Die Kritik der kritischen Literaturkritik. So halb in eigener Sache.

Diese Veranstaltung zielt gleichsam close to home. Philipp Theisohn und Thomas Hunkeler führen, von Beat Mazenauer launig moderiert, in der Säulenhalle des Landhauses ein angenehm differenziertes Gespräch über die Lage der Literaturkritik.

Dabei geht es auch ganz explizit um die Rahmenbedingungen dieses Blogs. Einige von uns reden nämlich mit, erfahren wir vor Ort, als wir in die vorderste Reihe bugsiert werden. So be it! Wir bemühen uns, die eigene Schreiberfahrung auf halbwegs aussagekräftige Beobachtungen über das Verhältnis von Kritik und Wissenschaft hin zu schröpfen. Die Eindrücke kontrastieren die beiden Pole: Es ist ein schnelleres Schreiben; es muss angesichts viel engerer Zeithorizonte auch mal einfach mit einem Text zufrieden sein. Auch das spontane Reagieren jenseits des sicheren Hafens schon längst kanonisierter Literatur fordert heraus. Das sind ganz andere Druckverhältnisse. Genug Nabelschau aber, denn es geht um Literaturkritik auch im viel weiteren Kontext.

Nachdem eine störende Vase aus dem Sichtfeld genommen wird, darf es auch ein wenig unverblümt hergehen. Die Zeiten der strahlkräftigen Literaturbeilagen scheinen passé. Ein Grossteil der Neuerscheinungen verteilt sich auf «kleine, sehr kleine und winzige Verlage». Die Aufmerksamkeit für Literatur schwindet.  Nostalgische Loblieder auf die gute alte Zeit kommen zum Glück trotzdem nicht auf, sind auch ohnehin nicht erwünscht, «Ich werd’ sonst so pathetisch», so Philipp Theisohn. Erfreulich klischeefern werden dementsprechend Problemfelder durchquert, von grossen Markteinbrüchen bis zu den Details regionalspezifischer Literaturszenen. Affektlagen und Selbstbilder einer zeitgenössischen Kritik sind da ebenso relevant wie Tücken und Möglichkeiten sozialer Medien. Dabei kommt mehr Abwägen als Programmatisches raus. Ganz düster schaut es ja auch nicht aus. Literaturkritisches Schreiben, so hofft man hier, kann auch eine neue Perspektive auf’s literaturwissenschaftliche Schreiben generieren, und umgekehrt. Potentiale habe die Literaturkritik allemal; ihr kommt es unter anderem zu, neue Bücher zu selektionieren und  einen gut informierten breiteren Diskurs herzustellen.

Gut informiert sind aber nicht nur die beiden Männer auf dem Podium, auch das Publikum bringt kenntnisreiche und kluge Wortmeldungen mit ein – es setzt sich aus gut informierten Laien, aber auch vielen Medienschaffenden zusammen. Podium und Publikum scheinen sich einig in ihrer Liebe zu zeitgenössischer Literatur. Das stimmt milde optimistisch.

One thought on “Die Kritik der kritischen Literaturkritik. So halb in eigener Sache.”

  1. Gefragt wurde nicht nur nach der Verfasserin und dem Verfasser einer Literaturkritik oder nach dem Medium, Internet oder Feuilleton, sondern auch nach dem Leser. Ein Bild vom Leser scheint man nicht zu haben. Oder doch?
    Gesprochen wurde von dem deutschschweizer Leser und von dem Leser auf der anderen Seite des Röstigrabens. Der eine ist an deutschsprachiger und der andere an französischsprachiger Literatur interessiert. In Deutschland findet man diese Sprachenvielfalt nicht vor.
    Kann man aber noch von zwei klar abgrenzbaren Sprachregionen sprechen oder einer eindeutigen Sprachregion?
    Ich denke nicht. Schon alleine in meinem Mehrfamilienhaus in Zürich wird auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Englisch, Hebräisch, Russisch und Japanisch gesprochen und gelesen.
    Die Gemeinschaft der Leser und Leserinnen wird vielfältiger, aber in den Feuilletons wird dies nicht wahrgenommen.
    Und ja – man kann ein Buch besprechen, das noch nicht übersetzt worden ist. Und ja – man kann über literarische und kulturelle Ereignisse ausserhalb einer vermeintlich homogenen Sprachregion berichten.
    Aus diesem Grund finde ich es entscheidend, wenn über die Leserin und dem Leser nachgedacht wird. Und dabei sollte das Bild erweitert und korrigiert werden. Vielleicht ist das eine Möglichkeit, das Interesse für Bücher und Rezensionen „neu“ zu erwecken.

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