zwischenort an. Dabei «fahren der Suizid und der Fährmann Charon aus der Unterwelt auch immer mit», kommentiert Kummer.
[13:33] Katharina Alder
Oh! Beides Nachttaxi-Fahrer...!!!
[13:33] Lorenz Ruesch
Das ist ja eine unerwartete biographische Verbindung: Höhtker als Nachttaxifahrer kann sich selbst sehr gut in die Erzählsituation in Kummers Buch hineinversetzen, erzählt er. Die Einsamkeit, die Kummer bei seinen nächtlichen Autofahrten durch die Schweiz schildert, hat Höhtker selbst erlebt.
[13:40] Lorenz Ruesch
Humbel sieht das Schreiben irgendwie mystischer als die Autoren selber. Will es ständig künstlich überhöhen. «Hat sich da bei Ihnen was reingeschlichen» etc. Kummer und Höhtker so: «Bö. Einfach mal machen, ist lustig.» Irgendwann kann diese laid-back-Attitüde auch ein bisschen viel werden, nicht? Verkauft sich Höhtker da nicht bewusst unter seinem Wert? Aber er ist mir trotzdem sehr sympathisch.
[13:43] Kathrin Alder
«Das Trauma des Nichtverstehens in seinen Büchern weiterverarbeiten.» Ich fühl mich ganz zu Hause bei Höhtker.
[13:45] Dominik Fischer
Flucht innerhalb des eigenen Landes wird zum Thema, die trostlosen Orte der Schweiz mythisch aufzuladen, das ist es, was Kummer versucht und ihm mit seinem «fantastischen Realismus» gelingt. Die Schweiz anders anzusehen, das ist vielleicht das Mittel, was Kummer braucht, um sich mit der Schweiz wieder anzufreunden.
[13:45] Lorenz Ruesch
Der harte Boden Schweiz vs. die Traumwelt Hollywoods.
[13:48] Kathrin Alder
Nun geht es um den Schreibprozess. Das Schriftsteller-Idyll an der Schreibmaschine. Macht die Ablenkung die Autor*innen zu schlechteren Schriftsteller*innen?
Oh, Dissonanz... Tom Kummer muss sich zwingen zu schreiben und quält sich. Schreiben als Kampf oder Spass?
[13:47] Lorenz Ruesch
Er muss sich «durch schlechte Sätze quälen», kommentiert Kummer. Erfrischend ehrlich, alle beide.
[13:47] Katharina Alder
Ich finde, diese beiden Ansätze widerspiegeln sich in ihren Büchern.
​[13:49] Dominik Fischer
Kummer sehnt sich jedenfalls zurück an seine Olivetti. 
[13:49] Lorenz Ruesch
Ich glaube nicht, dass Schlachthof und Ordnung von Hand oder auf Schreibmaschine geschrieben hätte werden können.
[13:50] Dominik Fischer
Höhtker ist da sehr schlicht, spielt das runter, das klingt so als ob der die Bücher am Computer einfach runter tippt. 
[13:50] Kathrin Alder
Aber ich kann mir gut vorstellen, dass er das auch macht. Die Texte klingen schon so. Der hat eine lustige Idee und haut sie rein.
[13:52] Dominik Fischer
Promptes Ende. Da hätte man (wie so oft an diesen knapp bemessenen Veranstaltungen an den SLT) noch länger zuhören können. Stark war das Gespräch v.a. dort, wo Kummer und Höhtker in den Dialog traten und Humbel ein wenig im Hintergrund trat. Beachtlich auch Kummers Interview-Fähigkeiten mit seinen spannenden Fragen an Höhkter und Höhtkers unglaubliche Gelassenheit.