Dreisprachiger Ausflug nach Tel Aviv

Drei Leute sitzen bei der Lesung von Assaf Gavrons Roman Achtzehn Hiebe auf der Bühne. Und drei Sprachen klingen den Zuschauern dabei in den Ohren: Englisch, Deutsch und ein klein wenig Hebräisch. Auf Englisch wird das Gespräch mit Gavron geführt, Deutsch liest der Schauspieler Günter Baumann aus dem Roman vor, und mit Hebräisch entführt uns der Autor selbst nach Tel Aviv, den Schauplatz des vorgestellten Buches.

Assaf Gavron ist ein Mann mit vielen Talenten. Er ist Journalist, Videogame-Designer, schreibt Kolumnen als Falafel-Tester, arbeitet als Übersetzer und spielt in einer Band. Ganz nebenbei veröffentlicht er preisgekrönte Bestseller. Für diese Vorschusslorbeeren bedankt sich der Autor mit einem schelmischen Lächeln und meint, dass dies wohl das erste Mal sei, dass er zu 100% richtig vorgestellt wurde. Er liest daraufhin die letzte Seite seines Buches auf Hebräisch vor. Ein fremder, angenehmer Klang, den man ohne Angst vor Spoilern geniessen kann.

Auch Günter Baumanns Lesung kann man entspannt geniessen. Der Schauspieler füllt mit seinem kräftigen Bariton den ganzen Landhaussaal. Leider liest er nur aus dem ersten Kapitel „Taxi zum Friedhof“, in dem die Hauptfiguren eingeführt werden – man hätte ihm noch lange zuhören können.

Eine dieser Hauptfiguren ist Eitan Einoch, Taxifahrer in Tel Aviv. Er liebt es, seinen Gästen Geschichten von den Strassen zu erzählen, in denen sie zu ihm ins Auto steigen. Dabei fällt es ihm leicht, sie einzuschätzen. Er erkennt an ihren Stimmen, wann sie ungefähr geboren wurden, woher sie stammen, ob sie den Holocaust erlebt haben oder nicht. Auch seinen nächsten Fahrgast, eine alte Dame, ordnet er nach seinem Radar ein: eine typische Jeckin. Lotta Perl, so ihr Name, überrascht Eitan jedoch. Sie ist lockerer als erwartet, jünger als geschätzt und gibt unerwarteter Weise reichlich Trinkgeld. Fortan wird er sie täglich zum Friedhof fahren, bis sie eines Tages nicht mehr in sein Taxi steigt und Eitan zum Detektiv wird.

Ein typischer Detektiv-Roman ist Achtzehn Hiebe aber nicht. Eitan als Detektiv ist einer, der Fehler macht, der die Leser fehlinformiert, insgesamt ein unzuverlässiger Erzähler, der den Erkenntnissen, die man als Leser meist schon gemacht hat, zehn Seiten hinterherhinkt. Gavrons Wunsch war es ursprünglich, eine ganz neue Art von Detektiv-Geschichte zu schreiben, wo der Leser die Lösung kennt, der Detektiv hingegen zum Ende die falschen Schlüsse zieht. Das war ihm dann aber doch zu schwer umsetzbar. Die jetzige Form scheint ein Kompromiss zu sein.

Der Taxifahrer Eitan Einoch taucht nicht zum ersten Mal in einem Buch von Assaf Gavron auf. Deshalb auch die Frage, was zuerst da war: das Anliegen, das historische Thema der Mandatszeit aufzugreifen, oder der Wunsch eine Figur wiederzubeleben? Gavron meint, anfangs wollte er vor allem einen Text schreiben, der Briten und die Israelis verbindet. Seine Eltern emigrierten nach Israel, er hat aber Familie in England, studierte und lebte dort. Diese zwei Seiten haben nach Ausdruck gesucht. Gefunden hat Gavron sie im historischen Aufeinandertreffen von Briten und Israelis während der Völkermandatszeit. Er wollte zurückblicken auf diese Zeit mit Zeitzeugen, die es wohl nicht mehr lange geben wird. Doch da war diese Figur des Einoch, dessen Geschichte damals eher schlecht ausging. Was macht er heute, zehn Jahre später?

Dem Palästina-Konflikt kommt dabei eine bewusst untergeordnete Rolle zu. Gavron wollte nach eigener Aussage gerne etwas Leichteres, Spassigeres schreiben. Etwas, das sich unterscheidet von Romanen wie Auf fremdem Land, wo er sich diesem Thema zwar mit gewohnt leichtem Schreibstil aber auf eher ernste Weise nähert. Die ganzen Konflikte um Israel seien traurig, tragisch, schrecklich. Gleichzeitig seien sie aber eine literarische Goldmine, die für reichlich Stoff sorge. Dass er auch ausserhalb dieses Konfliktes fantastisch schreiben kann, hat Gavron mit seinem Roman Achtzehn Hiebe bewiesen.