Blumen wachsen aus dem Kopf

Der Platz vor der Aussenbühne Landhausquai füllt sich, Menschen reihen sich in die Sitzreihen ein und bilden stehend weitere Reihen um die bereits bestehenden herum. Gespannt schauen alle in Richtung Rednerpult, noch ist niemand da. Dann kommt sie und liest. Melinda Nadj Abonji trägt aus ihrem neuen Buch Schildkrötensoldat vor.

Sie entführt uns in eine andere Welt – in vielerlei Hinsicht. Einerseits ist es die Welt von Serbien im Jahr 1991. Andererseits ist es die Welt des wunderbar phantasievollen jungen Mannes Zoli, der so gar nicht zum Militärdienst passt, den er absolvieren sollte. Er spricht von seinem Unfall, als er vom Motorrad seines Vaters gefallen ist. In Worten, die nur so sprudeln vor Poesie. Er spricht von Blumen, die aus seiner Wunde im Kopf herauswachsen und die dann plötzlich doch keine Blumen mehr sind, sondern Vögel. Er sieht die Welt auf seine ganz eigene Art. Blumen, Vögel, Farben, alles scheint er stärker wahrzunehmen als seine Mitmenschen, vor allem als seine Eltern.

Die grobe Sprache des Vaters steht im krassen Kontrast zu Zolis feiner Wahrnehmung. Zoli erzählt sehr assoziativ und unruhig. Als ob alles raus müsste, mit einem Schwall. Nadj Abonji betont den Rhythmus dieser drängenden Sprache mit unterstreichenden Handbewegungen auf dem Tisch. Das Publikum ist gebannt. Für zwanzig Minuten sind wir dank Melinda Nadj Abonjis farbenstarken Worten in einer anderen Welt.

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