Für Stefan

In der Radio SRF Livesendung «Literaturfenster» stellte Julia Franck ihr Buch «Welten auseinander» in der dicht bestuhlten Cantina del Vino vor. Den Begriff «Buch» verwendet sie bewusst, denn ein Roman ist es für sie nicht: zu wenig Fiktion. Zu präsent sind die Elemente, die die Autorin direkt aus ihrem Leben übernommen und in die Geschichte gesetzt hat. Deshalb bezeichnet die Autorin ihr Werk lieber als «archäologische Arbeit».

Lange hat es gedauert, bis wir wieder etwas Neues von Julia Franck lesen durften – 11 Jahre Publikationspause. Warum? Weil das autofiktionale Buch schmerzhafte Themen und Erlebnisse behandelt, über die sie vor 10 Jahren noch nicht hätte schreiben können, da sie sie noch nicht genug damit auseinandergesetzt hatte. Es sind Themen wie Scham, Brüche, Verlust und Trauer. «Es ist eine Reifefrage», meint Franck.

«Welten auseinander» erzählt die Geschichte der ersten 23 Jahre der Autorin. Es ist die Geschichte der Flucht aus der DDR in ihrer Kindheit, die Unbeständigkeit ihres Lebens als Aussenseiterin in Westdeutschland und die Geschichte von Stefan, ihrer ersten und einzigen grossen Liebe. Stefan, den sie durch einen schweren Fahrradunfall verloren hatte, Stefan für den sie diese Geschichte erzählt.

Der Verlust Stefans war für Julia Franck deshalb so traumatisch, weil sie mit allen ihren gemeinsamen Erinnerungen zurückblieb. «Ich war plötzlich alleine mit unserer Geschichte. Die Person, mit der ich sie teilte, war unwiderruflich verschwunden, ich hatte die alleinige Verantwortung über unsere Geschichte. Das kann man nicht. Deshalb erzähle ich diese Geschichte für ihn.»

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