Längst fällige Entstaubung

Achtung, Lyrik! lautet der Titel der Veranstaltung, die am Samstagvormittag zahlreiche Besucher*innen in den Solothurner Theatersaal gelockt hat. Doch warum muss man vor Lyrik überhaupt gewarnt werden? Diese und viele weitere Fragen beantworteten Eva Maria Leuenberger, Rolf Hermann und Simone Lappert im Podiumsgespräch.

Dass Lyrik heutzutage bei vielen eher Angstzustände statt sehnsuchtsvolle Phantasien auslöst, ist eine traurige Tatsache. Nicht ganz unschuldig daran sind wohl jahrelange pädagogische Verfahren, die das Wissen von Metrik und das Auswendiglernen von schwierigen Gedichten voraussetzten. Diese Beobachtungen konnten die geladenen Podiumsgäste ebenfalls mit uns teilen. Nichtsdestotrotz konnten sie sich von Lyrik begeistern lassen und überraschten das Publikum mit lyrischen Neuerscheinungen, die bei den Leser*innen grosses Gefallen auslösten. Alle drei boten dem Publikum tiefe Einblicke in ihr lyrisches Schaffen, ihre Ideen und ihre Ausführungen. Obwohl ihre Gedichte inhaltlich und formell sehr unterschiedlich sind, haben doch alle drei mindestens etwas gemeinsam: Das Ziel, die lyrische Welt aus ihrer kleinen Blase ausbrechen zu lassen, sodass alle daran teilhaben können. Dadurch sollte die Angst vor Lyrik bei möglichst vielen genommen werden. 

Erreichen wollen sie dieses Ziel, indem sie uns eben nicht klassische Lyrik im traditionellen Sinne bieten, sondern experimentell und unvoreingenommen an die Sache herangehen. So entstehen beispielsweise sprachliche Mischungen bei Hermann, musikalische Exkurse bei Lappert oder sogar biographische Gedichtessays bei Leuenberger. Die Endergebnisse sind dann Simone Lapperts längst fällige verwilderung. gedichte und gespinste, Rolf Hermanns In der Nahaufnahme verwildern wir: Gedichte und Eva Maria Leuenbergers kyung. Sie alle tragen dazu bei, dass sich der Begriff der Lyrik heute in einem weiteren Sinne verstehen lässt und in der Schweizer Literaturlandschaft Akzeptanz findet. 

Eine klare Leserschaft adressieren alle drei Autor*innen beim Schreibprozess nicht. Vielmehr sehen sie ihre Aufgabe darin, ihre Gedichte so zu schreiben, dass jede*r sie auf die eigene Art und Weise verstehen kann. Denn, wie Simone Lappert festgehalten hat, bildet die Lyrik den grössten Freiraum der Literatur. 

Im Unklaren liessen uns jedoch alle drei darüber, ob wir uns auch künftig auf Gedichte von ihnen freuen dürfen. Sicher ist aber, dass sie mit ihren Neuerscheinungen frischen Wind in die Schweizer Literaturlandschaft gebracht haben. Es ist zu hoffen, dass sich in Zukunft auch noch viele weitere Autor*innen an Lyrik wagen.

Von Michelle Agatiello und Simona Savic

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