7 Wörter für das Schweigen


Zwischen Puzzles und Büchern hat sich im Winterthurer Orell Füssli eine Menschenmenge versammelt, um Usama Al Shahmanis tiefer Stimme zu lauschen. Er liest aus seinem neusten Werk Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt.

Der Frauenfelder Schriftsteller und Übersetzer, der vor 20 Jahren aus dem Irak in die Schweiz flüchtete, schreibt von Freiheit, Heimat und dem Verlust derselben. Der Protagonist seines neuen Romans berichtet aus seiner von Saddam Hussein geprägten Kindheit und Jugend. Zeit, Erinnerung und Sprache sind dabei Motive, die sich durch den gesamten Roman ziehen.

Geschichten aus dem Arabischen

«Um die Frage vorwegzunehmen», schmunzelt Al Shahmani, «ich schreibe auf Deutsch, träume auf Deutsch, Arabisch oder sprachlos und dichte auf Arabisch. Wieso? Weil es so ist». Manchmal seien seine Gedichte übersetzbar, manchmal aber auch nicht. Immer wieder unterbricht er auf diese Art sein Vorlesen, um sich an das Publikum zu wenden. Die Zuhörenden erfahren dabei viel, unter anderem, dass es im Arabischen 7 Wörter für verschiedene Situationen des Schweigens gibt. Zum Beispiel eines für das Schweigen zwischen zwei Menschen, die sich eigentlich viel zu sagen hätten. Ein Zuhörer lobt die Titel seiner Werke, worauf Al Shahmani berichtet, die Titel setze er immer bereits, bevor er den Text schreibe. Sein Verleger sei bisher sehr zufrieden mit den Titeln, es gäbe nur ein Problem: Sie würden immer länger…

Die Frage nach dem Autobiografischen

Einerseits sind es humorvolle Anekdoten wie diese, die Al Shamani in seine Lesung einflicht, andererseits aber auch politische Kommentare, bei denen eine bestimmte Ernsthaftigkeit mitschwingt. So erhebt er beispielsweise die (Rede-)Freiheit der Schweiz zum höchsten Gut und bemerkt, er wolle «als Autor-Identität etwas bewegen, etwas ändern». Aus dem Publikum kommt die Frage, ob Teile des Romans autobiografisch seien ― eine berechtigte Frage, denn der Protagonist des Romans flieht aufgrund eines heiklen Theaterstücks aus dem Irak in die Schweiz, genau so wie es Al Shahmani selbst auch getan hat. Er verhandle Fragen von Migration und Identität durch Sprache, erwidert dieser, «alles ist ich». Er erklärt aber auch, dass sich die Romanfiguren unabhängig von ihm entwickeln, und stellt klar: «Ich bin mehr als meine Figuren».

Al Shahmanis Aussagen bleiben im Kopf, ebenso wie die poetische Sprache seiner Erzählungen. Kein Wunder, dass die Veranstaltung so gut besucht war.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert