Armin Senser: Der ich bin

Armin Senser: Der ich bin

«Der ich bin» ist der zweite Teil der insgesamt dreibändig geplanten autobiografischen Chronik Armin Sensers. Nach „Sensus. Chronik des Scheiterns“ aus dem Jahr 2016 trägt der
2018 erschienene Band den bezeichnenden Untertitel „Chronik des Vergessens“. Im Zentrum des Werkes steht der Selbstmordversuch von Sensers Bruder [Name?], ein 30 Jahre zurückliegendes Ereignis, das für den Protagonisten immer noch nicht vorbei ist, obwohl drei Jahrzehnte eine lange Zeit für eine Heilung seien. Entlang dieser nicht auszulöschenden Erinnerungslinie reihen sich weitere traumatische Vorfälle – Terroranschläge, Naturkatastrophen und Selbstmordattentate – auf. Parallel zu seiner Fassungslosigkeit für das Schicksal seines Bruders [das verstehe ich nicht – geht es da denn um Reflexionen, die sich auf den Suizidversuch beziehen? „Parallel“ ist hier vielleicht dann auch nicht der richtige Ausdruck…] stehen die in der Öffentlichkeit ausgetragenen persönlichen Kämpfe und ungerechten Launen der Natur, welche mantraartig immer von der Zeitungsüberschrift Was wir wissen. Und was noch unklar ist begleitet werden.

Als dritte und bemerkenswerteste Komponente enthält das Werk Sensers Reflexionen über sein früheres Leben in Biel, sein jetziges in Berlin und zum Dasein des Schriftstellers und seiner Beziehung zum Schreiben. Fast gedichtartig in unterbrochenen Sätzen [geht es da um Versprosa? das müsste man präziser bestimmen] wirft der Schweizer Autor, welcher bisher vor allem Lyrik veröffentlicht hat, die grossen Fragen zum Sinn des Lebens auf [das ist leider eine Hohlphrase – bleib bitte so präzise wie möglich hier] und versucht im Selbstgespräch eindringlich sowohl ihn als auch jeden Menschen betreffende Themen wie Arbeit, Glaube und Tod zu entschlüsseln. Anhand dieser Gedanken wird skizzenhaft dargelegt, was dem Menschen helfen soll, ein Leben zu führen.

Ausser der Erschütterung des Protagonisten über den Selbstmordversuch des Bruders und die Folgen dessen, oder wie er sich selbst die Frage stellt, ob es sich hierbei eher um eine Tat oder eine Krankheit handelt, sind glücklicherweise [?] keine ausschweifenden [besseres Adjektiv] Details zu erfahren. Als das eigentliche Hauptereignis kann letztendlich die jegliche Empfindung aufnehmende Sprache selbst gesehen werden, denn das Buch konzentriert sich in fünf Teilen in thematisch unterteilten Kürzestkapiteln auf den Sound, der das Schreiben macht. Nicht die Idee. [gut – da müsstest Du viel früher hin!]

Um es mit den eigenen Worten Sensers, mit welchen er im vorliegenden Buch „Sensus“ beschreibt, zu sagen, ist auch „Der ich bin“ nicht ein Buch, welches den Leser in einer anderen Welt gefangen hält, es ist ein Buch, das die Menschen auf ihr Leben losliess. Es sollte daher gut dosiert konsumiert werden und eignet sich definitiv nicht als Bettlektüre.

Diskussion (1)

  1. ptheis sagt:

    LIebe Debora,

    für den ersten Versuch schon mal mit einem guten Blick gestartet, sehr schön. (Zumal Du es mit einem schwierigen Objekt zu tun hast.) Ich habe am Anfang etwas stärker redigiert und zum Ende hin immer weniger, weil ich davon ausgehe, dass man die Grundstruktur ggf. noch einmal modifizieren könnte. Wichtig: Senser ist, wie Du richtig erwähnst, für seine Lyrik bekannt, genaugenommen ist er der wichtigste Deutschschweizer Lyriker unserer Gegenwart. (Wird bei Hanser verlegt etc.) Das sollte man ganz am Anfang ruhig erwähnen – und dann sollte man eben zur Struktur des Textes kommen und zum „Sound, der das Schreiben macht“. Der steht ja in einem ganz bestimmten Verhältnis zum Gegenstand des Textes, man müsste also die traumatisierenden Einschläge dieses Lebens und die lyrische Performanz in irgendein Verhältnis setzen und die Frage beantworten: was kann die Sprache hier leisten, was etwa ein Tatsachenbericht nicht leisten kann? Der Begriff der „Chronik“ spielt ja auch noch eine Rolle: Erfüllt denn dieser Text die Kriterien einer „Chronik“? Inwiefern?
    Ganz wichtig: Halte Abstand von „den grossen Fragen des Lebens“, da kann sich niemand etwas drunter vorstellen (oder eben alles).
    Also: Dein struktureller Befund ist gelungen und gut gesichert – jetzt müsste man ihn noch in eine andere Argumentationsstruktur überführen und dann sind wir auf dem besten Weg.

    Herzlich,
    Philipp

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